Der überraschende Vorstoß der Europäischen Zentralbank stößt auf Widerstand in Berlin. EZB-Präsident Trichet macht sich nicht beliebt.
Hamburg. Die Schuldenkrise wird die Europäer offenbar noch teurer zu stehen kommen als bislang angenommen. Zwei Tage vor Beginn des entscheidenden EU-Gipfels in Brüssel forderte auch die Europäische Zentralbank (EZB) gestern eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms für in Not geratene Euro-Länder. "Wir rufen zu maximaler Flexibilität und maximaler Kapazität auf, sowohl mit Bezug auf die Quantität als auch auf die Qualität", sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in Frankfurt. Er schloss sich damit der Auffassung des Internationalen Währungsfonds (IWF) an.
Eine konkrete Summe nannte Trichet allerdings nicht. Schon jetzt umfasst der Rettungsschirm 750 Milliarden Euro. Davon entfallen 440 Milliarden Euro über Kreditbürgschaften auf die Euro-Partnerländer.
Vor allem in Deutschland stößt der oberste Euro-Banker mit seiner Forderung auf Widerstand. Für die Aufstockung gebe es "im Moment keinen Bedarf", da erst knapp zehn Prozent der Mittel abgeflossen seien, hieß es in deutschen Regierungskreisen. Zum anderen gebe es derzeit "keine Kandidaten, die unmittelbar vor Eintritt in den Rettungsfonds stehen". Irland hatte vor Kurzem als erstes Land 85 Milliarden Euro aus dem Fonds erhalten.
Auch der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer, lehnt eine Aufstockung zum "gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Wir brauchen Klarheit über das Ziel, das wir ansteuern wollen. Dann können wir darüber reden, ob wir mehr Finanzmittel brauchen, um dort hinzukommen", sagte Mayer dem Abendblatt. Die 16 Euro-Länder hatten den Rettungsschirm im Mai aufgelegt, um nach Griechenland auch anderen Krisenländern helfen zu können. Seit Wochen gibt es immer wieder Rufe nach einer Aufstockung des Volumens. Auch der Chef der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, hatte eine Erhöhung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Hintergrund für den neuen Vorstoß zur Unterstützung klammer Euro-Länder ist die Sorge, nach Griechenland und Irland könnten weitere Staaten wie Portugal auf Unterstützung angewiesen sein. Die Spekulationen wurden gestern angeheizt, nachdem die Ratingagentur Standards & Poor's mit einer Herabstufung Belgiens innerhalb der nächsten sechs Monate drohte: Die anhaltende politische Ungewissheit in dem hoch verschuldeten Land könnte die Kreditwürdigkeit belasten. Belgien ist seit dem Sommer ohne Regierung.
Berlin hatte sich bereits gemeinsam mit Frankreich gegen die Ausgabe von Euro-Anleihen gewehrt, die die staatliche Kreditaufnahme für krisengeschüttelte Länder vergünstigen, für solvente Länder wie Deutschland aber verteuern würde. Allerdings ist die Bundesregierung bereit, der EZB mit der Aufstockung des Grundkapitals unter die Arme zu greifen, damit diese weiterhin Staatsanleihen von Euro-Sorgenkindern aufkaufen kann. Eine solche Kapitalaufstockung würde Deutschland "positiv begleiten", hieß es. "Zur Absicherung des Euro brauchen wir Klarheit darüber, was nach dem Auslaufen des Rettungsschirms passiert", sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, dem Abendblatt. "Zudem braucht man klare politische Aussagen, dass jenen Ländern, die ihre Hausaufgaben machen, notfalls auch geholfen wird. Reuige Sünder sollten nicht verstoßen, sondern aufgenommen werden."