Harburg. Fünf Jahrzehnte Eisenbahn-Bauverein: Wilstorfer versorgte unzählige Harburger mit Wohnungen. Und ließ den weltgrößten Eisspeicher bauen.

In Harburg kennt man Joachim Bode eigentlich nur als „Chef vom Eisenbahner“, obwohl er nie bei der Bahn und erst recht nicht Bahndirektor war. Trotzdem haben die Harburger recht: 30 Jahre lang war der Wilstorfer hauptamtlicher Vorstand des Eisenbahn-Bauvereins Harburg (EBV), ein langes Wortkonstrukt, das oft nur „Eisenbahner“ abgekürzt wird. Davor war er schon 13 Jahre Geschäftsstellenleiter. Am Dienstag hat er den letzten Geschäftsbericht abgegeben. Seitdem ist er Rentner.

Die Geschäftsstelle in Wilstorf glich damals eher einem Büromuseum

Für ganz betagte Baugenossen ist der 68-jährige Joachim Bode trotzdem immer noch „der junge Mann“, der 1975, kurz vor Ostern, bei der Baugenossenschaft anfing. Joachim Bode war 19, friedens- und umweltbewegt und hatte eigentlich Industriekaufmann gelernt. „In der ersten Bewerbungsrunde fiel ich durch, weil ich nicht bei der Bundeswehr gewesen war“, erinnert er sich. „Aber irgendwie muss ich sie überzeugt haben. Im zweiten Anlauf wurde ich genommen.“

Die Geschäftsstelle glich damals eher einem Büroarbeitsmuseum: Durchschlagpapier, Lochkartencomputer und andere Arbeitsmittel, die jüngere Leser bereits googeln müssen, bestimmten den Arbeitsalltag. Telefoniert wurde vielleicht intern. „Nach draußen“ gab es nur zwei Leitungen. Damit nicht genug: Der „junge Mann“ musste sich zu Anfang durch einen Berg von liegengebliebenen Unterlagen arbeiten und schaffte erst mal 20 Ordner an.

„Investitionen in die ökologische Nachhaltigkeit des Bestandes sind notwendig.“

Joachim Bode
Langjähriger EBV-Vorstand

Beim EBV erkannte man sein Talent und ließ Bode an mehreren Fortbildungen teilzunehmen. Relativ schnell machte er den Abschluss zum Immobilienfachwirt, kurz darauf folgte die Ausbildung zum Lohnbuchhalter. „Der EBV war froh, dass ich Lust dazu hatte, und mir hat das Lernen Spaß gemacht. Ich habe den Lernstoff aufgesogen wie ein Schwamm“, erinnert sich Bode.

1981 wurde Joachim Bode Geschäftsstellenleiter und musste seinen ersten Jahresabschluss anfertigen. Der EBV konnte daraufhin eine Vertreterversammlung erstmalig satzungsgerecht im Mai des Folgejahres abhalten. Anscheinend machte der junge Mann den Job gut, denn 1994 wurde er zum hauptamtlichen Vorstand, übersetzt: zum Geschäftsführer, berufen, damals noch unterstützt von den zwei ehrenamtlichen Vorständen.

Aufsehen erregte 2014 der Bau des seinerzeit weltweit größten Eisspeichers

Unter Joachim Bode wurde der Eisenbahnbauverein zu einem Pionier der nachhaltigen Wohnungswirtschaft: 1994 wurde das erste Blockheizkraftwerk installiert; 1995 die erste Photovoltaikanlage. Inzwischen sind es 30. „Wir gingen ab 1996 systematisch vor“, sagt Bode. „Wenn ein Haus gedämmt wurde und das Dach die richtige Ausrichtung hatte, wurde Photovoltaik installiert. So fielen keine zusätzlichen Gerüstkosten an.“

Die erste Brennstoffzelle Europas stand 1999 beim EBV, ein Projekt mit Hein Gas, für das der Bauverein den Platz zur Verfügung stellte. Aufsehen erregte 2014 der Bau des seinerzeit weltweit größten Eisspeichers in Wilstorf für fast 500 Wohnungen. Mit Wärme aus Abwasser zu heizen, weckte 2009 viel Aufmerksamkeit.

Die Genossenschaft plant weitere Investitionen auf dem Weg zur Klimaneutralität

Der EBV wurde in Folge für den deutschen Umweltpreis nominiert. Joachim Bode ist heute noch stolz darauf, auch wenn die Harburger Genossenschaft nicht gewann. Dafür gewann man später den Hamburger Solarpreis und den Signal Iduna Umwelt- und Gesundheitspreis. Auch die Aufnahme in den Ausstellungszug „Train of Ideas“ freute den Bauverein.

Das Wohngebiet an Roseggerstraße, Metzenberg, Tilemannhöhe aus den 1950er Jahren wird seit 10 Jahren mit einem Eisspeicher beheizt. Gut die Hälfte der vorherigen Heizkosten werden gespart
Das Wohngebiet an Roseggerstraße, Metzenberg, Tilemannhöhe aus den 1950er Jahren wird seit 10 Jahren mit einem Eisspeicher beheizt. Gut die Hälfte der vorherigen Heizkosten werden gespart © HA

Mit Joachim Bodes Abschied in den Ruhestand ist die ökologische Vorreiterrolle des EBV nicht vorbei. Die Genossenschaft plant schon weitere Blockheizwerke, denkt an einen zweiten Eisspeicher und mangels Anschluss an das Hamburger Fernwärmenetz eigene kleine Nahwärmenetze sowie ein größeres Nahwärmenetz in Kooperation mit einem anderen Wohnungsbauunternehmen.

„Solche Investitionen sind notwendig, weil Umweltauflagen und Vorgaben zur CO₂-Einsparung vor alten Häusern nicht Halt machen. Außerdem müssen wir Erträge in den Bestand investieren, denn bei Baukosten von gegenwärtig über 5000 Euro pro Quadratmeter, ohne den Grunderwerb einzurechnen, kann man aus den Erträgen und mit dem Geld der Mitglieder keine neuen Wohnungen bauen.“

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Das allerdings müssen Bodes Nachfolger weiterdenken. Auf ihn folgt eine Doppelspitze: Heike Mönning und Christian Sachse, Bauingenieurin und Immobilienkaufmann. Sie sind bereits seit Januar im Amt und Joachim Bode übergab Knowhow, Verantwortung und 3250 Wohnungen ein Dreivierteljahr lang.

Jetzt will Joachim Bode verpasste Reisen nachholen. Zum Jahresende geht es erst einmal nach Neuseeland. Außerdem ist er als Ehemann, Vater und Opa gefragt und Aufsichtsrat m Ohnsorg-Theater ist Joachim Bode ja auch immer noch.