Buchholz/Winsen. Kurze Wege, gutes Netzwerk: Kliniken Winsen und Buchholz punkten mit perfekter Infrastruktur. Wie das Rettungssystem funktioniert.

Bei der Rettung von Herzinfarktpatienten zählt jede Minute. Denn wie schnell Patienten im Anschluss behandelt werden, hat unmittelbaren Einfluss auf ihre Überlebenschance und spätere Lebensqualität.

Der Landkreis Harburg hat mit seinen Krankenhäusern in Buchholz und Winsen für die Versorgung von Herzpatienten eine Struktur entwickelt, die höchste Anforderungen erfüllt – und das rund um die Uhr, an jedem Tag des Jahres. „Wir können uns durchaus mit Hamburger Häusern messen und dürften sogar schneller sein als die dortigen Kliniken.“ Das sagt Dr. Werner Raut, Chefarzt der Kardiologie im Krankenhaus Buchholz.

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Herzinfarkt: Mit jeder Minute steigt Gefahr eines bleibenden Schadens

Der Qualitätsmaßstab, der beim Notruf Herzinfarkt für Rettungskräfte, Ärzte und medizinisches Personal gilt, heißt „Door to needle time“ (auf deutsch: Tür-zur-Nadel-Zeit) – ein Begriff, der die Zeit vom Transportbeginn des Patienten in die Klinik bis zum Beginn der Behandlung beschreibt. In 90 Minuten – so verlangen es die aktuellen Leitlinien – soll das geschafft sein. Eine anspruchsvolle Vorgabe, die darin begründet ist, dass mit jeder Minute die Gefahr eines irreparablen Herzschadens steigt.

Klinik Winsen Herzinfarkt
Hinter dieser Tür werden Leben gerettet: das Herzkatheterlabor im Krankenhaus Winsen. © HA | nanette franke

Risikofaktoren für einen Herzinfarkt sind neben hohem Lebensalter und Übergewicht vor allem hoher Blutdruck, ein hoher Cholesterinspiegel und hoher Blutzucker – oft als Folge von Lifestyle-Faktoren wie Nikotin- und Alkoholkonsum sowie Mangel an Bewegung. All das kann eine Veränderung der Blutgefäße in Gang setzen: Ablagerungen entstehen, die den Blutfluss behindern.

Alle zehn Minuten erhöht sich das Sterblichkeitsrisiko eines Patienten um drei Prozent

Wenn diese Ablagerungen aufbrechen, können Blutgerinnsel das Gefäß komplett verschließen. Ein blockiertes Herzkranzgefäß kann den Herzmuskel nicht mehr ausreichend versorgen. Der Herzmuskel stirbt in diesem Bereich ab. Betroffene spüren dann einen starken Schmerz hinter dem Brustbein, der in Schultern, Arme, Unterkiefer, Rücken und Oberbauch ausstrahlt – je nach Geschlecht des Betroffenen.

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Jetzt ist schnelle Hilfe überlebenswichtig: Denn alle zehn Minuten erhöht sich das Sterblichkeitsrisiko eines Patienten mit Schocksymptomen um drei Prozent. Ein Anruf unter 112 setzt die professionelle Rettungskette in Gang: Ein Rettungswagen holt das Infarktopfer ab. Gleichzeitig wird ein dienstbereiter Kardiologe aus den Krankenhäusern Buchholz und Winsen benachrichtigt.

Ein Anruf unter 112 setzt die professionelle Rettungskette in Gang

Schon im Rettungswagen schreiben die Sanitäter, die alle dem Herzinfarktnetzwerk im Landkreis Harburg angehören, ein EKG. Von jedem Wohnort im Landkreis Harburg aus ist eines der beiden Krankenhäuser Buchholz oder Winsen nach wenigen Kilometern erreicht. Der Patient wird sofort in das Herzkatheterlabor gebracht, wo der Kardiologe schon am OP-Tisch wartet.

Klinik Winsen Herzinfarkt
Dr. Raut auf dem Flur der „Intermediate Care Station“, die durch viel Licht und aufmunternde Farben sehr freundlich wirkt. © HA | nanette franke

Die Notaufnahme bleibt bei dieser Abkürzung außen vor, was laut Dr. Raut rund 30 Minuten wertvolle Zeit spart. Durch einen Zugang am Unterarm des Patienten führt der Arzt einen Katheter direkt in das verstopfte Blutgefäß, das nun aufgeweitet und mit einer Gefäßstütze (Stent) versehen wird, die das Gefäß künftig offenhalten soll. Medikamente, die auf die Grunderkrankung abgestimmt sind und eine Wiederholung des Infarkts verhindern können, gehören bei allen Herzinfarktpatienten zur Nachbehandlung.

Neubau in Winsen ermöglicht noch kürzere Transportwege im Kreis Harburg

Bis vor zwei Jahren war das Krankenhaus Buchholz die einzige Klinik im Landkreis Harburg, die über ein Katheterlabor verfügte. Der Neubau in Winsen wurde errichtet, um den Zeitfaktor bei der Rettung zu verbessern: „Wir haben festgestellt, dass aufgrund der längeren Transportwege Patienten aus dem östlichen Landkreis ein deutlich schlechteres Behandlungsergebnis hatten als die aus dem Westkreis“, erklärt Dr. Raut.

Klinik Winsen Herzinfarkt
Mit Hightech ausgerüstet, um Patienten medizinisch lückenlos zu überwachen: ein Pflegebett auf der Intermediate Care Station. © HA | nanette franke

Mit der Erweiterung des Krankenhauses Winsen wurden auch perfekte räumliche Bedingungen für die Aufnahme und Betreuung schwerstkranker Patienten geschaffen: Die neugebaute „Intermediate Care Station“ –eine Art Bindeglied zwischen Intensivstation und Normalstation – und die Intensivstation selbst liegen in unmittelbarer Nähe zum Katheterlabor und verfügen über insgesamt 24 Betten.

Im Krankenhaus Buchholz steht eine zertifizierte „Chest Pain Unit“ zur Verfügung. Auch personell haben die Krankenhäuser Buchholz und Winsen aufgestockt: Zehn kardiologische Ärzte kümmern sich in beiden Häusern um die Herzpatienten.

Krankenhäuser Winsen und Buchholz: Perfekt vorbereitet auf den Notruf Herzinfarkt

Die Medizin im Landkreis Harburg ist also perfekt darauf vorbereitet, beim Notruf Herzinfarkt schnell und wirksam zu helfen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung ist aber, dass der Patient lebend das Krankenhaus erreicht. Schon bei kleinen Infarkten kann das Kammerflimmern auftreten, eine lebensgefährliche Herzrhythmusstörung, bei der die Betroffenen innerhalb von Sekunden bewusstlos werden.

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Sind nach einem Infarkt große Teile des Herzmuskels unterversorgt, schafft das geschwächte Pumporgan oft nicht mehr, den Kreislauf aufrecht zu erhalten. Dann droht ein Schock. Wird der Patient nicht sofort behandelt, steigt sein Sterberisiko alle zehn Minuten um drei Prozent.

Dann ist es höchste Zeit, beherzt zuzupacken: Beide Hände übereinander auf das Brustbein setzen, mit aller Kraft den Brustkorb im Takt etwa fünf Zentimeter nach unten drücken: In diesem Video wird das Vorgehen genau beschrieben.

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Um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für diese lebensrettende Maßnahme zu steigern, laden die Kardiologen der Krankenhäuser Buchholz und Winsen jedes Jahr im November zur Herzwoche mit Veranstaltungen und Vorträgen ein. Außerdem besuchen die Ärzte Schulen, um schon Siebtklässler in der Wiederbelebung zu unterrichten. „Man kann nichts falsch machen – außer, man tut gar nichts“, so Dr. Raut.

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