62 Prozent der niedergelassenen Ärzte geben zu, Patienten nicht behandelt zu haben, obwohl dies medizinisch angeraten gewesen wären.
Berlin/Hamburg. Viele Ärzte geben offen zu, dass sie ihren Patienten aus Kostengründen bestimmte Behandlungen vorenthalten. In einer Allensbach-Umfrage sagten insgesamt 55 Prozent der befragten Mediziner, dies sei bereits vorgekommen, bei zwölf Prozent war es sogar häufig der Fall, berichtete die Chefin des Instituts für Demografie, Renate Köcher. Unter den niedergelassenen Ärzten bekannten sich 62 Prozent dazu, auf Behandlungen verzichtet zu haben, die „aus medizinischer Sicht angeraten gewesen wären“. Unter den befragten Krankenhausärzten waren es 49 Prozent.
Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, der Hamburger Radiologe Frank Ulrich Montgomery, sagte, die Ergebnisse gäben zu denken , relativierte allerdings sogleich, dass es nicht um lebensnotwendige Leistungen oder Notfallversorgungen gehe. „Es geht um Leistungen, die man verschieben kann“ – etwa Vorsorgetermine, sagte Montgomery und fügte hinzu: „Wir kennen keine Fälle, wo Patienten zu Schaden gekommen sind.“
In der Allensbach-Studie des Finanzdienstleisters MLP gibt es außerdem erschreckende Ergebnisse: So zweifeln 75 Prozent der Bürger und 93 Prozent der Ärzte an der Gesundheitsreform und einer längerfristigen Finanzierung des deutschen Krankenkassensystems . Über 70 Prozent der Bürger und Ärzte halten die Lasten für ungerecht verteilt. Die Mehrheit sieht die Pharmabranche verschont. Zwei von drei Befragten sagten, die Politik müsse in der Pflege mehr tun.
Nach der Studie zahlen bereits heute 22 Prozent der gesetzlich Versicherten Zusatzbeiträge. Weitere 38 Prozent rechnen in absehbarer Zeit damit. Von ihnen denken 25 Prozent über einen Wechsel ihrer Krankenkasse nach. Allerdings glaubt jeder zweite Patient auch, dass viele Deutsche häufig unnötig zum Arzt gehen. 70 Prozent der Ärzte teilen diese Ansicht.