Die Debatte um den Schummeldoktor schlägt in den Talkshows hohe Wellen. Der Käßmann-Nachfolger mutmaßte über einen Ghostwriter.
Hamburg/Berlin. Der Gemischtwarenladen von Frank Plasbergs ARD-Talk „hart aber fair” hatte mal wieder alles im Angebot: echte Menschen, hohe Tiere und vermeintliche Sensationen. Aus der Diskussion um den entzogenen Doktortitel von Verteidigungsminister wurde schnell die Debatte um den Rücktritt als letztes Mittel einer angeschlagenen Amtsperson: Margot Käßmann (Ex-Bischöfin), Thilo Sarrazin (Ex-Bundesbanker) – und eben Guttenberg (Ex-Doktor).
Doch der erprobte Selbstverteidigungsminister hängt noch am Amt und findet genügend Anwälte in Politik, Medien und Publikum. Zwei Journalisten (Nikolaus Blome von „Bild“ und Hans Leyendecker von der „Süddeutschen“), zwei Parteistrategen (Alexander Dobrindt von der CSU und Thomas Oppermann von der SPD) und mittenmang einer, der durch Himmel und Hölle gegangen ist: Nikolaus Schneider, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland. Schneider ist eine besonnene, moralische Figur und der Nachfolger der Bischöfin Käßmann, die nach einer Trunkenheitsfahrt ihr Amt aufgegeben hatte.
Und es war Schneider, der die Mutmaßung von einem Ghostwriter hinter Guttenbergs abgekupferter Doktorarbeit ins Spiel brachte. Dabei hatte er auch einen feinen Sinn für die Ansichten vieler Menschen, die Guttenberg unterstützen: „Die Menschen denken, Guttenberg ist mehr als diese eine Tat“, sagte der Bischof. „Aber wenn sich herausstellt, dass ein anderer die Arbeit geschrieben hat, dann dreht sich das.“ Guttenberg könne nicht verharmlosen nach dem Motto: „Wir sind alle kleine Sünderlein.“
„Bild“-Mann Blome stellte die Popularität des Ministers heraus, sprach von einem „Trommelfeuer der Berichterstattung“ und sagte unumwunden: „Wir finden Guttenberg gut.“ „SZ“-Kollege Leyendecker schien wie immer mehr zu wissen, als er preisgab. Es gehe nicht automatisch um einen sofortigen Rücktritt. „Aber wer diese moralischen Werte vertritt, muss sich fragen: Was sind mir diese Werte wert?“ Guttenberg habe in der Kundus- und in der Gorch-Fock-Affäre immer die Verantwortlichen gefeuert. „Jetzt hat er den Doktortitel gefeuert.“
Leyendecker grub im Archiv der politischen Affären Deutschlands, erwähnte Helmut Kohl und Cem Özdemir und schlussfolgerte: „Man kann wiederkommen.“ Heißt: Guttenberg könne ja zurücktreten und wie Özdemir nach einer Pause von ein paar Jahren wieder politische Ämter übernehmen. Lag da die Sensation? Die Debatte um einen Ghostwriter und die Frage, wie Guttenberg zurücktritt und später wiederkommt?
Da fiel das Gezeter von SPD-Mann Oppermann und CSU-General Dobrindt nicht weiter auf. Oppermann kritisierte: „Guttenberg hat den Doktortitel weggeworfen, dabei ist das eine Auszeichnung.“ Kanzlerin Angela Merkel habe gesagt, er sei ja nicht als Doktorand beschäftigt worden. „Da kann ja einer nach mehreren Trunkenheitsfahrten auch Minister bleiben, denn er ist ja nicht als Fahrer angestellt“, hämte Oppermann. Dobrindt konterte: „Die Leute durchschauen, dass die Opposition Guttenberg elegant loswerden will.“
Als bauernschlau erwies sich mal wieder die Plasberg-Zuschauerschaft mit Anrufen und Mails. Ein Zuschauer dichtete auf die Guttenberg-Affäre mit Blick auf Thilo Sarrazins umstrittenes Buch: „Deutschland schreibt sich ab.“