Damon Albarn brillierte zuletzt solo in der Elbphilharmonie. Bock auf Blur hatte er dennoch: Nach acht Jahren gibt’s neue Songs.
„St. Charles Square“ haben die älter, viel älter gewordenen Blur-Buben in jüngerer Vergangenheit schon öfter live gespielt. Blur-Ultras kannten das Stück also schon, als es vor ein paar Wochen als zweite Single des jetzt erscheinenden neuen Blur-Albums „The Ballad of Darren“ veröffentlicht wurde.
Britpop-Veteranen haben so oder so Tränen in den Augen, wenn sie die charakteristischen disharmonischen Akkorde hören. Unverkennbar Blur, immer knapp an „schön“ und „wohlklingend“ vorbei.
Vor acht Jahren erschien (und davor war sogar zwölf Jahre Pause) das bis dato letzte Album der Band um Damon Albarn, „The Magic Whip“. Man hat wohl recht mit der Annahme, dass heute noch weniger Leute als damals wirklich ganz dringend auf eine neue Blur-Platte gewartet haben. Sieht man mal von den fast 200.000 Leuten ab, die vergangene Woche zu zwei Wembley-Auftritten strömten – England ist eine crazy Popnation.
Neues Blur-Album: Band-Chef Albarn spielte zuletzt in der Elbphiharmonie
Aktiv war ja gerade der manische Arbeiter Albarn in den vergangenen Jahrzehnten wirklich immer. Sein letztes, sphärisch-experimentelles Solo-Album „The Nearer the Fountain, More Pure the Stream Flows“ stellte er Anfang 2022 in der Elbphilharmonie vor – es war ein Triumph. Was die Getragenheit angeht, hat „The Ballad of Darren“ deutliche Bezüge zu jenem Werk.
Streicher, Chorgesänge – auf Songs wie „Russian Strings“, „The Everglades“, „Far Away Island“ und „Avalon“ lässt Graham Coxon seine Gitarre schwelgen, als wäre im Himmel Nostalgie-Jahrmarkt.
- Foo Fighters, Noel Gallagher – muss das echt so träge sein?
- „The Idol“ mit Schauspieler The Weeknd- Kann der das?
- Philipp Poisel in Hamburg- „Wie Hochwasser geht, wisst ihr“
Man muss dieses Album „friedvoll“ nennen und denkt an die früheren Suchtprobleme von Albarn und Coxon. Es ist durchaus anrührend, das Quartett nach vielen Extra-Wegen – Bassist Alex James hat Käse auf seinem Bauernhof gemacht, der Rest der Band Musik – wieder zusammen zu sehen. Fand wohl auch Albarn selbst: In Wembley, wird berichtet, flossen einmal Tränen auf der Bühne.
Man hat viel gemeinsame Geschichte hinter sich, aber lange nichts voneinander gehört. In „The Heights“ singt der erklärte Goethe-Fan: „Seeing through the coma in our lives/Something so bright out there, you can’t even see it/Are we running out of time?/Something so momentary that you can’t even feel it“. Alles ist vergänglich, auch der Ruhm?
Damon Albarn eilte mit den Gorillaz von Hit zu Hit
Beim Frontmann sicher nicht: Mit seiner Fun-Guerilla Gorillaz hat Albarn in einem Vierteljahrhundert viele Hits produziert. Aber Blur scheint er dennoch zu brauchen. Vielleicht auch einfach, um in Würde zu altern, dafür ist der barocke Rotwein-Pop, den schon länger auch die Arctic Monkeys machen, wie geschaffen.
Die grüblerische Lead-Single „The Narcissist“ ist, das sei unverhohlen gesagt, der mit Abstand beste Song auf „The Ballad of Darren“ und zeigt eine Band, die bei der Britpop-Mania in der Front Row stand, aber gegen Noel Gallagher und die Seinen letztlich nicht anstinken konnte, auf einer späten Höhe ihres Könnens.
Aber die Frage, ob ihr manchmal zu behaglich schaukelndes Album „The Ballad of Darren“ wirklich gut genug ist, damit der alte Riese Blur wieder auf der Bildfläche erscheinen darf, muss man im Zweifel klar mit Ja beantworten.
„Looked in the mirror/So many people standing there/I walked towards them/Into the floodlights“, heißt es in „The Narcissist“. Sei ihnen gegönnt. Solange Damon Albarns Melancholie noch über allen Dingen schwebt, ist ein Platz für die große britische Band Blur in dieser Welt.