Hamburg. Trotz Corona- und Energiekrise erwirtschaftet die Stadt 2022 einen Überschuss. Nur ist der Senat mitunter zu knickrig.

Falls irgendjemand wirklich Sorge hat, dass die Stadt Hamburg sich und ihre Bürgerinnen und Bürger einigermaßen durch diese Krise manövrieren kann, sei ein Blick auf die Haushaltslage empfohlen: Selbst im von Corona- und Energiekrise geprägten Jahr 2022 wird Hamburg einen Überschuss von mehr als 350 Millionen Euro erwirtschaften, mit dem alte Schulden getilgt werden sollen.

Und mit dem neuen Doppelhaushalt für 2023 und 2024, den die Bürgerschaft an diesem Donnerstag verabschieden soll, will der rot-grüne Senat sogar Historisches erreichen: Dann sollen Aufwendungen und Erträge endgültig auch kaufmännisch ausgeglichen sein.

Hamburg kann im Haushalt nötige Rückstellungen bilden

Mit anderen Worten: Die Stadt kann aus ihren Einnahmen nicht nur die laufenden Ausgaben finanzieren, sondern auch den Substanzverlust der öffentlichen Infrastruktur ausgleichen und alle nötigen Rückstellungen bilden, etwa für die Beamtenpensionen.

Das ist bundesweit einmalig. Diese finanzielle Stärke hat es der Stadt ermöglicht, in der Pandemie zusätzlich zu den Bundeshilfen die Wirtschaft mit eigenen, großen Hilfsprogrammen am Laufen zu halten, und sie wird Hamburg auch durch die aktuelle Krise tragen.

Die bislang dafür eingeplanten 125 Millionen Euro werden zwar kaum ausreichen, aber notfalls stehen weitere Mittel bereit. Insofern ist es richtig, dass Bürgermeister Tschentscher und Finanzsenator Andreas Dressel zwar den Ernst der Lage betonen, aber vor Untergangsstimmung warnen.

Der Hamburger Senat ist bei Investitionen großzügig

Am Rande: Die 800-Millionen-Euro-Dividende der Reederei Hapag-Lloyd hat dabei natürlich geholfen. Diese Beteiligung hat sich nicht nur standortpolitisch, sondern auch fiskalisch gelohnt. Allerdings hat die Stadt in dieser Zeit auch Milliardenschulden der früheren HSH Nordbank in den Haushalt übernommen.

Der finanzpolitische Erfolg Hamburgs hat aber auch eine Schattenseite. So ist der Senat bei Investitionen in der Regel sehr großzügig – wenn es um neue Schulen, Forschungsgebäude, Museen, Radwege oder U-Bahnen geht, ist fast immer genug Geld da. So sind im neuen Haushalt allein 4,8 Milliarden Euro für Investitionen eingeplant – „ein Rekordwert“, wie der Bürgermeister stolz verkündete.

Doch bei den laufenden Ausgaben ist man im Rathaus knickrig. Jeder bekommt in der Regel gerade so viel, wie unbedingt nötig ist, aber keinen Cent mehr. Für viele Bereiche ist das okay, für manche aber nicht.

Wo Hamburg noch mehr investieren sollte

Einige Beispiele: Regelmäßig sterben Obdachlose auf Hamburgs Straßen, allein dieses Jahr schon 23 Menschen. Dennoch schließt das Winternotprogramm unverdrossen tagsüber, und Hilfsprogramme wie Housing First fasst der Senat nur zögerlich an – das ist einer reichen Stadt wie Hamburg unwürdig.

Auch ertrinken jeden Sommer Kinder und Jugendliche in Elbe und Badeseen, weil sie nicht schwimmen können – aber Hamburger Grundschüler haben nur ein Halbjahr lang Schwimmunterricht, auch weil es viel zu wenige Schwimmhallen gibt.

Drittens die Hochschulen: Alle Experten sind sich einig, dass Wissenschaft und Forschung für Hamburgs Zukunft von elementarer Bedeutung sind. Auch der Bürgermeister sieht das im Prinzip so, daher investiert der Senat auch Milliardensummen in neue Gebäude.

Doch gleichzeitig wurde jahrelang an der Grundfinanzierung der Hochschulen gespart, und die mit diesem Haushalt geplante Drei-Prozent-Erhöhung wird von zehn Prozent Inflation zunichtegemacht. Dazu wird auch noch die Forschungsförderung gekürzt.

Hier verpasst der Senat zum wiederholten Male die Chance, die Wissenschaft endlich exzellent auszustatten. Und das nicht, weil es an Geld mangelt.