Insgesamt gab es 20 Tote bei Angriffen im Osten und Süden des Landes. 1000 Afghanen demonstrierten gegen ausländische Truppen.
Kabul/Potsdam. Bei einem Doppelanschlag im Norden Afghanistans sind am Sonnabend zwei Bundeswehrsoldaten leicht verletzt worden. Wie das Einsatzführungskommando in Potsdam mitteilte, ereignete sich der erste Anschlag am frühen Morgen in der Nähe des Wiederaufbauteams Kundus. Daraufhin sei Verstärkung an den Anschlagsort verlegt worden. Etwa eine Stunde später sei ein zweiter Anschlag verübt worden. Dabei seien die Soldaten auch mit Handfeuerwaffen beschossen worden. Die internationale Nato-Schutztruppe ISAF meldete unterdessen den Tod von sechs US-Soldaten bei Angriffen und Sprengstoff-Explosionen im Osten und Süden Afghanistans. Drei von ihnen wurden bei der Detonation von am Straßenrand versteckten Sprengsätzen getötet, ein Soldat kam bei einem Feuergefecht ums Leben, ein fünfter während eines Angriffs von Aufständischen und der sechste bei einer Explosion, die durch einen Unfall ausgelöst wurde. Während im Osten Afghanistans an der Grenze zu Pakistan fast ausschließlich US-Soldaten stationiert sind, teilen sich im Süden Soldaten aus Großbritannien, Kanada, den Niederlanden und den USA die Kontrolle. Bundeswehr-Einheiten sind in den Regionen nicht stationiert. Bereits am Freitag war bei einer Bombenexplosion ein australischer Soldat getötet worden, wie die australischen Streitkräfte am Sonnabend mitteilten. Insgesamt sind damit allein in diesem Jahr über 350 Nato-Soldaten in Afghanistan getötet worden.
In der östlichen Provinz Paktia wurden am Sonnabend elf Pakistaner erschossen, die für Einkäufe über die Grenze gekommen waren, wie ein Sprecher der Provinzregierung mitteilte. Der Minibus der Pakistaner, die der schiitischen Glaubensrichtung des Islams anhingen, sei überfallen worden. Die Mehrheit der Muslime in Pakistan und Afghanistan sind Sunniten.
Ein weiteres Todesopfer gab es in der südafghanischen Stadt Kandahar, wo am Sonnabend ein auf einem Motorrad befestigter Sprengsatz explodierte. Die Bombe sei offenbar per Fernsteuerung gezündet worden, teilte die Provinzregierung mit.
Bereits am Donnerstag waren in Jani Chel in der Provinz Paktia südlich von Kabul sechs Zivilisten durch Artilleriefeuer getötet und mehrere andere verletzt worden. Die ISAF übernehme die Verantwortung für den „tragischen Vorfall“, erklärte die ISAF am Sonnabend. Zivile Opfer sind ein wichtiger Streitpunkt zwischen der afghanischen Regierung und den internationalen Truppen. Kabul betrachtet die Anwesenheit der ausländischen Soldaten zunehmend als Hauptursache der Gewalt im Land.
In Masar-i-Scharif demonstrierten am Sonnabend mehr als 1.000 Afghanen gegen die ausländischen Truppen, nachdem bei einer nächtlichen Kommandoaktion zwei afghanische Wachmänner getötet worden waren. Nach Angaben eines Nato-Sprechers hatten die beiden Männer bei der Landung eines Hubschraubers mit ausländischen und afghanischen Soldaten nahe einem Basar ihre Waffen erhoben und sich geweigert, sie abzulegen. Bei der Razzia auf dem Basar sei ein Sprengstofflieferant der Taliban gefangengenommen worden, sagte der Nato-Sprecher. In Masar-i-Scharif sind mehr als 2.600 Bundeswehrsoldaten stationiert, der Zorn der Demonstranten richtete sich indes gegen die USA: Sie riefen „Nieder mit Amerika!“
Bei einer zweiten Razzia in der Provinz Paktia wurden nach Nato-Angaben ein Taliban-Funktionär getötet und acht weitere festgenommen. Anwohner erklärten indes, die Männer seien unbeteiligte Zivilisten.
Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hatte zuletzt vor einer Zunahme der Gewalt gegen die Bundeswehr vor der für September geplanten Parlamentswahlen in Afghanistan gewarnt. Wehrexperten des Bundestages sehen bei der Ausrüstung der deutschen Soldaten in Afghanistan weiter Defizite. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus, kritisiert nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung lange Lieferfristen bei dringend benötigten Rüstungsgütern. So seien die Schutzschilde für die Maschinengewehr-Schützen vor dem Fuchs-Transportpanzer noch nicht vollständig geliefert. „Ein solcher Minimalschutz ist angesichts der immer häufiger werdenden Gefechtssituationen unerlässlich“, sagte Königshaus.
Char Darah gilt als gefährlichster Distrikt in der Provinz Kundus. US-Truppen und afghanische Soldaten gingen dort am Sonnabend gegen Stellungen der Taliban vor. Dabei seien sie auf wenig Widerstand gestoßen, teilte ein Polizeisprecher mit. Im Süden und Osten Afghanistans verliefen mehrere Anschlagsversuche radikaler Kräfte auf ISAF-Soldaten glimpflich. Ein Selbstmordattentäter versuchte in der Provinz Chost, sein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in eine Fahrzeugkolonne der ISAF-Truppe zu lenken. Eine Detonation konnte aber verhindert werden.
Der neue US-Oberbefehlshaber in Afghanistan, David Petraeus, ist mit einem Plan zur Taliban-Bekämpfung bei Präsident Hamid Karsai auf starken Widerstand gestoßen. Nach Angaben der „Washington Post“ vom Sonnabend kam es beim ersten Treffen der Beiden in der vergangenen Woche zu deutlichen Spannungen. Demnach äußerte Karsai erhebliche Einwände gegen den US-Plan, afghanischen Dorfbewohnern verstärkt dabei zu helfen, die Taliban in eigener Regie zu bekämpfen. McChrystal hatte Ende Juni seinen Posten nach abfälligen Äußerungen über US-Regierungsmitglieder verloren. Mit Karsai kam er sehr gut aus. Es galt von vornherein als fraglich, ob Petraeus eine ebenso gute Beziehung zum afghanischen Präsidenten entwickeln kann. Die Spannungen gleich zum Auftakt haben diese Sorge verstärkt.