Hamburg. Online-Händler bietet 26 Prozent mehr Produkte als vor einem Jahr an. Womit die roten Zahlen zusammenhängen und wie es weitergehen soll.
Lippenstifte und Cremes, Waschmittel und Wischmopps: Aufmerksame Kunden haben längst entdeckt, dass der Hamburger Online-Händler Otto vor einigen Monaten sein Angebot um eine wichtige Warengruppe erweitert hat. Und das mit beachtlichem Wachstum. Gestartet war das Drogerie-Sortiment auf Otto.de mit etwa 60.000 Produkten. Ende März waren auf der Seite schon 170.000 Artikel bestellbar.
„Das kommt gut an“, sagt Marc Opelt, Vorsitzender des Otto-Bereitsvorstands, zur Kundenresonanz. Konkretere Details nennt er nicht. Klar ist aber, dass der größte deutsche Online-Shop im lukrativen Drogeriegeschäft mitmischen will und Handelsketten wie Budni, Rossmann & Co. Konkurrenz macht. Und so soll es weitergehen. Im vergangenen Jahr ist das gesamte Angebot auf Otto.de auf mehr als 18 Millionen Artikel gestiegen, das ist ein Plus von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Otto steigert Sortiment auf mehr als 18 Millionen Artikel
Auch 2024 will Otto die Zahl der Warengruppen weiter steigern und seinen Marktplatz von Sommer an für weitere Sortimente öffnen: von Nahrungsergänzungsmitteln bis Balkonkraftwerken. Dahinter steckt auch, dass künftig Artikel auf der Plattform angeboten werden können, die nicht dem Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent unterliegen.
„Unser Marktplatzgeschäft wächst weiter dynamisch“, sagt Opelt, der das frühere Versandhandelsunternehmen mit bundesweit 6000 Beschäftigten seit sechs Jahren führt. Im Geschäftsjahr 2022/23, das Ende Februar zu Ende gegangen war, konnten die Hamburger die Zahl der Marktplatzpartner um 33 Prozent auf mehr als 6500 steigern. Das Geschäft macht ein Drittel der Umsätze auf Otto.de aus. Jetzt will Otto die E-Commerce-Plattform auch für Unternehmen aus der Europäischen Union öffnen. Mindestens 7000 Partnerfirmen sollen Ende 2024 mit im Boot sein.
Umsätze auf Otto.de um zwei Prozent gestiegen
Dieser Schritt kommt nicht von ungefähr: Der Online-Handel verzeichnet nach dem Boom während der Corona-Pandemie mit Wachstumsraten von fast 30 Prozent massive Rückgänge. Otto weist für das vergangene Geschäftsjahr zwar eine leichte Umsatzsteigerung von zwei Prozent auf 6,5 Milliarden Euro aus. Diese Zahl bezieht sich auf das sogenannte Gross Merchandise Volume (GMV), dass das gesamte Erlösvolumen auf dem Marktplatz abbildet. Bereits im vergangenen Jahr war das GMV mit einem Minus von 8,6 Prozent zum Vorjahr rückläufig gewesen und konnte nicht wettgemacht werden.
Wenn man Otto allein betrachtet, sind die Zahlen noch deutlicher. Der sogenannte IFRS-Außenumsatz, der die Umsätze des eigenen Handelsgeschäfts, die Marktplatzprovisionen sowie die Plattformservices umfasst, beträgt für das vergangene Geschäftsjahr 4,2 Milliarden Euro – ein neuerliches Umsatzminus von acht Prozent nach 11,7 Prozent im Jahr 2022/23. Im zweiten Jahr in Folge schreibt der Online-Händler zudem rote Zahlen. Genauere Angaben machte Opelt nicht.
Trotzdem bleibt Otto-Chef Opelt zuversichtlich. „Die leichte Umsatzsteigerung trotz anhaltender Krisenstimmung im Einzelhandel stimmt mich vorsichtig optimistisch“, sagt Opelt. „Wir konnten die Partnerumsätze auf unserem Marktplatz im vergangenen Geschäftsjahr deutlich steigern und somit den GMV insgesamt leicht ausbauen. Das eigene Handelsgeschäft zeigt sich rückläufig. Besonders rasant wächst unser Werbegeschäft mit Otto Advertising. In Summe sehe ich uns auf Kurs.“
Dabei bezieht er sich auch darauf, dass der Online-Händler im Vergleich zum Marktumfeld besser dasteht. Mutterkonzern Otto Group meldete ein Umsatzminus im E-Commerce-Geschäft von neun Prozent. Der Branchenverband bevh beziffert die Erlösrückgänge zum Vorjahr sogar auf insgesamt elf Prozent.
„Wir sind weiterhin mitten im Transformationsprozess mit hohen Investitionen in die Marktplatzstruktur und unsere IT-Systeme“, so Opelt zur Zukunft des Händlers. Daher sei auch das zurückliegende Jahr „ein Investitionsjahr gewesen“. Sprich: Das Minus beim Ergebnis war eingeplant und sei genau so eingetroffen. Unter anderem hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren auch in den Umbau der neuen Firmenzentrale auf dem Otto-Campus in Bramfeld investiert, die am 16. April offiziell eröffnet und bezogen werden soll. Gesamtkosten: mehr als 100 Millionen Euro.
Otto sucht weiterhin IT-Fachkräfte
2024 soll die Weiterentwicklung der Plattform vorangetrieben werden. Sparmaßnahmen seien nicht geplant, betont der 61-Jährige. Auch Personal werde nicht abgebaut, weiterhin würden Fachkräfte besonders im IT-Bereich gesucht. Zur Prognose erklärte er: „Es wird auch in den nächsten Monaten ein schwieriger Markt bleiben.“ Die Nachfrage in Deutschland entwickele sich schlechter als im EU-Ausland. „Trotzdem haben wir gute Voraussetzungen uns besser zu entwickeln als der Markt“, so Opelt.
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Positiv wertet Opelt, dass Otto die Zahl der Kunden und Kundinnen um drei Prozent auf 11,7 steigern konnte. Davon haben sich 2,9 Millionen neu registriert. Das Durchschnittsalter liegt bei 44 Jahren. Parallel sind seinen Angaben zufolge die Warenkörbe angesichts der allgemeinen Preissteigerungen geschrumpft. Im Segment Möbel, traditionell bei Otto eine der wichtigsten Absatzgruppen, sei zu beobachten, dass die Kundinnen und Kunden „preisbewusster einkaufen“. Mehr Zahlungsausfälle seien jedoch nicht zu verzeichnen.
Otto-Bestseller: Multimedia und „weiße Ware“
Bestseller sind weiterhin Mulitmedia und die sogenannte weiße Ware. „Da sind wir auch mit unseren Eigenmarken gut vertreten. Jede zweite Waschmaschine, die in Deutschland online verkauft wird, kommt von Otto.“ Auch bei den Textilien punktet Otto mit Eigenmarken. In dem Bereich spielt die Unterwäsche-, Sport- und Bademodemarke Lascana eine große Rolle.
In den nächsten Monaten, in denen auch der Termin für das 75-jähriges Bestehen von Otto liegt, stehen für das Hamburger Traditionsunternehmen einige Veränderungen an. Betroffen ist auch die Führungsspitze um Opelt. Kathy Roewer, langjährige Vorständin für Finanzen, Personal und Service wird im März 2025 im Rahmen einer größeren Rochade in den Vorstand der Otto Group wechseln.
Ottos neue Firmenzentrale wird nächste Woche eröffnet
Der nächste interne Meilenstein ist die Eröffnung in die neue Firmenzentrale am Dienstag kommender Woche mit Michael Otto und Bürgermeister Peter Tschentscher. „Ich war schon mehrfach dabei, wenn ein neues Gebäude bezogen wurde“, sagt Firmenchef Marc Opelt und wird ungewohnt emotional. „Es klingt vielleicht etwas pathetisch, aber es liegt ein besonderer Zauber darin.“ Für ihn und sein Team ist es am 22. April so weit. Dann beziehen der Vorstand, sowie die Abteilungen Marketing, Strategie Kommunikation den achten Stock der neuen Otto-Heimat.