Hamburg. WG-Atmosphäre, bewährte Emotionen und eine Bühneneinladung: Johannes Strate und Band begeistern 4000 Fans beim Hamburg-Heimspiel.
Später ist man immer schlauer: Vor einem Jahr sagte Revolverheld die Arena-Tournee mit 15 Shows im Frühjahr 2023 ab, weil nicht absehbar schien, ob Corona da noch mitspielt oder nicht. Der geplante Auftritt in der Barclays Arena im Februar fiel damit flach. Eine Entscheidung, die seinerzeit durchaus kritisiert wurde.
Eigentlich wäre aus heutiger Sicht eine Show in der Arena kein Problem gewesen, auch wenn Freunde der Band wie Max Giesinger bei ihren Auftritten dort finanziell einige Federn gelassen haben. Revolverheld-Sänger Johannes Strate war im März mit auf der Bühne und konnte die 4000 Fans im Saal für 12.000 zählen.
Revolverheld im Stadtpark: Lang ersehntes Comeback
4000 sind aber auch am Freitag bei Revolverheld im Stadtpark. Das heißt hier allerdings ausverkauft. Und doch ist es eine vergleichsweise übersichtliche Kulisse für Johannes Strate, Kristoffer Hünecke, Niels Kristian Hansen, Jakob Sinn, Arne Straube und ihren treuen Tourbassisten Chris Rodriguez.
Seit der Trabrennbahn 2015 standen sie bei ihren Heimspielen auf der ganz großen Bühne in der Barclays Arena, abgesehen von zwei pandemiegerechten Konzerten auf Steinwerder und einer exklusiven Clubshow 2018 im Mojo Club.
Auf dem Programm im Stadtpark stand Revolverheld allerdings seit 2008 nicht mehr. 15 Jahre, das ist ungewöhnlich lang für eine Hamburger Band, die vor dem erfolgreichen Debütalbum „Revolverheld“ 2005 eigentlich überall spielte, wo eine Steckdose zu finden war, im Logo zum Beispiel.
Revolverheld: Bewährte, zuverlässige Emotionsmaschine
In Winterhude können die Fans mal wieder ganz nah dran sein, entsprechend schnell waren die Karten weg. „Schön, mal wieder hier zu sein“, freut sich Johannes Strate über den „schönsten Tag des Jahres.“ Und nach tagelangem Dauerregen und Orkan scheint die Sonne über die Desperados.
„Den Himmel wieder blau mal’n, Leute, alles ist erlaubt, ich muss raus aus diesem Grau“, singt Strate beim Auftakt mit „Abreißen“, „alles nach Plan, ich bin immer startklar, auf mich ist Verlass.“
Live ist Revolverheld eine bewährte, zuverlässige Emotionsmaschine und liefert Gefühle, Gemeinschaft, Gewinne, Gewinne, Gewinne in Liedform. Der zweite Song „Keine Liebeslieder“ ist Etikettenschwindel, hier wird viel geliebt werden an diesem Abend.
Revolverheld schafft WG-Atmosphäre mit Einschränkung
Die Bühne ist für ein Stadtpark-Konzert mit einigem Kram vollgestellt: ein Bartresen, Blumen, hölzerne Monitorbox-Abdeckungen, Stehlampen, mehrere Videobildschirme. Rustikales „aus unserer WG-Küche“. „Das kann uns keiner nehmen“ und „Ich werd‘ die Welt verändern“ entfalten schnell ihre Wirkung auf das grüne Rund.
Leider sind aber die seitlichen PA-Boxen am Bühnenrand, die bei einigen Konzerten wie zum Beispiel bei den Hollywood Vampires den seitlichen Blick behinderten, auch hier wieder da. Strate schlittert aber gern vorne an der Grasnarbe zwischen den ausgestreckten Fanarmen und dem geziegelten Bühnenboden entlang oder läuft über eine Rampe zu den Fans.
Ein Revolverheld-Song feiert Hamburg-Premiere
„Wenn du jetzt hier wärst“ feiert Hamburg-Premiere, nachdem Strate vorher „Enter Sandman“ von Metallica andeutete. Interessanterweise wird Revolverheld von Google auch als Heavy Metal eingeordnet. Weiß der Teufel, warum. Wenn Revolverheld mal Songs gecovert hat, dann von Echt, Wir sind Helden oder Fanta4. „Wir sind ja schließlich nicht Metallica“: Das Songmotto der Kollegen von Jupiter Jones gilt auch für Revolverheld.
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„Die Bands deiner Jugend haben sich längst schon aufgelöst, und die anderen machen komischen Electro, Ich kann verstehen, dass du sauer bist“, singt Strate, und da muss man grinsen beim Blick auf die Programm-Plakate links und rechts von ihm: Nena, Deep Purple, Nile Rodgers & Chic gibt es offensichtlich noch. Und Tocotronic.
Johannes Strate lädt Fans in die „WG-Küche“
Auch Revolverheld gibt es genau genommen seit 2002. Ein Proberaum am Lattenkamp. Über 20 Jahre. Johannes, du bist in einer Band unserer Jugend! Er hört den Ruf nicht, weil er ein Dutzend Fans für ein Akustikset auf die Bühne in die „WG-Küche“ einlädt. Revolverheld hautnah im Schneidersitz zu erleben, das ist schon was.
20 Jahre, sechs Top-Ten-Alben (zuletzt 2021 „Neu erzählen“), da kommt einiges zusammen für die Liedauswahl. Die Revolverhelden präsentierten einen guten Querschnitt mit beliebten Klassikern wie „Spinner“ bis zu neueren Songs wie „Immer in Bewegung“.
Fans zieht es bei Laberrunde an die Bierstände
Ein bisschen Tanzen, ein wenig traurig mit dem Finger im Bierbecher herumrühren, die Jungs haben zwar nicht wie Die Ärzte für alle Lebenslagen ein Lied geschrieben, aber genug, dass aus einem Abend in Hamburg ein „Sommer in Schweden“ wird.
„Liebe auf Distanz“, hier in Winterhude funktioniert sie, mit wenigen Metern Abstand zu den ersten Reihen sowieso. Die Fans sind hingerissen, voll dabei, Teil der Show. Nur bei einer etwas zu langen Laberrunde mit Support Timo Scharf zeigt die Formkurve der 4000 etwas nach unten und der Umlauf und die Bierstände füllen sich. Zeit, das Tempo anzuziehen.
Revolverheld liefert einen traditionellen Schluss
Die besungene „Generation Rock“ geht vielleicht woanders hin, Revolverheld ist dann bis auf diesen Song doch eine im Vergleich gemütliche Popband. Aber eine, die weiß, was sie will. Und was das mit riesigen Luftballons spielende Publikum will.
Nehmen wir „Freunde bleiben“: Diese Zugabe, neben „Die Welt steht still“ eine der ersten erfolgreichen Singles vom ersten Album, wird in einer Single-Metropole der Generation Beziehungsunfähig wohl für immer zum Soundtrack des Alltags gehören: „Und scheiß auf Freunde bleiben“, kommt es aus 4000 Kehlen, bevor die Band den Abend nach zwei Stunden traditionell im Handy-Lichtermeer mit „Ich lass für dich das Licht an“ abschließt. Es ist noch hell, und es schneit Pollenbündel. Naturkonfetti.