Landkreis Harburg. Ehrenamtliche können Betroffene wiederbeleben. Alarm kommt per App. Wie oft die Retter seit Anfang Juli schon zum Einsatz mussten.

Es passiert etwa alle zehn Minuten. Mitten auf der Straße, bei der Arbeit, beim Sport oder im Geschäft: Wie aus heiterem Himmel bricht ein Mensch zusammen. Herz-Kreislauf-Stillstand. Dann geht es um Minuten oder sogar um Sekunden. Denn nur, wenn den Betroffenen schnell geholfen wird, können sie überleben.

Doch oft werden Wiederbelebungsmaßnahmen erst nach Eintreffen des Rettungsdienstes und damit häufig zu spät eingeleitet. Um das zu ändern, hat der Landkreis Harburg ein besonderes App-Konzept für ein Netzwerk medizinischer Erstversorger installiert – die Mobilen Retter. Die erste Zwischenbilanz nach eineinhalb Monaten: eindeutig positiv.

Mobile Retter im Landkreis Harburg – ein lebensrettendes Projekt

Mobile Retter sind Ehrenamtliche, die sich als ausgebildete Ersthelfer registrieren lassen. Sie sind Angehörige von Hilfsorganisationen wie dem DRK oder dem Sanitätsdienst der Bundeswehr, Ärztinnen, Rettungsdienstler, Feuerwehrleute, Gesundheits- und Krankenpfleger. Sie werden im Notfall per Smartphone alarmiert – ein lebensrettendes Projekt. Denn durch die räumliche Nähe können sie oftmals noch vor dem Rettungsdienst eintreffen und lebensrettende Maßnahmen einleiten.

Dieses Netz von Ehrenamtlichen ergänzt als flächendeckendes Ersthelfersystem die bisherigen bewährten Strukturen mit dem Rettungsdienst und den Feuerwehren und Hilfsorganisationen. Der Landkreis hat das kreisweite „Mobile Retter“-Netz im Zusammenarbeit mit dem deutschlandweit engagierten Verein „Mobile Retter“ realisiert – im engen und vertrauensvollen Schulterschluss mit den Hilfsorganisationen DRK und Johanniter, aber auch den Notärzten, den Freiwilligen Feuerwehren, der Kreisrettungsdienstgesellschaft, der DLRG und dem THW sowie den beiden kreiseigenen Krankenhäusern Buchholz und Winsen.

Mobile Retter sind zumeist schon nach zwei Minuten vor Ort

„Der ist zusammengebrochen und atmet nicht mehr“ – wenn solch ein Notruf in der Rettungsleitstelle eingeht, werden gleichzeitig mit dem Rettungsdienst auch Mobile Retter alarmiert, die sich in unmittelbarer Nähe befinden. Sie werden über die GPS-Funktion ihrer Mobiltelefone geortet und durch die Rettungs- und Feuerwehrleitstelle über eine Schnittstelle zum „Mobile Retter“-System automatisiert und parallel gleichzeitig alarmiert.

Anfang Juli 2023 meldete Harbursg Erster Kreisrat Josef Nießen (r.) der Leitstelle über Funk: „Die Mobilen Retter sind einsatzbereit!“
Anfang Juli 2023 meldete Harbursg Erster Kreisrat Josef Nießen (r.) der Leitstelle über Funk: „Die Mobilen Retter sind einsatzbereit!“ © JOTO | Joto

Das zahlt sich aus. 38-mal waren die Mobilen Retter in eineinhalb Monaten im Einsatz. Sie waren zumeist schon nach etwa zwei Minuten vor Ort und konnten gleich mit der Reanimation beginnen. Einmal wurden sie sogar in den Eingangsbereich einer Bank gerufen und konnten gleich den dortigen Defibrilator einsetzen.

Ärztlicher Leiter: „Das kann man gar nicht genug wertschätzen“

„Das verbessert die Überlebenschancen enorm“, bewertet Dr. Ulrich Trappe die Einsätze. Als Ärztlicher Leiter Rettungsdienst im Landkreis Harburg ist er auch Ansprechpartner für dieses ganz besondere Hilfesystem. „Das kann man gar nicht genug wertschätzen.“ Denn im Ernstfall zählt jede Sekunde, Schnelligkeit rettet Leben.

In Deutschland erleiden jährlich mehr als 50.000 Menschen einen Herz-Kreislauf-Stillstand. „Es kann jeden treffen.“ Nicht nur Seniorinnen und Senioren seien betroffen, sondern oft auch Menschen ab 50. Doch nur zehn Prozent der Betroffenen überleben, da Wiederbelebungsmaßnahmen oftmals erst nach Eintreffen des Rettungsdienstes und damit häufig zu spät eingeleitet werden können.

Das Gehirn überlebt drei bis vier Minuten ohne bleibende Schäden

„Bleibt das Herz stehen, zählt jede Sekunde für eine erfolgreiche Wiederbelebung. Ohne Sauerstoff kann das Gehirn höchstens drei bis vier Minuten ohne bleibende Schäden überleben. Mit jeder Minute ohne Herzdruckmassage steigt das Risiko für einen dauerhaften Hirnschaden oder den Tod“, ergänzt Andreas Klask, beim DRK Harburg-Land Ausbilder für die Mobilen Retter.

    Gut 360 Frauen und Männer haben sich bisher als Mobile Retter im Landkreis Harburg registrieren lassen und wurden entsprechend geschult. „Die Begeisterung ist sehr groß, sie wollen alle Leben retten“, so die Beobachtung Klasks. Doch weitere Ehrenamtliche sind willkommen, damit das Netz noch dichter und die Hilfe noch effektiver werden kann. Bei dem Pool medizinisch qualifizierter Ersthelferinnen und Ersthelfer handelt es sich im Idealfall um Personen mit medizinischer Vorbildung wie Angehörige von Rettungsdiensten oder Feuerwehren, beispielsweise aber auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Krankenhäusern oder Arztpraxen.

    Als Ansprechpartner für „Mobile Retter“ im Landkreis Harburg steht Oliver Lange, Leiter der Feuerwehr- und Rettungsleitstelle der Kreisverwaltung, sehr gern zur Verfügung unter: mobileretter@lkharburg.de. Mehr Informationen zu Mobile Retter finden sich unter https://portal.mobile-retter.org/regionen/landkreis-harburg.

    Aber, und das ist Dr. Trappe, besonders wichtig: Im Notfall sind nicht nur die Mobilen Retter gefragt. „Helfen kann jeder.“ Und am wichtigsten sei es, schnell mit einer Herzdruckmassage zu beginnen. Wer unsicher ist, werde von der Leitstelle per Telefon angeleitet.