Hittfeld. Susanne Ludorf führt ihre Buchhandlung mit Herzblut, das Angebot verzaubert Groß und Klein. Zu Besuch an einem inspirierenden Ort.

  • Die Magie der Bücher zieht viele Menschen schon früh in ihren Bann
  • Schon als Kinder entdecken sie die Lust am Lesen und verbringen gern Zeit in schönen Bücherläden
  • Die Menschen im Hamburger Süden haben Glück: Genau so ein magischer Bücherladen steht seit 14 Jahren in ihrem Dorf an der A7

Wer im Supermarkt in Hittfeld eine Frau sieht, die beim Warten in der Schlange an der Kasse ihre Nase in ein Buch steckt, könnte auf Susanne Ludorf getroffen sein. Die Buchhändlerin ist nicht nur selbst eine leidenschaftliche Leserin, sondern gibt zusammen mit vier Mitarbeiterinnen diese Begeisterung fürs Lesen auch an ihre Kunden weiter.

Willkommen im Magischen Bücherladen in Hittfeld: „Ich hatte Glück“ sagt die Inhaberin

Jetzt wurde die Buchhandlung Seevetal als Niedersachsens Buchhandlung des Jahres 2024 ausgezeichnet. Das Team berät und bestellt, empfiehlt Krimis, Romane und Sachbücher, organisiert Veranstaltungen und lädt Kinder zum gemeinsamen Lesen ein. So schafft es einen Begegnungsraum, in dem sich alles ums Buch dreht und zugleich weit darüber hinaus geht.

Als der Anruf kam, habe sie es erst nicht geglaubt, sagt Susanne Ludorf, die ohne ihr Wissen für den Preis vorgeschlagen wurde. An diesem Vormittag im Juli, beim Gespräch in ihrem Büro, meint sie auf sehr bescheidene Art: „Ich hatte Glück.“ Etwas mehr steckt wohl schon dahinter, immerhin gilt ihre Buchhandlung nun als die beste des Landes.

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Da ist vor allem die ehrliche Begeisterung fürs Lesen und für Bücher. Schon als Kind habe sie ihr ganzes Taschengeld in Bücher gesteckt, erzählt die 57-Jährige mit den blonden Locken. Ausleihen reichte ihr nicht. „Es war mir wichtig, dass sie bei mir im Regal wohnten.“ Von einer Ausbildung zur Buchhändlerin wurde ihr nach dem Abitur abgeraten, wegen der schlechten Berufsaussichten. Sie machte stattdessen eine Ausbildung zur Bankkauffrau.

Lesen ist fester Teil ihres Alltags – nur nicht bei der Arbeit

Lesen blieb ein wichtiger Teil ihres Lebens, auch ihren beiden Töchtern, die heute 26 und 28 Jahre alt sind, wollte Susanne Ludorf dies mitgeben. Jeden Tag nach dem Mittagessen setzte sie sich mit den kleinen Mädchen aufs Sofa, jede mit einem Buch in der Hand.

„Natürlich hat es etwas gedauert, bis sie wirklich mal eine Viertelstunde in Ruhe gelesen haben. Anfang habe ich auch nur so getan, als ob ich lese“, sagt sie. Aber mit der Zeit wurde das Ritual fester Teil des Familienalltags. Ihre Kinder hätten gelernt, dass ihre Mutter regelmäßig Zeit zum Lesen braucht.

Susanne Ludorf führt die Buchhandlung Seevetal seit 2010

Ihre Familie wurde auch eng einbezogen, als Susanne Ludorf 2010 die Chance erhielt, die Buchhandlung Seevetal zu übernehmen. Einige Jahre zuvor hatte sie im Weihnachtsgeschäft ausgeholfen – und war direkt geblieben, zunächst für einzelne Tage. Als die Inhaberin schwer krank wurde, kam das Angebot. „Ich hatte eine Woche Zeit zum Überlegen.“

Die Buchhandlung Seevetal ist Niedersachsens Buchhandlung des Jahres 2024. Inhaberin Susanne Ludorf (Mitte) mit ihren Mitarbeiterinnen Meike Uthoff-Wendt (l.) und Maren Wolters. 
Die Buchhandlung Seevetal ist Niedersachsens Buchhandlung des Jahres 2024. Inhaberin Susanne Ludorf (Mitte) mit ihren Mitarbeiterinnen Meike Uthoff-Wendt (l.) und Maren Wolters.  © Lena Thiele | Lena Thiele

Seitdem steht die Unternehmerin fast täglich in ihrem Ladengeschäft, das nach zwei Umzügen und einer deutlichen Vergrößerung seit fünf Jahren am Anfang der Kirchstraße in Hittfeld liegt. Die Welt der Bücher hat sich in dieser Zeit verändert, neue Trends bestimmen immer stärken die Lesegewohnheiten der Menschen.

Entwicklung: Kinder lesen immer häufiger nur noch in Häppchen

Besonders sichtbar wird das bei den jüngsten Lesern. Jedes Jahr zum Welttag des Buches besuchen mehrere 4. und 5. Klassen die Buchhandlung, zuletzt waren 220 Schüler dabei. Beim Vorlesen seien fast alle Kinder total gefesselt, erzählt Susanne Ludorf. „Wenn dieser Funke überspringt: Das ist der Moment, den wir uns alle wünschen.“ Auch in Seevetal gebe es Kinder, die noch nie in einer Buchhandlung waren. Und lange Texte ohne Bilder sind für viele beim Selberlesen eine Herausforderung. „Der Trend geht zu kurzen Absätzen, um die Kinder abzuholen.“

Zwar fragt sich die Buchhändlerin schon, wo es hinführt, wenn diese Kinder sich auch als Erwachsene ihr Wissen – zum Beispiel für eine Berufsausbildung – nur häppchenweise aneignen werden. Bewerten will sie die Veränderungen bei den Büchern jedoch nicht. Das sei wie in der Kunst, sagt sie. „Ich muss nicht entscheiden, was Literatur ist.“

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Ich will diese Frau, ach nein, doch lieber die andere

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Romantische Fantasy für junge Frauen ist ein Megatrend

So steht sie auch dem derzeitigen Megatrend auf dem Buchmarkt offen gegenüber. „New Adult“-Bücher richten sich an Mädchen ab 14 Jahren und junge Frauen. Diese romantischen Geschichten mit Fantasy-Elementen – sogenannte Romantasy – kommen in immer kürzeren Abständen auf den Markt. Sie werden auf Social-Media-Plattformen wie Tiktok und Instagram mit ständig wechselnden Listen empfohlen.

Was heute noch ganz oben auf der Booktok-Liste auf der Social-Media-Plattform Tiktok steht, ist schon in zwei Wochen wieder von Neuerscheinungen verdrängt, sagt Susanne Ludorf. „Bei dieser Schnelllebigkeit müssen wir uns mächtig anstrengen, hinterher zu kommen.“

Susanne Ludorf verkauft immer mehr Bücher mit sogenanntem Farbschnitt, bei dem die offene Seitenfläche ebenfalls bedruckt ist.
Susanne Ludorf verkauft immer mehr Bücher mit sogenanntem Farbschnitt, bei dem die offene Seitenfläche ebenfalls bedruckt ist. © Lena Thiele | Lena Thiele

Die Optik spielt bei diesen Büchern eine besondere Rolle. „Eines sieht schöner aus als das andere“, so die Buchhändlerin. Immer häufiger ist ein Teil der Auflage mit einem Farbschnitt ausgestattet: Statt einer weißen Schnittfläche erscheint auf der Längsseite des Buches ein farbiges Motiv.

Solche limitierten Schmuckausgaben sind besonders begehrt, auch Romane der eher klassischen Genres werden immer häufiger damit veredelt. So zum Beispiel der Bestseller „Eine Frage der Chemie“ von Bonnie Garmus, der mittlerweile auch als Serie verfilmt wurde.

Ihre Kunden wünschen sich Ablenkung und genussvolle Lektüre

Bei den erwachsenen Lesern beobachtet Susanne Ludorf – nach Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und 7. Oktober – den Wunsch nach Ablenkung. Bis vor einigen Jahren seien Sachbücher sehr gefragt gewesen, das sei weitgehend vorbei. „Der Trend geht zum Buch, dass man genussvoll lesen kann“, sagt sie.

Und natürlich Krimis, ein Dauerrenner. Jetzt muss die Buchhändlerin lachen. „Ich weiß nicht, was passieren muss, dass die Leute keine Krimis mehr lesen.“ Zurzeit werde dies gern mit Urlaubslektüre verbunden, die Geschichten der Kommissare spielen in der Bretagne, der Provence, der Toskana, in Portugal oder Skandinavien.

Krimis werden mit Themen wie KI und Klimawandel kombiniert

Andere Autoren greifen in ihren Krimis die Themen Künstliche Intelligenz oder Klimawandel auf, entwerfen Szenarien, die unmöglich erscheinen und doch nah an der Realität sind. „Das ist so spannend wie fesselnd“, meint Susanne Ludorf, die hier zum Beispiel Tibor Rode, Marc-Uwe Kling und Marc Elsberg empfiehlt. „Auch Krimis können sehr aufrütteln. Sie zeigen, wohin die Entwicklungen noch führen können.“

Buchhändlerin Susanne Ludorf findet für jeden Kunden das passende Buch.
Buchhändlerin Susanne Ludorf findet für jeden Kunden das passende Buch. © Lena Thiele | Lena Thiele

Es sind auch solche Bücher, die die Leserin Susanne Ludorf besonders bewegen. „Sie bringen mich in andere Welten und zeigen neue Perspektiven auf. Ich merke, dass ich nicht allein bin mit den Themen, die mich beschäftigen. Bücher fangen mich auf und sie bauen mich auf.“ Ihr absolutes Lieblingsbuch ist übrigens „Seit er sein Leben mit einem Tier teilt“ von Bodo Kirchhoff, es behandele die ganzen Fragen des Lebens.

Die Buchhändlerin nimmt Anteil am Leben ihrer Kundinnen

Auch mit ihren Kundinnen und Kunden tauscht sie sich über Gelesenes aus. Zumeist sind es natürlich die Inhaberin und ihre Mitarbeiterinnen, die die Wünsche und Lesegewohnheiten erfragen, passende Empfehlungen raussuchen und mit der Zeit ein gutes Gespür für das richtige Buch für ihre Stammkunden entwickeln.

Oft kommen aber auch Rückmeldungen nach der Lektüre. „Das ist ganz wichtig für uns“, betont Susanne Ludorf, die sich auch freut, wenn sich im Laden ein kleiner Plausch zwischen mehreren Menschen entwickelt.

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Ihre Buchhandlung ist zu einem Begegnungsort geworden, hier suchen Seevetaler nicht nur nach einem passenden Buch für eine kleine Auszeit, sondern teilen auch oft ihre Sorgen und Nöte mit den Mitarbeiterinnen. Dieses Anteilnehmen am Leben der Menschen, das ja nicht immer schön sei, sei manchmal sehr fordernd.

Buchhandlung Seevetal: „Ohne meine Mitarbeiterinnen wäre ich verraten und verkauft“

Bis heute ist Susanne Ludorf froh, den Schritt zur eigenen Buchhandlung gegangen zu sein. Auch wenn die Selbstständigkeit ihr viel abverlangt. „Es bedeutet jede Menge Arbeit, Verantwortung und Druck. Ohne meine Mitarbeiterinnen, die alle ebenfalls sehr viel Zeit investieren, wäre ich verraten und verkauft.“

Aber die Zeit zum Lesen, die nimmt sie sich einfach. Sie lese eigentlich überall, sagt Susanne Ludorf nach kurzem Nachdenken. Beim ersten Kaffee zum Frühstück, abends auf der Couch, im Edeka-Supermarkt in Hittfeld, im Wartezimmer, im Urlaub auch im Garten unterm Apfelbaum. Für den Notfall hat sie auch auf dem Handy immer einige Bücher geladen, aber das gedruckte Buch ist der Buchhändlerin immer noch am liebsten.

Mit ihrem Mann geht sie auch gern tanzen oder sie fahren gemeinsam Rad. „Aber ich bin immer hin- und hergerissen, ich will ja beides“, erzählt Susanne Ludorf lachend. „Meistens wird es dann ein Kompromiss: Wir machen eine Radtour und für die Pause packe ich ein Buch ein.“