Hamburg. Schottischer Sänger begeistert Publikum beim Open-Air-Konzert. Man hätte sich den Auftritt allerdings lieber in einem Club gewünscht.
Acht Jahre Pause sind lang, besonders im Pop-Zirkus. Da ist man schnell weg vom Fenster. Paolo Nutini hat dieser Rückzug ins Private nicht geschadet. Seine Fans halten ihm die Treue, der Stadtpark ist ausverkauft. Im vergangenen Jahr hat der schottische Sänger mit dem italienischen Vater mit „Last Night In The Bittersweet“ endlich ein neues Album herausgebracht, in Großbritannien erreichte es Platz eins in den Hitparaden, in Deutschland schaffte die Platte es in die Top 20.
Bei der laufenden Tournee singt und spielt er zehn Nummern aus diesem überragenden Werk. Los geht es mit „Afterneath“. Mit beiden Händen umklammert er den Mikrofonständer und schreit den Text heraus wie Robert Plant früher bei Led Zeppelin.
Paolo Nutini im Stadtpark Hamburg: Konzert wäre im Club besser aufgehoben gewesen
Die zweite Hälfte des Songs spricht er in ein rotes Telefon und zitiert dabei Sätze aus dem Film „True Romance“, eine blutige Liebesgeschichte nach einem Drehbuch von Quentin Tarantino. Mit „Lose It“, einer neuen Nummer mit einem verschleppten Beat geht es weiter. Nutini und seine sechs Musiker, darunter drei Gitarristen, kommen in Fahrt. Man hätte sich den Auftritt allerdings lieber in einem Club gewünscht und nicht im offenen Rund des Stadtparks. Nutinis Songs brauchen Intimität und Lautstärke gleichermaßen. Die ist jedoch aufgrund behördlicher Bestimmung bei Open-Air-Konzerten limitiert.
Ein wildes Lostanzen löst Nutini nicht aus, dafür sind seine Songs aber auch zu raffiniert und anspruchsvoll. Immer wieder gibt es ruhige Passagen und Lieder, die wie eine Ballade beginnen und erst dann Fahrt aufnehmen. Geliebt und gefeiert wird Nutini für seine extrem wandelbare Stimme.
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Bereits mit dem vorletzten Album „Caustic Love“ festigte er seinen Ruf als bester Rhythm & Blues-Sänger in Großbritannien. Seine Qualitäten zeigt er bei einer Ballade wie „Heart Filled Up“, dem minimalistisch interpretierten „Stranded Words“ und dem epischen „Take Me Take Mine“ gegen Ende des Konzerts. Er ist ein Romantiker, der aber auch weiß, wie ein guter Rocksong geht. „Petrified In Love“ ist dafür ein gutes Beispiel. Soul kann er auch, das zeigt er bei „Through The Echoes“.
Paolo Nutini im Hamburger Stadtpark: Intimster Moment bei der Zugabe
Nach 90 Minuten verabschiedet Nutini sich. Doch die Fans wollen mehr, und sie bekommen mehr. Zwei weitere Songs stehen als Zugabe auf der Setlist: Zuerst „Iron Sky“ vom Album „Caustic Love“, einem kritischen Song über den Zustand der Welt, und dann das aktuelle „Shine A Light“. Es fängt an wie eine 80er-Jahre-Synthi-Pop-Nummer im Stile von Depeche Mode und geht dann in einen harten Rockbeat über.
Doch das Stadtpark-Publikum hat immer noch nicht genug. Es bleibt und klatscht und klatscht und klatscht. Belohnt wird es von Nutini mit dem Song, der „Last Night In The Bittersweet“ beschließt: „Writer“ ist ein schöner Folksong, den er allein auf der großen Bühne singt. Und der zum intimsten Moment seines Konzertes wird.