Vor dem EU-Gipfel streitet Deutschland über die Gemeinschaftswährung. Die Bürger sehen den Euro und die Finanzkrise nach einer Umfrage skeptisch.
Berlin/Brüssel. Zur Stabilisierung des Euro steht Deutschland den finanziell angeschlagenen Ländern bei. „Niemand in Europa wird allein gelassen, niemand in Europa wird fallengelassen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel. Allerdings müsse dies nach klaren Regeln geschehen. Die Wirtschafts- und Währungsunion sei auch eine Verantwortungsunion. „Der Euro ist unser gemeinsames Schicksal, und Europa ist unsere gemeinsame Zukunft“, sagte Merkel.
Merkel warnte zugleich davor, dass die Risiken nicht durch Eurobonds vergemeinschaftet werden dürften. Oppositionsführer Frank-Walter Steinmeier (SPD), der solche gemeinsamen Anleihen befürwortet, warf der Regierung vor, sie gebe nicht die richtigen Antworten auf die Krise.
Merkel reagierte sowohl auf die Kritik einiger EU-Partner als auch auf die Unsicherheit der Märkte, ob Deutschland noch zum Euro steht. Sie widersprach vehement dem Eindruck, dass der Euro in der Krise sei. „Es ist unbestreitbar, dass einzelne Eurostaaten vor einer schwierigen Situation stehen. Aber es ist auch unbestreitbar, dass sich der Euro selbst als krisenfest erwiesen hat.“ Dies sei an der niedrigen Inflationsrate in der Eurozone und am Außenwert der Gemeinschaftswährung ablesbar.
Zugleich warnte Merkel vor falschen Rezepten, die den Euro und Europa auf Dauer nicht stabilisierten, sondern gefährdeten. Mit Blick auf die auch von der SPD vorgeschlagenen gemeinschaftlichen Euro-Anleihen sagte sie: „Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Vergemeinschaftung des Risikos als Lösung erscheinen zu lassen“, sagte Merkel. „Die Lösung ist mehr Harmonie und Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten.“ Der EU-Gipfel solle nun einen dauerhaften Krisenmechanismus ab 2013 beschließen. Die dazu nötige Vertragsänderung solle politisch vereinbart und nach Anhörung im Europäischen Parlament im März endgültig beschlossen werden. Bis Ende 2012 soll dann die Vertragsänderung in allen 27 EU-Staaten ratifiziert werden, um keine Unsicherheit an den Märkten aufkommen zu lassen. Mitte 2013 läuft der bisherige Euro-Rettungsschirms aus.
SPD-Fraktionschef Steinmeier warf Merkel vor, den entscheidenden Fragen auszuweichen und eine zögerliche Zickzack-Politik zu betreiben. Die Regierung rette sich in ein „Geflecht von Ankündigungen, Halbwahrheiten und Lebenslügen“. Wie ernst die Lage sei, zeige die geplante Kapitalaufstockung der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese drohe durch den Ankauf von Staatsanleihen von verschuldeten Euro-Staaten zur „Bad Bank“ von Europa zu werden.
Als Lösung fordert Steinmeier die Einführung von Eurobonds und eine Aufstockung des bisherigen Krisenrettungsschirms. Zudem sollten Investoren in Griechenland- und Irland-Anleihen einen Teilverzicht ihrer Forderungen hinnehmen. Nötig sei zudem ein Schritt zu einer politischen Union, für die Mindeststandards für Arbeits- und Sozialpolitik sowie im Steuerrecht vereinbart werden müssten. Die FDP-Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger lehnte Eurobonds dagegen kategorisch ab: „Gemeinsame Anleihen bedeuten anderes: einen Länderfinanzausgleich auf europäischer Ebene. Das bedeutet, dass Deutschland dauerhaft für die Schulden anderer Länder zahlen würde“, sagte sie.
Angesichts der Schuldenkrise in Irland und Griechenland stehen die Deutschen dem Euro weiter skeptisch gegenüber. Nach einer „Stern“-Umfrage meinen 45 Prozent der Befragten, die Euro-Einführung habe Deutschland eher Nachteile gebracht. 33 Prozent der 1003 Befragten sahen hingegen die Vorteile der Gemeinschaftswährung überwiegen. 20 Prozent konnten weder Vor- noch Nachteile erkennen, zwei Prozent antworteten mit „weiß nicht“.
Zwischen Frauen und Männern gibt es dabei Meinungsunterschiede. Während die Mehrheit der Frauen (52 Prozent) eher Nachteile sahen, vertraten die Männer mehrheitlich (45 Prozent gegen 38 Prozent) die Auffassung, Deutschland sei mit dem Euro gut gefahren. Unter Parteianhängern gab es zwei Lager: Die sonst uneinigen Wähler von Grünen und FDP schätzten die Wirkung des Euro eher positiv ein, bei den Wählern anderer Parteien dominierte Ablehnung. Trotz der Skepsis will die Mehrheit die D-Mark aber nicht wiederhaben. 49 Prozent sprachen sich in der Umfrage für die Beibehaltung des Euro aus, nur noch 48 Prozent sehnten sich nach der alten Mark zurück. Noch im Mai wollten 54 Prozent die Mark wieder als Währung haben, nur 43 Prozent waren damals für den Euro.