Das Hamburg Ballett ist auf Japan-Tournee. Die Erste Solistin und „Kleine Meerjungfrau“ Silvia Azzoni sowie ihr „Prinz“, der Erste Solist Carsten Jung, berichten auf abendblatt.de von ihren Erlebnissen. Dazu gehören nicht nur Ballett-Trainings und tanzverrückte Japaner, sondern auch ihre Beobachtungen über Lifestyle und Kultur: Modetrends der Manga-Jugend, Folgen von Sushi-Orgien oder das „Lost in Translation“-Feeling so weit von Hamburg.

Silvia Azzoni schreibt:

"Japan, das ist für mich inzwischen wie ein zweites Zuhause. Ich war so oft in Tokio, dass ich mir schon eine Routine von Dingen angewöhnt habe, die ich immer wieder machen muss: Und so waren Alexandre (Riabko) und ich gestern auch als erstes meine Lieblingsnudeln essen: Udon dicke japanische Reisnudeln, einfach köstlich, auch für eine Italienerin. Das Restaurant lag im Szene-Viertel Shibuya. Dort spürt man am besten, was für ein aufregender Moloch Tokio ist 35 Millionen Einwohner in der Metropolregion, das muss man sich mal vorstellen! Natürlich waren wir auch ein bisschen bummeln; hier gibt es so tolle Sachen. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich aber noch nie etwas gekauft. Das Angebot ist so überwältigend, das überfordert mich einfach!

Meine Muskeln merken, dass ich zwei Tage nicht trainiert habe. Vom Flug sind sie ganz steif und verspannt, da ist es gut, dass unser Trainingssaal hier so warm ist, so werden Muskeln und Gelenke schneller wieder flexibel. Heute proben wir den ganzen Tag lang, erst die "Kleine Meerjungfrau", dann "Kameliendame". Das heißt für mich volle Aufmerksamkeit, denn in beiden Balletten tanze ich die Hauptrollen. Da ist es ein Glück, dass ich heute Nacht geschlafen habe. Einmal hatte ich solche Schwierigkeiten mit dem Jet-Lag, dass ich eine ganze Woche kein Auge zugekriegt habe. Das war schrecklich, denn zum Tanzen braucht man einen wachen Körper!"

Carsten Jung berichtet:

"Japan ist für mich eine andere Welt. Nicht nur, dass die Kultur hier so ganz verschieden ist von unserer, mein ganzes Leben ändert sich für die Zeit, die ich mit der Compagnie zusammen auf Tournee bin. In Hamburg habe ich meine beiden Töchter und meine Frau Elisabeth (Loscavio). Wir leben ein echtes Familienleben. Natürlich vermisse ich die drei sehr, es ist schließlich das erste Mal, das ich so lange von zuhause weg bin, seit die beiden Mädchen da sind. Deshalb habe ich auch gestern als erstes ein Internetcafe gesucht, in dem ich mit zuhause skypen kann. Das hatte ich schon im Jahr 2005 so gemacht, als ich das letzte Mal in Japan war, damals war Elisabeth hochschwanger keine Situation, in der man so weit weg sein möchte.

Wie in jedem Jahr habe ich mich im Supermarkt neben unserem Hotel mit ordentlich Proviant versorgt der Laden ist schon legendär beim Hamburg Ballett. Dank unserer Einkäufe sparen wir uns die Suche nach einem Frühstückslokal vor dem Morgentraining (das jeden Tag um 10 Uhr beginnt, auch auf Tournee). Die Proben auf Gastspiel sind immer ganz besonders. Die ganze Compagnie ist versammelt, nicht nur einige, wie meistens in Hamburg, weil wir dort so viele Parallelproben haben. Vor allem aber ist John Neumeier dabei. Er nutzt die Zeit hier, um die Details der Stücke mit uns durchzugehen und kleine Fehler, die sich im Laufe des Repertoire-Durchlaufs eingeschlichen haben, in Ruhe zu korrigieren. Wir alle nehmen uns auf Tournee viel mehr Zeit, das finde ich total wichtig."