Hamburg. Einrichtungshaus ist für hochwertige Möbel und passgenaue Tischlerarbeiten bekannt. Jetzt startet der Räumungsverkauf. Die Gründe.

Die knallig roten Schilder im Schaufenster sind nicht zu übersehen. „Geschäftsaufgabe“ steht da. „Wir schließen!“ Gerade erst vor einigen Tagen hat Frank Scheppmann sie aufhängen lassen. Drinnen in seinem Möbelhaus hat er jetzt den Räumungsverkauf gestartet. Überall in der Ausstellung baumeln Plakate, die hohe Rabatte versprechen: Sofas, Sessel, Tische, Stühle und Betten – „alles muss raus“. Es ist der Anfang vom Ende des nächsten Traditionsbetriebs in Hamburg: Möbel Scharbau schließt nach 145 Jahren.

Frank Scheppmann ist Möbelhändler aus Leidenschaft. Vor 15 Jahren hatte der ehemalige Angestellte das Unternehmen von der Gründerfamilie übernommen. Außer dem Einrichtungsgeschäft mit dem größten Studio des Möbelherstellers Hülsta gehört eine Tischlerei mit mehreren Fachkräften dazu, die für individuelle Einbauten sorgen. Scharbau an der Dehnhaide in Barmbek ist ein Name in der Stadt. Trotzdem muss Scheppmann jetzt aufgeben.

Hamburg-Barmbek: Traditionsfirma schließt nach 145 Jahren

„Es ist bitter, sehr bitter. Eine Ära geht zu Ende“, sagt der 64-Jährige. „Aber wirschaftlich lohnt es sich nicht mehr.“ Nachdem die Möbelbranche während der Corona-Pandemie, als man weder reisen noch ausgehen konnte, hohe Zuwächse verzeichnete und Menschen in ihre Wohnungseinrichtung investierten, gehen die Verkaufszahlen inzwischen deutlich zurück. Die aktuellen Weltkrisen mit Kriegen in der Ukraine und Gefahrenpotenzial in Nahost, der Angst vor steigender Inflation mit höheren Energiepreisen und Zinssteigerungen spürt der Einzelhandel sehr direkt.

Das ist auch bei Möbel Scharbau so. „Die Leute halten das Geld zusammen, vor allem im hochwertigen Segment ist das Kaufverhalten rückläufig“, sagt Scheppmann. Auf 30 Prozent beziffert er das Umsatzminus, landet damit unterhalb der Zahlen der Vor-Corona-Zeit. Vor allem in der Woche kämen kaum noch Kunden ins Geschäft an der Dehnhaide, das zwischen einem Pumpencenter und einem Sicherheitsdienst ein bisschen abseits liegt.

Fehlende Mitarbeiter: Tischlerei Scharbau schon Ende 2023 dicht

„Bevor ich richtig in der Krise lande, gebe ich das Unternehmen jetzt lieber auf“, erklärt der Unternehmer seinen Entschluss, den er schon Ende vergangenen Jahres gefasst hatte. Dazu kommt: Eine Nachfolge-Lösung habe sich nicht gefunden. Auch die Suche nach Fachkräften für die Tischlerei werde zunehmend schwieriger. Ende des Jahres geht ein Tischler nach mehr als 40 Jahren im Betrieb in den Ruhestand. „Damit ist dann in der Tischlerei Schluss“, sagt der Scharbau-Chef. Der Mietvertrag für den Laden läuft noch bis zum Frühjahr 2024. „Aber wenn alles verkauft, ist vorher Schluss.“ Eine weitere Schwierigkeit, die für Unruhe sorgt: Partnerunternehmen Hülsta befindet sich in einem Insolvenzverfahren.

Anfang Oktober hatte Scheppmann als Erstes die Stammkunden per Brief über das Ende des Einrichtungshauses informiert und erste Rabatte angekündigt. Seitdem ist wieder deutlich mehr Betrieb. Kunden schlendern durch die labyrinthartige Ausstellungsfläche mit 3000 Quadratmetern, die sich über mehrere Stockwerke und Zwischengeschosse erstreckt. Und sie kaufen. Ein roter Teppich gibt den Laufweg zwischen Sofa-Garnituren und Clubsesselchen, Esstischen und Sideboards, Boxspringbetten, Einbauschränken und Matrazenstudio vor. Nur Küchen führt Scheppmann nicht.

Hamburg-Barmbek: Räumungsverkauf mit Möbeln auf 3000 Quadratmetern

„Unser Hauptgeschäft sind Hülsta-Möbel“, sagt er. Aber auch das Angebot von Einrichter Rolf Benz hat ein eigenes Studio bei ihm. Zwischen dem Standardangebot stehen immer wieder besondere Einzelstücke. Der Möbelhändler, selbst gelernter Tischler mit abgeschlossenem Betriebswirtschaftsstudium, ist seit Jahrzehnten Einrichtungsberater, kennt die Branche aus dem Effeff, arbeitet auch mit kleinen Betrieben und Manufakturen zusammen. Wie viele Möbelstücke in dem Laden stehen? Achselzucken. „Da steckt fast eine Million Euro drin“, sagt er.

Jetzt sind die vielen Preisschilder schon mit deutlichen Rabatten ausgezeichnet. Ein großes Sofa mit Ottomane und Platz für die ganze Familie von Hülsta etwa kostet mit Preisnachlass von mehr als 1300 Euro jetzt noch 4121 Euro. „Stammkunden bekommen noch mal zehn Prozent drauf“, sagt Scheppmann. Teilweise lägen die Rabatte bei bis zu 80 Prozent auf Ausstellungsstücke.

Tischerlei Scharbau belieferte schon das Hamburger Tropeninstitut

Als das Unternehmen vor 145 Jahren gegründet wurde, lief das Geschäft mit Möbeln noch ganz anders. In den Büros des Einrichtungshauses hängen Urkunden und alte Schwarz-Weiß-Fotos, die von der Geschichte der Unternehmerfamilie Scharbau erzählen. Tischlermeister Wilhelm Scharbau hatte den Betrieb am 15. September 1878 in Barmbek eröffnet. 1901 begann der Großhandel mit Möbeln. Neben eigenen Anfertigungen wurden schon damals Serienmöbel namhafter Werke in großen Stückzahlen geliefert. Zu den Kunden gehörten Krankenhäuser, Kinderheime und das Hamburger Tropeninstitut.

So sah der Betrieb in der Tischlerei Scharbau im Jahr 1927 aus (Repro).
So sah der Betrieb in der Tischlerei Scharbau im Jahr 1927 aus (Repro). © Hanna-Lotte Miktuteit | Hanna-Lotte Miktuteit

1943 wurde die Firma bei Bombenangriffen während des Zweiten Weltkriegs vollständig zerstört. Nach dem Wiederaufbau lag das Kerngeschäft erst einmal auf der Tischler- und Bautischlerei. Nach einem Generationswechsel begann in den 1960er-Jahren die Partnerschaft mit dem nordrhein-westfälischen Möbelhersteller Hülsta. Anders als bei anderen Einrichtungshäusern wurde die Tischlerei weiterbetrieben. Das Fachpersonal baut bis heute nicht nur Türen und Schränke passgenau auf und ein, sondern erledigt komplette Innenausbauten und bietet einen Umzugsservice. Scheppmann, der das Unternehmen 2008 übernommen hatte, nachdem es keine Nachfolge in der Familie gegeben hatte, beschäftigt aktuell sechs Tischler - vor allem in der Auslieferung - sowie sechs Einrichtungsberater. Früher waren es mal 20 Mitarbeiter.

Mehr zum Thema

Die Branche steht unter Druck. Vor allem kleine Möbelhändler geben auf oder verkaufen. Der Konzentration der großen Ketten nimmt drastisch zu. Erst Ende September hatte der österreische Möbelriese XXXLutz das norddeutsche Unternehmen Schulenburg zu 100 Prozent geschluckt. Zwar war der Gesamtumsatz mit Möbeln 2022 auf 37,32 Milliarden Euro gestiegen und hatte für ein Plus von 3,9 Prozent gesorgt. Damit lag die Branche nach Angaben des Marktforschungsinstituts EHI Retail Institute allerdings unter dem Niveau des gesamten Einzelhandels, der laut Statistischem Bundesamt ein nominales Plus von 7,8 Prozent erzielen konnte. Schon zum Jahresende 2022 habe sich der Trend zu einer steigenden Anzahl an Firmeninsolvenzen verfestigt, hieß es.

Frank Scheppmann hat den Räumungsverkauf bei Möbel Scharbau in Barmbek gestartet. Im Frühjahr 2024 schließt er sein Geschäft.
Frank Scheppmann hat den Räumungsverkauf bei Möbel Scharbau in Barmbek gestartet. Im Frühjahr 2024 schließt er sein Geschäft. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

So weit wollte Scharbau-Chef Frank Scheppmann es nicht kommen lassen. Auch wenn ihm der Schritt, das Unternehmen aufzugeben, schwer gefallen ist. „Irgendwann gibt es nur noch die großen Möbelhäuser“, sagt er . „Die kleineren Geschäfte mit individuellem Anfertigungen und Service verschwinden.“

Möbel Scharbau: Inhaber berät künftig andere Einrichter

Klar ist, dass er derjenige ist, der in seinem Laden die Türen zumacht. Im nächsten Jahr wird der Hamburger, der mit seiner Frau in Eppendorf lebt und einen Faible für französische und italienische Antiquitäten hat, 65 Jahre alt. Zur Ruhe setzen will er sich aber keineswegs. Er hat schon Anfragen, als Berater bei anderen Einrichtungshäusern tätig zu werden. Die Probleme sind überall ähnlich.