Wesel. Pastorenteich war Inbegriff der Heideromantik. Nun ist das Idyll bedroht. Naturschützer geben einem Hamburger Versorger die Schuld.

Inmitten des Naturschutzgebiets Lüneburger Heide bei Wesel, am Fuß eines Hügels direkt am Heidschnuckenwanderweg, liegt ein Teich, wie er schöner kaum sein könnte: der Pastorenteich, Kulminationspunkt der Heideromantik und beliebtes Fotomotiv.

Der legendäre Pastor Wilhelm Bode, Gründer des Naturschutzparks, soll vor mehr als 100 Jahren an seinem Ufer gesessen haben, um Predigten vorzubereiten – was dem Teich seinen Namen gab. Seit Jahrzehnten nutzen Heidetouristen die Bänke dort zur Rast. Enten schnattern, Frösche und Kröten sind hier heimisch, Libellen schweben in der Luft. Doch inzwischen ist das frühere Idyll akut bedroht.

Hamburg und Region: Wassermangel – Trinkt Hamburg die Lüneburger Heide leer?

Trotz eines ausgesprochen regenreichen Sommers fehlt es dem Teich an Wasser. Ein Großteil besteht inzwischen aus Schlamm. Woran liegt es? Was kann getan werden? Ist der Niedergang des Heidegewässers erst der Anfang? Und was hat Hamburg Wasser damit zu tun?

Der Pastorenteich gehört zu einer Teichkette, die früher zur Fischzucht genutzt wurde. Seit einigen Jahren beobachten Naturschützer und Einheimische, dass der Wasserspiegel immer weiter absinkt. Die Umweltbehörde des Landkreises Harburg und der Verein Naturschutzpark (VNP) vermuteten, dass ein defekter Mönch die Ursache für die Wasserknappheit sein könnte. Mönche regeln den Zu- und Abfluss von Wasser. Gespeist wird die Teichkette aus dem Weseler Bach.

Nicht nur im Pastorenteich in Wesel herrscht Wasserknappheit

Der VNP hat 2021 einen Kooperationsvertrag mit dem Eigentümer der Teiche geschlossen und seither deren Pflege übernommen. Mit Mitteln der Bingo-Umweltstiftung und des Landkreises wurden die Mönche im selben Jahr ausgetauscht. Gleichzeitig wurden neue Durchflussrohre verlegt und einige Dammabschnitte neu hergestellt. Jetzt zeigt sich, dass die aufwendigen Maßnahmen nicht geholfen haben, wie Dirk Mertens als Fachbereichsleiter für Offenlandpflege beim VNP einräumt.

Doch nicht nur im Pastorenteich herrsche Wasserknappheit. Die Wümme führe innerhalb des Naturschutzgebietes kein Wasser mehr, das gesamte Wümmequellmoor liege trocken, der Quellbereich der Seeve habe sich um 200 Meter nach unten verlagert. Wird die Heide zur Wüste?

Grundwasserspiegel ist parallel zum Wasserstand im Teich gesunken

„Ursache für den leeren Teich dürfte der Grundwasserstand sein“, sagt Holger Mayer vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Die dem Pastorenteich nächstgelegene Messstelle zeige, dass der Grundwasserspiegel in den vergangenen Jahren parallel zum Wasserstand im Teich gesunken sei.

Einst schön, heute schlammig: der Pastorenteich von Wesel in der Lüneburger Heide.
Einst schön, heute schlammig: der Pastorenteich von Wesel in der Lüneburger Heide. © nanette franke | nanette franke

Den Messbrunnen hat Hamburg Wasser angelegt. Das Unternehmen betreibt 300 Messstellen in der Nordheide. Aus gutem Grund. Seit 1982 fördert das Unternehmen hier Grundwasser, um rund 300.000 Bürger – vor allem im Hamburger Westen und südlich der Elbe im Bereich Harburg und Wilstorf – zu versorgen.

Etwa 13 Prozent des Wasserbedarfs der Hansestadt werden aus der Heide beschafft. Rechtliche Grundlage für die Wasserentnahme war eine 1974 erteilte Genehmigung der Lüneburger Bezirksregierung für maximal 15,7 Kubikmeter Grundwasser im Jahr.

Wird die Lüneburger Heide gar zur Wüste?

Diese war 2004 ausgelaufen, gefördert wurde seither mit Sondergenehmigung. Seit 2019 gilt eine gehobene Erlaubnis, nach der Hamburg für die kommenden 30 Jahre durchschnittlich 16,1 Millionen Kubikmeter Wasser jährlich, in Ausnahmefällen sogar bis zu 18,4 Millionen Kubikmeter, entnehmen darf. In besonderen Situationen kann diese „gehobene Erlaubnis“ auch wieder zurückgenommen werden.

Hamburg Wasser ist damit nicht zufrieden und klagte 2021 auf eine dauerhaft höhere Fördermenge von 18,4 Millionen Kubikmeter Heidewasser pro Jahr und auf Erteilung einer rechtssicheren Grundlage in Form einer Bewilligung. Gestützt wurde die Klage auf eine Umweltverträglichkeitsstudie, die auf drei wissenschaftlichen Fachgutachten beruht.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg bestätigte Hamburg Wasser in seiner Auffassung, dass die Beeinträchtigung von Schutzgebieten und Gewässern durch die Grundwasserförderung mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Dennoch wies das Gericht die Klage von Hamburg Wasser ab. Auch Klagen von Grundbesitzern, der Klosterkammer sowie der Interessengemeinschaft Grundwasserschutz Nordheide (IGN) wurden abgewiesen. Sie wollten die Wasserentnahme in der Heide reduziert sehen.

Erstmals wurden Daten aus Abflussmessungen an Bächen und Flüssen gezeigt

Hamburg Wasser hat Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg eingelegt. Derzeit stehen dem Unternehmen im Landkreis Harburg 38 Brunnen zur Grundwasserförderung zur Verfügung. Betrieben werden davon 32, einer in unmittelbarer Nähe zum Pastorenteich. Für den IGN-Vorsitzenden ist der Zusammenhang klar. „Fakt ist, dass die langjährige Grundwasserentnahme durch Hamburg Wasser den Grundwasserspiegel dauerhaft absenkt. Die Brunnen müssen abgeschaltet werden“, fordert Schierhorn.

Bestätigung erhielt die IGN unlängst in der Sitzung des Umweltausschusses des Landkreises, in der Hamburg Wasser die Monitoringberichte zur Grundwasserförderung im Wasserwerk Nordheide für die Jahre 2019 bis 2021 vorstellte. Erstmals wurden dort Daten aus Abflussmessungen an Bächen und Flüssen gezeigt, für die Hamburg Wasser 15 Messstellen betreibt.

Das ist deshalb wichtig, weil die Heidebäche und -flüsse bis zu 80 Prozent Grundwasser führen und deshalb direkten Rückschluss auf die verfügbare Grundwassermenge ermöglichen. Gerhard Schierhorn, der als Ausschussmitglied an der Sitzung teilnahm, sagt: „Seit Beginn der Grundwasserförderung durch Hamburg Wasser fließt in den Heideflüssen immer weniger Wasser, so zeigen es 14 von 15 Messstellen.“

Nur die Este bei Welle sei eine Ausnahme. Grund laut Schierhorn: „Hier hat Hamburg Wasser in den 90er-Jahren die Wasserförderung stark reduziert, sodass sich die Este etwas regenerieren konnte.“

Daten aus dem Weltraum zeigen Wasserverlust in der Lüneburger Heide

Schierhorn nennt weitere Problemfälle: die Schmale Aue, die bei Döhle zweimal trocken gefallen sei, der Rehmbach bei Wehlen, der Oberlauf des Radenbachs bei Undeloh, die Este zwischen Ehrhorn und Cordshagen, der Orthbach in Ollsen, der Ahlerbeek in Hanstedt und viele weitere. Hamburg Wasser bestätigt, dass die Grundwasserstände in den Jahren 2019 und 2020 sowohl in oberflächennahen als auch in tiefen Messstellen um bis zu 60 Zentimeter gesunken seien. Auch Daten des Grace-Satelliten, die vom Global Institute for Water Security in Kanada, der NASA und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ausgewertet wurden, zeigen bundesweit einen dramatischen Grundwasserverlust, besonders in der Region um Lüneburg.

Der Rechercheverbund Correctiv, der Daten aus Deutschland ausgewertet hat, nennt mögliche Ursachen: Neben dem steigenden Trinkwasserbedarf – pro Kopf täglich 122 Liter – seien vor allem die Industrie und der Tagebau Wasserräuber. Als weitere Faktoren nennt Correctiv die Versiegelung von Böden und den erhöhten Wasserbedarf von Forst- und Landwirtschaft.

Pastorenteich liegt mitten in einem Gebiet mit der höchsten Schutzstufe

Doch weder Industrie noch Tagebau können die Teils extremen Grundwasserverluste im Landkreis Harburg erklären. Zumal der Pastorenteich mitten in einem Gebiet mit der höchsten Schutzstufe liegt, was Veränderungen des Wasserhaushalts zum Beispiel durch landwirtschaftliche Beregnung ausschließt. Hamburg Wasser argumentiert, das entnommene Grundwasser stamme aus Tiefen, die durch grundwasserhemmende Schichten vom Oberflächenwasser abgeschlossen seien und darauf keinen Einfluss hätten.

Dass Wasser im Pastorenteich fehlt, sei also nicht der Grundwasserförderung zuzuschreiben. Hamburg Wasser gehe vielmehr davon aus, dass sich die starken Niederschläge im Juli des Jahres bald im oberflächennahen Grundwasserleiter bemerkbar machen. Holger Mayer vom BUND sieht das anders. Er steht mit US-amerikanischen Bodenkundlern im Austausch, verfolgt aktuelle wissenschaftliche Literatur und sagt: „Jede Grundwasserförderung, gleich welcher Art, führt zu einer Reduktion der Abflussmenge in umgebende Gewässer.“ Wenn die Grundwasserförderrate sehr hoch sei, fließe Wasser aus dem umgebenden Gewässer, also in diesem Fall dem Pastorenteich, wieder zurück in den Grundwasserspeicher.

Fast alle oberflächennahen Messstellen zeigen Rekordniedrigstände

Was das bedeutet, macht Mayer mit einem Bild deutlich: „Vor drei Jahren noch hatten wir am Pastorenteich einen Grundwasserstand, der mir bis zum Nabel reichte. Inzwischen ist er an meinen Füßen angekommen.“ Mit Sorge sieht Mayer der Eröffnung von weiteren fünf Brunnen im Bereich Schierhorn entgegen, die vor Kurzem an das Wasserwerk Nordheide bei Nindorf angeschlossen wurden, ebenfalls Grundwasser fördern sollen und so weitere nahe gelegene Schutzgebiete betreffen könnten.

„Praktisch alle oberflächennahen Messstellen in der Lüneburger Heide zeigen Rekordniedrigstände“, warnt er. Der Landkreis müsse tätig werden und jeden einzelnen möglichen Verursacher betrachten, fordert Mayer. Ein „Sind wir nicht“, wie es derzeit Hamburg-Wasser betreibe, sei „in der aktuellen Lage unverantwortlich“.

Dirk Mertens vom Verein Naturschutzpark hat die Hoffnung, dass sich die Grundwasserstände wieder erholen, noch nicht ganz aufgegeben. Doch er denkt bereits über einen „Rückbau“ des Pastorenteiches nach.