Hamburg. Das Debüt von Thomas Knüwer ist düster, ungewöhnlich, fesselnd. Es geht um die Gespenster der Vergangenheit und eine dramatische Flut.

  • Thomas Knüwer, Hamburger Autor und Blogger, feiert sein fesselndes Debüt.
  • In seinem Krimi „Das Haus, in dem Gudelia stirbt“ lässt er die Geister der Vergangenheit ihr Unwesen treiben.
  • Soviel vorweg: Knüwers Buch ist kein „richtiger“ Krimi – weil er es gar nicht sein will.

Wenn es um Mord geht, um Totschlag und Anverwandtes, ist eine sanguinische Weltsicht keine große Hilfe. Sieht man mal vom Unter-Genre der Krimikomödie ab. Richtigen Krimis suppt die Düsternis aus jeder Pore. Ihr Autor muss Figuren erschaffen, die Verbrechen verüben. Und selbst wenn sie dies nicht tun, schadet es nicht, einen Krimi mit Personal auszustatten, das sarkastisch bis zynisch auf die Dinge blickt. Im Prolog von „Das Haus, in dem Gudelia stirbt“ liegt eine alte Frau zerschmettert auf einem verwüsteten Friedhof. „Überall tote Schweine“, heißt es, es ist ein formvollendetes Albtraumszenario. Die alte Frau denkt an kompostierbare Urnen, und dann diesen gnadenlosen Satz: „Irgendwann werfen wir die Toten direkt in die Biotonne.“

Thomas Knüwer
Thomas Knüwer, Jahrgang 1983, legt mit „Das Haus, in dem Gudelia stirbt“ sein Krimidebüt vor. © Alexander Hildenberg | alexander hildenberg

Damit setzt der Hamburger Krimi-Debütant Thomas Knüwer den Ton seines ungewöhnlichen Buchs. Die alte Frau ist die Titelfigur Gudelia Krol, eine 81 Jahre alte Witwe, die vier Jahrzehnte zuvor ihren Sohn Nico verlor. Im Finale ihres entbehrungsreichen und traumatischen Lebens wird das, was sie lange Jahre für sich behalten hat, nach oben gespült: In der Donau-Gemeinde Unterlingen hat ein Jahrhunderthochwasser für reißende Ströme gesorgt. Ein literarisch geschickt inszeniertes Setting, in das der Autor die Gespenster der Vergangenheit ihr Unwesen treiben lässt.

Krimi-Debut von Thomas Knüwer: Tod im Graben an einer einsamen Straße

Auf drei Erzählebenen und in den Jahren 1984, 1998 und 2024 setzt dieser souverän konstruierte Roman ein Familiendrama zusammen, das grundsätzliche Fragen stellt. Wie soll man nach dem Verlust des eigenen Kindes weiterleben? Darf man den Tod dieses Kindes rächen, am Ende gar mit einem Mord? „Das Haus, in dem Gudelia stirbt“ ist düster, ungewöhnlich und fesselnd: Und, um auf die Ingredienzen eines Genreromans zurückzukommen, dankenswerterweise gar kein „richtiger“, zumindest kein reinrassiger Krimi, weil er es gar nicht sein will. Das liegt alleine schon daran, dass die entscheidenden Toten in dieser Geschichte schon sehr lang tot sind.

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Gudelias Sohn Nico starb 1984 mit 15 Jahren im Graben an einer einsamen Straße. Es war kein natürlicher Tod. Danach mauerte Gudelia mithilfe ihres Alkoholiker-Mannes Heinz – in diesem Plot steckt auch ein Eheroman, es ist kein glücklicher, natürlich nicht – ihre Trauer buchstäblich ein. „Das Haus, in dem Gudelia stirbt“ ist vor allem ein psychologischer Thriller, der mit vielen Twists aufwartet und viel an klug eingesetzter Atmosphäre und Stoffverdichtung auffährt.

In einem Nebenstrang der Handlung geht es um zwei Leichen, die an Gudelias Haus vorbeitrieben. Wo kommen die jetzt her, hat sie noch mehr Gespenster gesehen oder waren sie tatsächlich da? Die Flut rüttelt an den Grundfesten der Menschlichkeit. Das Haus der Protagonistin wird das Unwetter übrigens nicht überstehen, das sei an dieser Stelle verraten. Und das Warten auf die Beantwortung der Frage, was Gudelia nach dem Tod ihres Sohns vor langer Zeit getan hat, liefert den Erzählsog, der einen unweigerlich mit sich reißt.

Thomas Knüwer stellt seinen Roman am 8. September auf der „Blankeneser Buchmesse“ vor, Blankeneser Gemeindehaus, 11 bis 18 Uhr. Die Buchmesse ist Bestandteil der Herbstlese Blankenese, alle Infos unter www.wassermann-buecher.de.

Das Haus in dem Gudelia stirbt
Das Cover von „Das Haus, in dem Gudelia stirbt“, Pendragon-Verlag, 290 S., 20 Euro. © Pendragon Verlag | Pendragon