Brackel. Heiko Siebern (59) hatte einen Krampfanfall, sein Herz hörte auf zu schlagen. Freiwillige Helfer machten das fast Unmögliche möglich.
- Arzt sagte: „Dass Sie hier sitzen, ist ein Wunder“
- Alles begann mit Rückenschmerzen
- Wie ein Projekt im Landkreis Harburg die Rettung ermöglichte
Das Datum und diesen Tag wird Heiko Siebern nicht vergessen – auch wenn er sich an die Ereignisse am Abend des 25. August 2023 nicht erinnern kann. Später in der Reha, als er wieder auf dem Weg der Besserung war, habe ein Arzt zu ihm gesagt: „Sie waren tot. Dass Sie hier sitzen, ist ein Wunder.“
Ein Wunder, zu dem auch Mobile Retter aus dem Landkreis Harburg ihren Teil beigetragen haben. Sie waren früher als Rettungswagen und Notarzt beim Patienten – genau das ist das Ziel dieses jungen Projekts.
Dramatische Geschichte: Die Rettung von Heiko Siebern auf der Landstraße nach Winsen
Zurück zu Heiko Siebern, ein drahtig wirkender Mann, der zusammen mit Gattin Martina Siebern in Schierhorn (Samtgemeinde Hanstedt) wohnt. „Einen Arzt hatte ich selten gesehen“, erzählt der Gerettete mehr als ein Jahr nach den dramatischen Ereignissen. Im Sommer 2023 arbeitete der seinerzeit 59-Jährige im heimischen Garten, schnitt mit einer Flex Steine zurecht. Stunden später und tags darauf klagte er über Rückenschmerzen – kein Gedanke an ein organisches Leiden.
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Trotz Massage durch Martina Siebern wollte sich keine Besserung einstellen. Als die Gattin an jenem Freitagabend von der Arbeit nach Hause kam und sich die Probleme zu stechenden Schmerzen ausgeweitet hatten, entschied man sich, von Schierhorn ins Krankenhaus nach Winsen zu fahren.
Handwerker in einem braun lackierten Transporter hielt an
Weit kam das Ehepaar nicht. „Am Ortsausgang von Brackel hat Heiko einen Schmerz- und Kampfanfall bekommen und ist ohnmächtig geworden“, erzählt Martina Siebern. Da war es kurz nach 20 Uhr. „Ich habe mich mitten auf die Straße gestellt und versucht, andere Autofahrer anzuhalten.“
Ein Handwerker in einem braun lackierten Transporter, den sie bis heute sucht, hielt an. Gemeinsam kümmerten sie sich um Heiko Siebern, der mehr Hilfe denn je benötigte: Er war nicht nur ohnmächtig, er war auch blau angelaufen. Der Herzschlag hatte ausgesetzt. Zum Glück ist Martina Siebern Sanitätshelferin bei den Johannitern. Sie bewahrt Ruhe, wählt den Notruf 112 und beginnt im Duo mit dem engagierten Handwerker die Herzdruckmassage.
Über den Notruf erhielt Martina Siebern Unterstützung aus der Rettungsleitstelle
Und sie lenkt eine weitere Passantin ab, die hektisch auf der Thieshoper Straße hin- und herläuft. „Ich hab versucht, sie von meinem Mann fernzuhalten und mit kleinen Aufgaben zu beschäftigen. Die Frau sollte das Auto ausmachen, das immer noch lief“, erzählt die 63-Jährige. „Welches Auto?“, habe sie zur Antwort bekommen.
Über den Notruf 112 erhielt Martina Siebern mittlerweile Unterstützung aus der Rettungsleitstelle im Winsener Kreishaus. „Mit einem konstanten Taktgeräusch wurde mir der Rhythmus für die Herzmassage vorgegeben. Das war wie bei einem Metronom“, berichtet sie. Der Mann am anderen Ende der Leitung, Disponent Sven Westphalen, sagt: „Sie war ruhig und hat gut zugehört. Außerdem hatte ich das Gefühl, gar nicht viel erzählen zu müssen.“ Das sei bei Weitem nicht bei jedem Notruf der Fall.
Das Herz von Heiko Siebern versagte immer noch seinen Dienst
Parallel alarmierte Westphalen den Rettungswagen aus Nindorf und einen Notarzt, beorderte einen zufällig in der Nähe befindlichen Krankenwagen nach Brackel und ermittelte über Smartphone-App zwei mobile Retter: Nadine und Alexander Jansen wollten eigentlich zum Grillabend bei Freunden.
Die empfingen den Alarm und drehten sofort um. Am Einsatzort angekommen, übernahmen sie die Herzdruckmassage, bis schließlich Rettungswagen und Notarzt eintrafen. Das Herz von Heiko Siebern versagte immer noch seinen Dienst.
„Die schnelle Herzdruckmassage hat ihm wohl das Leben gerettet.“
„Der Patient war bereits perfekt versorgt“, berichtet Notfallsanitäter Markus Bodmann vom RTW des Landkreises Harburg. „Die schnelle Herzdruckmassage hat ihm wohl das Leben gerettet.“ Nach weiterer Erstversorgung vor Ort wurde Heiko Siebern unter laufender Reanimation ins Krankenhaus Winsen gefahren. „Kurz vorm Krankenhaus haben wir zweimal den Defibrillator ausgelöst. Da ist er zurückgekommen“, so Bodmann.
Im Krankenhaus folgen Notaufnahme, Schockraum und Herzkatheterlabor
Im Krankenhaus folgten Notaufnahme, Schockraum und Herzkatheterlabor. Die Diagnose: Heiko Siebern erlitt einen massiven Herzinfarkt, nachdem sich mehrere Gefäße verschlossen hatten. Im Laufe der folgenden Wochen wurden ihm insgesamt sieben Stents eingesetzt.
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Die Heilung schritt gut voran. „Nach drei Tagen konnte Herr Siebern am Bettrand sitzen und sich unterhalten. In der Reha-Klinik ist er selbst durch die Tür gegangen“, erzählt Markus Bodmann. Fakt ist aber auch, dass den 60-Jährigen die Folgen der dramatischen Ereignisse auch 15 Monate später beschäftigen. Er sei immer noch krankgeschrieben, berichtet Heiko Siebern dem Abendblatt.
„Physisch habe ich das weitgehend unbeschadet überstanden.“
„Als ich die Rückenschmerzen hatte, hätte ich nie gedacht, dass es etwas mit dem Herzen zu tun hat“, sagt Heiko Siebern. An seine Rettungsaktion im August 2023 kann er sich nicht erinnern. „Irgendwann hat einer das Licht ausgeknipst.“
Natürlich richtet er ein riesengroßes Dankeschön an die vielen engagierten Retter. „Physisch habe ich das weitgehend unbeschadet überstanden. Dafür sind ganz viele Menschen verantwortlich. Vielen, vielen Dank!“ Oder um es mit den Worten des Reha-Arztes zu sagen: „Ein Wunder“.