Das Kandidaten-Karussell dreht sich. Doch ob CSU-Friedrich oder CDU-Kauder – die heikle Balance im Kabinett kann nur eine wahren.
Berlin/Hamburg. Personalsachen sind Chefsache – und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wacht mit Argusaugen auf ihre wichtigste Kompetenz im Bundeskabinett. Die Chefin wird die Nachfolge von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach dessen Rücktritt so regeln wie in der Vergangenheit bei Abgängen seit 2005. Nach Gerüchten wird CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich gehandelt. Chancen hat auch Volker Kauder, CDU-Fraktionschef. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) könnte die Verteidigung übernehmen, aus der CSU könnten auch bayerische Talente wie Christine Haderthauer oder Markus Söder kommen. Das würde der FDP und vor allem Guido Westerwelle nicht schmecken. All das muss Merkel mit der CSU, deren Landestraditionen von Franken und Oberbayern sowie mit der FDP aushandeln, dem nicht immer geliebten Koalitionspartner. So könnte der Bundeswehr-affine FDP-Mann Dirk Niebel Verteidigungsminister werden. Dann aber müsste man das Kabinett großflächig umbilden. Das wäre ein Vabanquespiel vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt (20. März) und Baden-Württemberg (27. März).
Bei den Abgängen von Franz Müntefering (SPD-Arbeitsminister), Michael Glos (CSU-Wirtschaftsminister) und Franz Josef Jung (CDU; erst Verteidigungs-, dann Arbeitsminister) hatte Merkel binnen 48 Stunden eine passable Lösung gefunden. Jetzt ist sie umso stärker unter Druck, weil sie für einen populären Mann Ersatz finden muss, den sie möglicherweise ungeschickt lange gehalten hat. Dabei hätte sie ihn auch nicht fallen lassen können. Das wäre ihr als Verrat ausgelegt worden. Nun wurde sie überrollt.
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Mit dem Umbau der Bundeswehr steht eine der größten Reformen in der Nachkriegsgeschichte bevor. Den Bürgern müssen Standortschließungen verkauft werden, Merkel hatte große Hoffnungen darauf gesetzt, dass Guttenberg diese Hürde mit Hilfe seiner Beliebtheit locker überspringen würde. Guttenberg sollte zudem im Superwahljahr 2011 für die CDU um Stimmen werben. Nach dem Wahldesaster in Hamburg brauchen die Christdemokraten dringend einen Erfolg. Guttenberg war im Terminkalender der Wahlkampfstrategen fest eingeplant. Diesen Bonus müssen die Verantwortlichen im Konrad-Adenauer-Haus jetzt abschreiben.
Gravierend sind die Auswirkungen auch auf Merkel selbst. „Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen“, unterstrich die Kanzlerin noch am Montag letzter Woche. Vielen Parteimitgliedern war das viel zu salopp, hinter den Kulissen gärte es da schon längst. Bundestagspräsident Norbert Lammert und CDU-Bundesvorstandsmitglied Regina Görner wagten sich mit ihrer Kritik sogar an die Öffentlichkeit. Selbst die Rücktrittserklärung Guttenbergs wurde kritisch aufgenommen. „Jetzt inszeniert er sich auch noch als Märtyrer“, stöhnte ein CDU-Präsidialer, der Guttenberg ansonsten nahe steht.
Selbst in einer Pressekonferenz am Dienstagnachmittag mochte die Kanzlerin von ihrem Minister nicht endgültig Abschied nehmen. Seine Bitte um Entlassung nahm sie zwar an, zeigte sich gleichzeitig aber auch „überzeugt, dass wir – in welcher Form auch immer – in Zukunft Gelegenheit zur Zusammenarbeit haben werden.“ Möglicherweise hatte Merkel den früheren CSU-Chef Franz Josef Strauß vor Augen, der wegen der „Spiegel“-Affäre zurücktrat, dann aber wieder politisch durchstartete.