Hamburg. Von den Tanzenden Türmen ins BORX: Die neue Zentrale des Baukonzerns Strabag in Hamburg überrascht. Wo der innovative Neubau entsteht.
Wenn es draußen so richtig kalt und ungemütlich wird, sehnen sich die meisten Menschen nach einem warmen, behaglichen Ort. Den Begriff „Eisspeicher“ verbinden sie dagegen wohl mit dem genauen Gegenteil. Doch genau so ein Eisspeicher soll bald die Wärme liefern, damit die 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Baukonzerns Strabag in ihrer neuen Hamburg-Zentrale auch im Winter nicht frieren müssen.
„BORX“ nennt der Konzern sein Projekt, das unweit des Berliner Tors an der Grenze der Stadtteile Borgfelde und Hammerbrook entsteht, nur durch die Bahngleise von Hadi Teheranis berühmtem Berliner Bogen getrennt. 24.000 Quadratmeter Bürofläche, verteilt auf drei miteinander verbundene Gebäude, errichtet Strabag Real Estate dort, die Immobilientochter eines der größten Baukonzerne Europas.
Strabag Hamburg: Wie ein Eisspeicher Wärme für mehr als 800 Menschen erzeugt
Im Frühjahr 2026 soll die noch in den Tanzenden Türmen ansässige Konzernzentrale für Hamburg und Schleswig-Holstein dorthin umziehen und rund 80 Prozent der gesamten Fläche belegen. „Die weiteren Flächen für Büro, Gewerbe und Gastronomie sind aktuell in der Vermarktung“, sagte Ulrica Schwarz, Bereichsleiterin bei Strabag Real Estate Hamburg, am Donnerstag bei einem Rundgang über die Baustelle.
Strabag wirbt für seinen Neubau an der Normannenstraße mit „flexiblen Nutzflächen und Grundrissen“, einer belebten Erdgeschosszone mit drei Innenhöfen und öffentlich zugänglichen Gastronomieangeboten. Der Clou des Projekts ist aber, auf welche Art der Anspruch, „höchste Standards in puncto Nachhaltigkeit“ setzen zu wollen, umgesetzt wird.
Zwölf Kilometer Leitung durchziehen den Eisspeicher
Im Zentrum steht dabei besagter Eisspeicher, wobei er optisch von außen nicht viel hermacht: Kreuz und quer muss man sich den Weg durch den BORX-Rohbau bahnen bis zu einem kleinen Holzverschlag in der hintersten Ecke des Baufelds. Dort geht es, an Gurten gesichert, eine steile Leiter sechs Meter hinunter in einen mehr als 500 Kubikmeter großen Raum mit kahlen Wänden aus wasserundurchlässigem Beton.
Dieser unterirdische Speicher ist fast vollständig ausgefüllt mit rund fünf Zentimeter starken PE-Rohren (PE steht für Polyethylen), die sich auf insgesamt zwölf Kilometer Länge an einer leichten Alu-Konstruktion durch den Raum winden – so wirkt das Ganze optisch wie ein überdimensionierter Tauchsieder.
Eisspeicher Hamburg: Technik eignet sich auch zum Kühlen
Technisch funktioniert es umgekehrt: Im Betrieb wird die Zisterne vollständig mit Leitungswasser gefüllt und durch die Rohre wird eine Soleflüssigkeit geleitet, die dem Wasser Wärme entzieht. Diese wird von einer Wärmepumpe genutzt, um die BORX-Gebäude über ihre Betonkerne zu beheizen.
Und woher kommt nun der Name Eisspeicher? Ganz einfach: Durch den Wärmeentzug gefriere das Wasser langsam und rund um die Rohre bilde sich ein Eispanzer, der im Laufe des Winters den kompletten Raum einnehme, erklärte Stefan Fiddicke, bei Strabag Leiter des Bereichs Haustechnik. Dabei würden große Mengen Kristallisationsenergie freigesetzt: „Wenn ein Liter Wasser gefriert, wird dabei die Menge an Energie frei, die es benötigen würde, dieses Wasser von null auf 80 Grad zu erhitzen“, so Fiddicke.
Eisspeicher: Energiewende lässt Nachfrage bundesweit steigen
Im Sommer wird das Prinzip umgedreht: Dann kann der Eisspeicher genutzt werden, um die Gebäude zu kühlen, wodurch das Eis langsam wieder schmilzt. „Auf diese Weise steht unseren Mietern und Mieterinnen eine umweltfreundliche Temperierung zu langfristig kalkulierbaren und attraktiven Konditionen zur Verfügung“, sagte Ulrica Schwarz.
Nach Angaben von Alexander v. Rohr, dessen Firma Caldoa aus Friedrichshafen den Eisspeicher samt Technologie konzipiert und errichtet hat, gibt es bundesweit bereits mehrere Hundert solcher Anlagen, von kleinen für Einfamilienhäusern bis hin zu rund 150 großen Eisspeichern mit bis zu 2000 Kubikmetern Fassungsvermögen. Die Nachfrage nehme im Zuge der Energiewende stark zu.
Wie ein Eisspeicher Wärme für mehr als 800 Menschen erzeugt
In Hamburg sind nach Angaben der Umweltbehörde rund 20 Eisspeicher im Einsatz – den wohl bekanntesten und größten betreibt der Eisenbahnbauverein Harburg, der darüber fast 500 Wohnungen in Wilstorf schon seit zehn Jahren mit Wärme versorgt. Diese Anlage zeige eine weitere Stärke der Technologie, so die Behörde: „Eine Eisspeicherheizung eignet sich auch, um flexibel auf Schwankungen im Stromnetz zu reagieren.“
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Sei das Angebot an Wind- oder Solarstrom im Netz sehr hoch und der Preis an der Strombörse niedrig, nutze ihn die Anlage, um mit Heizstäben das Wasser im Speicher zu erwärmen. „Mit Eis zu heizen und zu kühlen, ist besonders effizient“, wirbt die Umweltbehörde. Zudem sei es klimafreundlich. Hamburg fördere diese Anlagen daher.
Solche wirtschaftlichen Abwägungen hätten durchaus eine Rolle gespielt bei der Entscheidung, den Neubau über einen Eisspeicher zu beheizen, sagte Ulrica Schwarz. Eine anderer sei, dass man Erkenntnisse gewinnen wolle, wie diese Technologie bei so großen Bürogebäuden funktioniere. Sorge, dass es in ihren neuen Büros zu kalt sein könnte, müssen sich die Strabag-Mitarbeiter aber so oder so nicht machen: Falls der Eisspeicher nicht ausreichend Energie liefert, kann das BORX auch mit Fernwärme beheizt werden.