Landkreis Harburg. Auf dem Land brauchen Sanitäter und Ärzte oft lange, um im Ernstfall zu Patienten zu gelangen. Eine neue App soll jetzt Leben retten.

Plötzlich bricht jemand zusammen und verliert das Bewusstsein. Sein Herz hört auf zu schlagen. Bei einem solchen plötzlichen Herzstillstand gibt es nach zehn Minuten fast keine Überlebenschance mehr. Es sei denn, Ersthelfer beginnen sofort mit einer Wiederbelebung. Denn die Sanitäter und Notärzte, die über die 112 gerufen werden, treffen gerade in ländlichen Gebieten im Landkreis Harburg nicht immer innerhalb der ersten zehn Minuten ein.

Eine bessere Abdeckung wäre finanziell kaum zu stemmen. Um diese lebensrettende Zeitspanne zu nutzen, wurden in den letzten Jahrzehnten im Landkreis Harburg viele Maßnahmen ergriffen. So erhalten die Ersthelfer von den Disponenten in der Rettungsleitstelle im Winsener Kreishaus eine telefonische Anleitung zur Durchführung einer Wiederbelebung.

Seit Montag gibt es eine neue Gruppe von Helfern im Landkreis Harburg

Außerdem wurden in Orten wie Wistedt, Marxen und Tespe Ersthelfer aus den freiwilligen Feuerwehren ausgebildet, die als „Helfer vor Ort“ parallel zu den Sanitätern und Notärzten alarmiert werden und schneller am Einsatzort eintreffen können.

Seit diesem Montag gibt es nun eine neue Gruppe von Helfern im Landkreis Harburg: die „mobilen Retter“. Dabei handelt es sich um rund 220 Personen, die in Erste-Hilfe-Kursen weitergebildet wurden. Viele von ihnen arbeiten bereits in Feuerwehren, Arztpraxen oder im Rettungsdienst und wissen, wie sie schnell helfen können. Doch bisher erfuhren sie außerhalb ihres beruflichen Umfelds nicht, wenn jemand in ihrer Nähe Hilfe braucht.

„Helfen Sie mit mit. Werden Sie Lebensretter“, appellierte Kreisrat Nießen

Dank des neuen Systems erhalten sie nun über ihr Handy gleichzeitig mit den anderen Rettungskräften eine Alarmierung, wenn es in ihrer Umgebung zu einem Herzstillstand kommt.

Bei der Vorstellung des Projekts wies Harburgs Erster Kreisrat Josef Nießen auf die Erfahrungen im benachbarten Landkreis Rotenburg (Wümme) hin, wo die Ersthelfer im Durchschnitt bereits nach 3,13 Minuten bei bewusstlosen Personen eintreffen. „Helfen Sie mit mit. Werden Sie Lebensretter“, appellierte Nießen.

Ziel ist es, im Landkreis Harburg mehr als 500 mobile Retter zu haben

Das Ziel sei es, im Landkreis Harburg mehr als 500 mobile Retter zu haben. Informationen dazu und wie man an dem Projekt teilnehmen kann, finden sich auf einer eigenen Homepage.

Um sicherzustellen, dass die Ersthelfer auch in ländlichen Gebieten mit einer nicht immer zuverlässigen Internetverbindung alarmiert werden können, wurde die „mobile-Retter“-App speziell dafür angepasst, betonte Timo Dreier von der medgineering GmbH, der Entwickler der App. „Selbst bei einer schwachen Internetverbindung funktioniert die Alarmierung“.

Die Ersthelfer werden von der Johanniter Unfallhilfe, dem Deutschen Roten Kreuz und der Feuerwehr ausgebildet. Diese stehen den Helfern auch nach belastenden Einsätzen zur Seite. „Wir lassen niemanden mit den Eindrücken alleine“, versicherte Thies Kahnenbley von den Johannitern.

Neben einer Hotline gibt es auch Unterstützung durch das eigene Kriseninterventionsteam, das psychologische Hilfe bietet.

Zudem werden die freiwilligen Retter nicht in potenziell gefährliche Situationen geschickt. Sobald in der Rettungsleitstelle der Verdacht auf ein Verbrechen oder häusliche Gewalt besteht, werden die Helfer nicht entsandt.