Hamburg. Die Sängerin und Songschreiberin zählt zu den großen Pop-Hoffnungen aus Hamburg. Im August spielt sie auf dem Dockville Festival.
Auf der Bühne, da entfaltet Brockhoff eine ganz eigene Energie. Eine warme Lässigkeit. Und eine Präsenz, die Brüchigkeit und Stärke in wunderbar eingängigen Indierocksongs kanalisiert. „Mittlerweile kann ich die Live-Auftritte mit Band richtig genießen. Aber die ersten Konzerte waren wirklich ein Sprung ins kalte Wasser‟, sagt Brockhoff, Vorname Lina und von ihrer wachsenden Fangemeinde liebevoll „Brocki“ genannt.
Entspannt sitzt sie bei einer Tasse Kaffee auf ihrem Balkon mit Blick auf einen lauschigen Eimsbütteler Hinterhof und lässt Revue passieren, was in den vergangenen Monaten alles passiert ist. Innerhalb von nur gut einem Jahr ist die Sängerin und Gitarristin zu einer der angesagtesten Rock-Newcomerinnen Hamburgs avanciert. Ihre Devise: spielen, spielen, spielen.
Pop aus Hamburg: Brockhoff geht im Oktober auf Tour
Und das tat und tut sie. Unter anderem als Vorband von Betterov im Mojo Club und als Support von Paolo Nutini im Stadtpark, im August auf dem Dockville Festival in Wilhelmsburg und im September beim Reeperbahn Festival. Im Oktober geht es dann auf eigene Tour.
Zwischendurch hat sie noch den Krach+Getöse gewonnen, den renommierten Nachwuchspreis von RockCity Hamburg und Haspa Musik Stiftung. Jüngst wurde sie in der Kategorie „Beste Newcomer*in‟ für den VIA Award nominiert, den Preis der unabhängigen Musikunternehmen in Deutschland. Und kurz darauf folgte noch die Nominierung für den Preis für Popkultur als „Hoffnungsvollste*r Newcomer*in‟. Jede Menge los also bei der 23-Jährigen.
Brockhoff startete nach dem Abi in kleinen Clubs und Bars
Brockhoff ist eine Künstlerin, deren Sound und Charisma wohl überlegt und lange gewachsen sind. Die vielen tollen Gelegenheiten und mit ihnen der erste Erfolg kamen dann aber doch überraschend. „Ich habe sehr früh angefangen, Songs auf Englisch zu schreiben. Bevor ich Englisch überhaupt richtig konnte“, sagt Brockhoff und lächelt freundlich.
Auf der Bühne mag sie mitunter cool und mysteriös erscheinen. Im Gespräch besitzt die Musikerin eine nahbare Offenheit. Sie erzählt vom Klavierunterricht als Kind. Wie sie sich selbst das Gitarrespielen beibrachte. Und wie sie nach dem Abi solo in kleinen Clubs und Bars auftrat.
Wie Revolverheld und Peter Fox besuchte Brockhoff den Hamburger Popkurs
Von ihrem Heimatdorf Holle, einem Dorf bei Hildesheim, zog sie nach Hamburg und erst einmal direkt auf den Kiez an die Silbersackstraße. „Ich habe es sehr genossen, mitten im Geschehen zu sein“, erzählt Brockhoff.
Sie besuchte den Popkurs an der Hochschule für Musik und Theater, der bereits Sprungbrett war für Acts wie Wir sind Helden, Peter Fox, Miu, Boy und Revolverheld. Sie probierte sich künstlerisch immer weiter aus, schrieb Songs alleine sowie im Team und sammelte wichtige Erfahrungen im Bandkontext. „Aus all dem heraus ist die Idee von Brockhoff entstanden.“
Zunächst kam es ihr „irgendwie zu harsch“ vor, ihre Band schlicht nach ihrem leicht sperrig wirkenden deutschen Nachnamen zu benennen. „Doch nach einer Weile gefiel es mir immer besser, dass nicht sofort zu erkennen ist, welches Geschlecht oder Genre sich hinter Brockhoff verbirgt. Oder ob ich solo oder mit einer Band spiele.“
Im März 2022 erschien Brockhoffs erste Single „Second Floor“
Aufgrund von Corona konnte sie sich mehr als ein Jahr Zeit nehmen, um an ihrer Vision von Brockhoff zu feilen. Inspiriert wurde sie dabei von Künstlerinnen wie Phoebe Bridgers, Sheryl Crow, Snail Mail, Soccer Mommy und den Cardigans. Und nachdem im März 2022 ihre erste Single „Second Floor‟ erschienen war, kamen direkt die ersten Live-Anfragen, etwa als Vorprogramm für die Indie-Pop-Band Jeremias.
„Ich hatte damals noch gar keine feste Band‟, erzählt Brockhoff. In wechselnden Besetzungen spielte sie immer wieder auch spontan Konzerte, da internationale Gruppen wegen der Auswirkungen der Pandemie ihre Auftritte kurzfristig absagen mussten. So ergab sich im Sommer 2022 etwa die Chance, in Berlin auf dem Festival Tempelhof Sounds vor Tausenden von Menschen ihre neuen Songs zu präsentieren. „Das war schon eine crazy Möglichkeit.“
Bei den ersten Konzerten war Brockhoffs Gitarre noch ein Schutzschild
Je häufiger Brockhoff spielte, desto mehr scharte sich ein Kollektiv an befreundeten Musikerinnen und Musikern um sie. Und während sich ihre blaue Duesenberg-Gitarre anfangs noch eher wie ein Schutzschild angefühlt habe, gehe Brockhoff nun zunehmend auf in ihrer Bühnenpräsenz. Schließlich hat sie auch einiges zu sagen.
In einem Song wie „Why“ verdichtet sie etwa die komplexen Emotionen, sich in einer depressiven Phase zurückziehen zu wollen und sich zugleich nicht verstanden zu fühlen. „Sharks“ wiederum, der Titelsong ihrer Debüt-EP, handelt von einer Party, auf der die Witze und Gespräche ins Diskriminierende kippen.
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Definitiv nicht dazugehören wollen und sich zugleich als Außenseiterin fühlen. Brockhoff beherrscht die Kunst, die von ihr besungenen Zustände nicht krampfhaft in Harmonie auflösen zu müssen. Das Verwirrende und Widersprüchliche bringt sie auf den Punkt. Und ihr wahrhaftiger Gesang erstrahlt über Garage und Pop, über akzentuierten Slacker-Gitarren und einem vielschichtigen Schub durch ihre Band.
Pop in Hamburg: Im August spielt Brockhoff beim Dockville Festival
Mit dem Förderpaket, das sie durch Krach+Getöse gewonnen hat, hofft Brockhoff nun, ihren Radius ins Internationale ausweiten zu können. Doch nun ist sie mit ihrer Band erst einmal beim Dockville zu erleben.
„Ich freue mich da als Fan selbst auch schon auf Künstlerinnen wie Arlo Parks, Girl in Red, Olivia Dean, Noga Erez und English Teacher“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich kann gar nicht fassen, dass mein Name mit all diesen Menschen in einem Line-up steht.“ Ein Zustand, an den sich Brockhoff womöglich wird gewöhnen müssen.
Brockhoff 20.8., Dockville Festival (18.–20.8.), Tickets ab 49 Euro unter www.msdockville.de