Hamburg. In der Generaldebatte der Bürgerschaft zum Haushalt 2023/24 ging es hoch her. Warum die Grünen jetzt Porsche-Fans sind.

Eigentlich sollte es darum gehen, wie und wofür Hamburg in den kommenden beiden Jahren insgesamt 37 Milliarden Euro ausgibt. Doch wenn zum Auftakt der dreitägigen Haushaltsberatungen der Bürgerschaft die Generaldebatte ansteht, spielen Zahlen und Etat-Ansätze traditionell nur eine untergeordnete Rolle – dann geht es um das große Ganze.

Und so hielt sich CDU-Fraktionschef Dennis Thering, der als Oppositionsführer diesen mehr als vierstündigen Schlagabtausch eröffnen durfte, auch nicht lange mit dem Etatentwurf des Senats für 2023 und 2024 auf, sondern ging direkt zum Angriff über. „Die Mehrheit der Hamburgerinnen und Hamburger ist mit der Arbeit des Senats unzufrieden“, sagte er unter Verweis auf eine Umfrage.

„Unsäglich“, „fauler Kompromiss“, „gescheitert“ – CDU-Kritik an Rot-Grün

Es gebe nicht nur auf den Straßen, sondern auch im übertragenen Sinn viele „Baustellen“, beklagte Thering und zählte auf: Der Wohnungsbau schwächel, doch anstatt ihm neuen Schwung zu verleihen, schließe Rot-Grün „einen faulen Kompromiss mit den Volksinitiativen“. Dieser sieht unter anderem vor, dass mehr Sozialwohnungen gebaut und städtische Grundstücke nur noch in Ausnahmefällen verkauft werden dürfen. Die geplante Erhöhung der Grunderwerbsteuer von 4,5 auf 5,5, Prozent sei unsäglich“ und müsse gestoppt werden, so Thering.

Beim Klimaschutz sei der Senat nur „Ankündigungsweltmeister, aber in der Realität schon in der Vorrunde kläglich gescheitert“. Denn ohne den Zukauf von CO2-Zertifikaten aus Nigeria – über die das Abendblatt berichtet hatte – hätte die Stadt ihr Klimaziel verfehlt, so der CDU-Fraktionschef, der daraus einen schweren Vorwurf ableitete. „Sie haben die Hamburgerinnen und Hamburger belogen.“

Tschentscher lobt Verkehrssenator Tjarks: Macht einen „Klasse-Job“

Sicherheitskräften und Justiz fehle die politische Rückendeckung, im Bereich Wissenschaft halte der Bürgermeister nur „Sonntagsreden“ und über den Hafen werde bei Rot-Grün nur gestritten, statt zu handeln. Und die „kalkulierte Auto-Verdrängungspolitik dieses Senats“ werde einer Umfrage zufolge nur von acht Prozent der Bürger begrüßt.

Das liege nicht nur an Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne), der tue nur, was er angekündigt habe: „Auch Bürgermeister Peter Tschentscher steht zu 100 Prozent hinter der Verkehrspolitik von Anjes Tjarks.“ Dafür gab es Beifall von den Grünen – und tatsächlich lobte auch Tschentscher später, dass sein Verkehrssenator einen „Klasse-Job“ mache. Allerdings bezog er das vor allem darauf, dass die Instandsetzung von Hamburgs Straßen mit allein 180 Kilometern in diesem Jahr „auf einem Rekordniveau“ sei.

SPD weist CDU-Kritik als „Verleumdungen, Unwahrheiten und Unterstellungen“ zurück

Nachdem Thering dem Bürgermeister zudem vorgeworfen hatte, dass er trotz Senatsumbildung an den umstrittenen Regierungsmitgliedern Andy Grote (SPD, Inneres) und Anna Gallina (Grüne, Justiz) festhalte, bezeichnete SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf die Rede des Oppositionsführers als Mix aus „Verleumdungen, Unwahrheiten und Unterstellungen.“

Anders als Thering zählte er für etliche Bereiche wie Klimaschutz, Hafen, Schulen, Wohnungsbau und Kultur die jeweiligen Etatansätze auf und sprach von einem guten Haushalt: „Wir machen Hamburg fit für die Zukunft.“

Grünen-Chef bezeichnet Tjarks als „Porsche unter den Verkehrsministern“

Auch Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen retournierte zunächst die Attacken des Oppositionsführers: „Interessant, wie die CDU es schafft, beim Niveau-Limbo die Stange immer noch ein Stück tiefer zu hängen – dazu herzlichen Glückwunsch.“ Rot-Grün setze auf drei Säulen: Grundfunktionen der Stadt sichern, Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz und Mobilitätswende sowie sozialen Zusammenhalt, so Lorenzen, der auch für Lacher sorgte, als er seine Parteifreunde im Senat, Katharina Fegebank und Anjes Tjarks, als „Teilchenbeschleunigerin der Wissenschaft“ und „Porsche unter den Verkehrsministern“ lobte.

„Steuergeschenke für die Reichen – noch mehr Belastungen für die Armen“, kritisierte Linken-Fraktionschefin Cansu Özdemir. Dabei sei eine andere Politik möglich, wenn man Geld von Krisenprofiteuren abschöpfe und umverteile. Es brauche mehr Sozialwohnungen, einen Mietenstopp und ein Verbot von Indexmieten. Doch Rot-Grün habe „kein Interesse daran, Obdach- und Wohnungslosigkeit zu bekämpfen“, so Özdemir.

Linkspartei fordert 29-Euro-Ticket für Nahverkehr

Die Linke fordere zudem mehr Investitionen in den Klimaschutz, ein 29-Euro-Ticket für den Nahverkehr statt des geplanten 49-Euro-Tickets sowie mehr Geld für Schulen, Kitas und Hochschulen: „Es ist Wahnsinn, an der Bildung der Kinder zu sparen“, so Özdemir.

AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann erinnerte an eine frühere Aussage von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), wonach der Haushalt die Kernfunktionen der Stadt sicherstellen soll. Doch angesichts des Rückgangs beim Wohnungsneubau, steigender Mieten, einem unterfinanzierten Hafen, getöteten Radfahrern, Rettungsdiensten am Limit und steigender Kriminalität am Hauptbahnhof müsse er feststellen: „Dann stimmt etwas nicht mit Ihrer Aussage.“

Bürgermeister: Etat ist „ein starkes Fundament für die Arbeit in schweren Zeiten“

Als „maßlos, mutlos, mittelmäßig“, bezeichnete Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) den Haushalt. Ebenso wie CDU-Finanzexperte Thilo Kleibauer kritisierte sie, dass alle Behörden pauschal drei Prozent einsparen müssten, während der Senat fast 600 Millionen Euro als zentrale Reserven zurückhalte.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verteidigte den Etat dagegen als „ein starkes Fundament für die Arbeit in schweren Zeiten“. Die Kritik, der Etat sei „nicht krisenfest“, habe er schon zu Beginn der Corona-Pandemie gehört. Dennoch habe Hamburg diese auch finanziell sehr gut überstanden: „Heute gibt es in Hamburg 1.055.000 Arbeitsplätze, mehr als vor der Krise und ein Rekordstand in der Geschichte unserer Stadt.“

Hamburg macht 2022 sogar Überschuss und tilgt alte Schulden

Als weitere Erfolge zählte Tschentscher auf, dass Hamburg für 2024 als einziges Bundesland einen kaufmännisch ausgeglichenen Etat vorlege und dass die geplanten Investitionen mit insgesamt 4,8 Milliarden Euro ein Rekordwert in der Geschichte der Stadt darstellten. Allein zwei Milliarden Euro investiere Rot-Grün in den Klimaschutz, die Modernisierung der Industrie und die Energiewende in Hamburg, so Tschentscher: „Das gibt es in dieser Form in keiner anderen Stadt in Deutschland und das sind die wirklich entscheidenden, großen Schritte auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft.“

Auch Hamburg sei von den Folgen der Pandemie, dem Ukraine-Krieg und der Energiekrise betroffen, so der Bürgermeister: „Aber wir werden deshalb unsere Ziele nicht aufgeben. Wir leben in einer Zeit des Umbruchs und großer neuer Aufgaben. So, wie wir die Corona-Pandemie bewältigt haben, werden wir jetzt auch die Energiekrise überstehen.“

Finanzsenator Dressel gab im Laufe der Debatte bekannt, dass Hamburg in diesem Jahr vermutlich mit einem großen Plus abschließe und netto 369 Millionen Euro Kredite tilgen werde – und das, obwohl weitere 1,5 Milliarden Euro an Altschulden der HSH Nordbank übernommen werden mussten. Die großen Reserven seien „nötig und richtig, damit wir reaktionsfähig bleiben“.