Hamburg. Vom Waisenkind zum Weltmeister: Reinhold Wolter hat eine bewegte Vita – und geht als ältester Cyclassics-Teilnehmer an den Start.
Wenn Reinhold Wolter zur Begrüßung die Hand reicht, tritt sein Bizeps unter der braun gebrannten Haut hervor. Dass dieser Mann 87 Jahre alt ist, möchte man einfach nicht glauben. Wolter ist damit der älteste Teilnehmer der Bemer Cyclassics und vermutlich einer der fittesten unter den Amateuren. Bei dem 60-Kilometer-Rennen in Hamburg fährt er nicht nur zum Spaß mit.
„Ich fordere mich schon und will so schnell fahren, wie ich kann“, sagt Wolter, der mit seiner Ehefrau in Brackel im Landkreis Harburg lebt. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 bis 30 Kilometer pro Stunde dürfte er den einen oder anderen Freizeitfahrer hinter sich lassen. Zum 18. Mal tritt er bei dem Hamburger Radrennen an. „Ich bin Hamburger mit Herz und Seele, die Cyclassics sind für mich immer ein Muss.“
Cyclassics: Ältester Teilnehmer hat eine bewegte Vita
Was er nicht muss, ist, sich auf das Rennen vorbereiten. „Ich fahre jede Woche 50 bis 60 Kilometer mit dem Rad. Ich gehe auch ins Fitnessstudio und laufe viel, eigentlich bewege ich mich ständig.“ Sport habe in seinem Leben immer eine wichtige Rolle gespielt. Als Waisenkind klaute er auf dem Hamburger Fischmarkt, um sich und seine Geschwister über die Runden zu bringen. Wegen Diebstahls kam er schließlich in ein Heim für schwer Erziehbare. Wer sich dort Vorteile wie eine Extraportion Essen verdienen wollte, musste Sport machen.
Wie ein roter Faden habe sich Sport seitdem in jeglicher Form durch sein Leben gezogen. Als junger Mann hob er Gewichte und wurde Hamburger Meister. Von Marathons über Skilanglauf bis Tourenwagenrennen habe er nichts ausgelassen. Auch im fortgeschrittenen Alter nimmt der 87-Jährige noch an vielen Wettkämpfen teil und kann in seiner Altersklasse (85 bis 89) sogar Weltmeistertitel im Winter-Triathlon und Duathlon vorweisen.
Reinhold Wolter wird von seiner Frau trainiert und gemanagt
Hinter Wolter liegt bereits ein bewegtes Leben. Auf der ganzen Welt hat er sportliche Wettkämpfe bestritten und Freundschaften geschlossen. Seine Frau unterstützt ihren Mann, wo sie nur kann und nimmt dabei auch Einschränkungen in Kauf. „Urlaub kann man mit ihm nicht machen“, sagt Waltraud Schneider (72). „Wenn ich frage, ob wir nicht mal irgendwo hinfahren wollen, fragt er, welche Wettkämpfe es dort gibt“. Nach Mallorca sei er nie in den Urlaub, sondern nur für einen Marathon gereist.
Seit 45 Jahren sind die beiden zusammen, seine Frau trainiert ihn und organisiert alles rund um die Wettkämpfe, an denen er teilnimmt. „Für mich artet es oft in Stress aus. Ich hoffe immer, dass am Start alles gut geht. Ich finde es aber natürlich schön, einen Mann zu haben, der in dem Alter noch so gut aussieht und Sport macht.“
Cyclassics-Senior Wolter: „Der will jeden Tag Kuchen“
Seine kostspieligen Wettkämpfe konnte er sich durch eine Rohrbau-Firma finanzieren, die er selbst gründete. „Ich konnte mir das alles nur leisten, weil ich viel Geld verdient habe“, sagt Wolter. Seine Frau ergänzt, „aber auch viel ausgegeben“. Wer glaubt, dass der Rentner nach einem strengen Ernährungsplan lebt, liegt falsch. „Der will jeden Tag Kuchen und trinkt abends noch einen Kaffee“, sagt seine Ehefrau.
- Cyclassics: Diese Straßen sind für das große Rennen gesperrt
- Ex-Profi Rick Zabel gibt Amateuren Tipps für die Cyclassics
- Eliterennen bringt die Superstars des Sports nach Hamburg
Wer viele Kalorien verbrennt, müsse eben auch viel essen, erklärt der Cyclassics-Teilnehmer. Ans Aufhören denkt Wolter noch lange nicht. „Ich habe immer viel Sport gemacht und gearbeitet. Ich glaube nicht, dass ich irgendwann damit aufhöre.“ Bei den Cyclassics wolle er so lange teilnehmen, wie es geht. Seine Mitstreiter dürfte er bei dem Hamburger Radrennen also auch in den nächsten Jahren noch buchstäblich alt aussehen lassen.