Hamburg. Räumungsverkauf bei Clic, Zukunftsangst bei Der Wäscherei und Schließungen kleiner Läden in Hamburg. Es gibt aber auch Gewinner.

Es ist der tiefe Fall nach einem Höhenflug. Nach rasant gestiegenen Verkaufszahlen während der Corona-Pandemie ist die Möbelbranche in der Krise. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt sich quer durch die Republik in Ladenschließungen, Insolvenzen und Übernahmen. Gerade erst hat die bayerische Möbelhauskette Opti-Wohnwelt mit Filialen auch in Norddeutschland Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. In Hamburg verschwinden ebenfalls eine Reihe bekannter Einrichter oder sind schon Vergangenheit.

Es ist in gewaltiger Konzentrationsprozess in Gang. Möbel Schulenburg ist jetzt XXXLutz Schulenburg mit Filialen in Halstenbek und Wentorf. Möbel Scharbau an der Dehnhaide hat nach 135 Jahren die Türen für immer geschlossen. Giesen am Ballindamm macht Räumungsverkauf, genau wie Hans-Otto Beute auf der Uhlenhorst. Einrichter Ulrich Stein, zuletzt am Alten Wall, ist insolvent. Auch Die Wäscherei und Clic – zwei Unternehmen, die weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind – mussten wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden.

Möbelhandel in Hamburg in dramatischer Lage: „So eine Krise gab‘s noch nie“

In den Räumen von Clic in den Stadthöfen in der Hamburger City, wo Inhaber Alexander Raab erst vor zwei Jahren aus dem angestammten Sitz im Stilwerk unweit des Fischmarkts eingezogen war, läuft der Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe. Es fand sich trotz jahrzehntelangen Renommees kein Käufer für das Fachgeschäft. Aktuell werden dort hochwertige Möbel, Betten, Teppiche und Accessoires mit Rabatten von bis zu 66 Prozent offeriert.

„Eine solche Krise gab es noch nie in der Branche, sowohl was die Dauer als auch was die Intensität betrifft“, sagt Aktionsverkaufsexperte Rüdiger Ehlers, der seit Ende Juni den Abverkauf im Auftrag des Insolvenzverwalters steuert. Seine Befürchtung: „Inhabergeführte Möbelgeschäfte sterben aus.“

Seit Ende Juni läuft der Räumungsverkauf beim insolventen Inneneinrichter Clic, weil sich kein Käufer gefunden hat.
Seit Ende Juni läuft der Räumungsverkauf beim insolventen Inneneinrichter Clic, weil sich kein Käufer gefunden hat. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Der Niedersachse hat sich nach dem Aus seines eigenen Möbelhandels vor 19 Jahren auf die Beratung und Liquidierung von Einrichtungsgeschäften spezialisiert und ist die nächsten Monate komplett ausgebucht. „Nach dem Hoch während der Corona-Pandemie kommt jetzt der tiefe Fall“, sagt der 69-Jährige zur Konsumzurückhaltung der Kunden. Damals hätten sich viele Deutsche neu eingerichtet. „Jetzt geht das Geld vor allem ins Reisen.“

Zahl der Möbelgeschäfte in Hamburg sinkt

Die Statistik belegt die Entwicklung. In Hamburg ist Zahl der Möbelfachgeschäfte schon seit Jahren rückläufig. Ende 2023 waren es nach Angaben der Handelskammer 347 – das sind 20 weniger als im Jahr davor. 2013 gab es noch 457 Firmen in der Hansestadt, die Möbel verkauft haben. Bundesweit liegt die Zahl bei etwa 8500 Möbeleinzelhändlern. Beim Handelsverband Möbel und Küchen ist die Stimmung nicht die beste. „In den letzten Monaten wurde unsere Branche von vielen Insolvenzen und Geschäftsaufgaben belastet“, hatte Verbandspräsident Markus Meyer Ende vergangenen Jahres gesagt.

Nach einem guten Jahr 2022 mit fast zehn Prozent Umsatzwachstum, hat die Branche 2023 – trotz deutlicher Preissteigerungen – 3,6 Prozent verloren und erwirtschaftete 22,6 Milliarden Euro. Für 2024 ist der Verbandschef vorsichtig optimistisch. Aber es müssten schon alle Parameter stimmen, damit die Branche in diesem Jahr mit einer leichten Verbesserung abschließen könne, sagt er.

Krisengründe: Marktsättigung, Ausgabenverschiebung, steigende Preise

Die Marktexperten des Marktforschungsinstituts IFH Köln und der BBE Handelsberatung sind deutlich konservativer in ihrer Einschätzung. Marktsättigung, Ausgabenverschiebung und steigende Preise, so fasst der „Branchenbericht Möbel“ die Gründe für den Einbruch 2023 zusammen. Hinzu kommt aus Sicht der Marktexperten: Möbel werden durch höhere Produktionskosten rund um Rohstoffe, Energie und Transport immer teurer. Ein durchschnittliches Möbelstück kostet heute etwa 20 Prozent mehr als 2020.

Mehr Wirtschaftsthemen

Auch für dieses und nächstes Jahr prognostizieren sie eine negative Umsatzentwicklung. Die negativen Konjunkturaussichten werden auch den Möbelhandel beeinflussen, heißt es im Branchenbericht. Erwartet wird demnach ein weiteres nominales Umsatzminus von 2,6 Prozent in der mittleren Prognosevariante. Erst 2026 sei ein leichtes Marktwachstum zu erwarten.

Philipp Hoog, Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter Strategieberatung bei BBE Handelsberatung, sagt: „Für den Möbelhandel gilt es jetzt, sinkende Flächenproduktivitäten durch gezielte Frequenzerhöhung und -abschöpfung zu kompensieren und so wichtige Deckungsbeiträge zu sichern.“

Ikea, Jysk, XXXLutz, Otto steigern Umsätze

Tatsächlich trifft es in der Branche, in der die großen Filialisten knapp 40 Prozent des Marktvolumens ausmachen, eher die kleineren Läden. Ikea dagegen fuhr 2023 hierzulande gegen den Trend mehr als 13 Prozent Umsatzgewinne ein und meldete einen Rekord von über 80 Millionen Besuchern. Genau wie der dänische Konkurrent Jysk (ehemals Dänisches Bettenlager), der die Erlöse um mehr als fünf Prozent im Geschäftsjahr 2022/23 steigern konnte, oder XXXLutz ebenfalls mit einem Umsatzplus, hatte der schwedische Möbelgigant zum Jahresbeginn deutlich an der Preisschraube gedreht. Das können viele andere nicht.

Deutschlandchef Christian Schirmer steht in der Rahlstedter Filiale des dänischen Möbelhändlers Jysk, ehemals Dänisches Bettenlager.
Deutschlandchef Christian Schirmer steht in der Rahlstedter Filiale des dänischen Möbelhändlers Jysk, ehemals Dänisches Bettenlager. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Die Möbelbranche profitiert aktuell noch von den konsequenten Preiserhöhungen der vergangenen Jahre. Einzelne Marktteilnehmer haben zudem hohe Entwicklungsambitionen und fokussieren konkrete Marktanteilsgewinne, was aktuell auch deutlich zu beobachten ist“, kommentiert Handelsexperte Hoog diese Entwicklung.

Auch beim Hamburger Online-Händler Otto sieht es für dieses Jahr wieder besser aus. „Bei Otto verzeichnen wir weiterhin ein deutlich zweistelliges Wachstum im Home-&-Living-Sortiment. Dieser Trend hat sich in den vergangenen vier Monaten sogar noch einmal verstärkt“, sagt Holger Schill, Division Manager Furniture. Besonders stark nachgefragt seien Kleiderschränke und Sofas. Auch im Bereich Küchen sieht der Otto-Manager ein deutliches Wachstum im Vergleich zum Vorjahr.