Hamburg. Räumungsverkauf: Barbara und Dieter Giesen geben nach fast 20 Jahren ihr Fachgeschäft in der City auf. Warum sie keine Wahl haben.
- Das Einrichtungshaus Gießen in der Hamburger City schließt
- Zur Geschäftsschließung bietet Betreiberpaar Räumungsverkauf am Ballindamm an
- Eine Wahl hatten Dieter und Barbara Giesen nicht – ihnen blieb der Ertrag aus
Wieder schließt ein inhabergeführtes Geschäft in der Hamburger Innenstadt. Seit einigen Tagen hängen die knallroten Schilder in den Schaufenstern des Einrichtungshauses Giesen am Ballindamm. „Räumungsverkauf wegen Geschäftsaufgabe“ steht darauf. Drinnen sind auf Sofas und Sesseln, auf Tischen und Regalen neue, handgeschriebene Preisschilder platziert – mit Rabatten von mehr als 50 Prozent.
„Das ist ein sehr merkwürdiges Gefühl. Da ist auch Wehmut dabei“, sagt Dieter Giesen, der den Betrieb samt Planungsbüro mit Ehefrau Barbara Giesen führt. Aber, sagen sie, es gehe so nicht weiter. „Wir können die Kosten nicht mehr erwirtschaften.“
Ende vergangenen Jahres war ein Punkt erreicht, der zu der Entscheidung für die Ladenschließung führte. „Wir waren zu zweit an drei Adventssonnabenden mehr als 20 Stunden im Geschäft und hatten zusammen 32 Euro in der Kasse“, berichtet der 63 Jahre alte Inhaber ungewöhnlich offen. „Da war klar, dass wir etwas ändern müssen.“
Shopping in Hamburg: Einrichtungshaus Giesen schließt, Räumungsverkauf läuft
Seit 30 Jahren sind die Giesens selbstständig, seit fast 20 mit Ladengeschäft am Ballindamm. Vor sieben Jahren waren sie von der Hausnummer 33 an die heutige Adresse fast direkt an der Kreuzung Glockengießerwall gezogen.
Dieter Giesen ist für die Firmenkunden zuständig. Er hat zahlreiche Anwaltskanzleien eingerichtet, aber auch Büros von Speditionen, Lebensmittelhändlern und Medienhäusern gestaltet. Und HSV-Logen im Volksparkstadion. Seine Frau betreut Privatkunden. Von der jungen Familie bis zur Seniorin beim Umzug ins Altenheim, wie sie betont. Der Stil der beiden: elegante Moderne, weder Luxus noch billig.
Viel Laufkundschaft kommt an der Straßenecke, an der seit Jahren eine große Baustelle ist, nicht vorbei. Aber viele Jahre lief das Geschäft mit dem Einrichten für die Giesens ordentlich. „Nach der Corona-Pandemie hat sich das Kaufverhalten allerdings drastisch verändert“, sagt Barbara Giesen im Rückblick. Gleichzeitig seien die Kosten für den Laden heute deutlich höher.
Hamburger Einrichtungshaus schließt – Inhaberpaar Giesen kann Miete nicht erwirtschaften
Vor allem die Miete in dem Geschäftshaus, das einer der größten deutschen Immobilienfirmen gehört, macht dem Unternehmerpaar zu schaffen. In den vergangenen Jahren sei die Miete um 21 Prozent gestiegen und macht inzwischen 17 Prozent des Firmenumsatzes aus. „Das ist deutlich zu viel und der Hauptgrund für die Geschäftsaufgabe“, sagt Dieter Giesen.
Im Januar hatten die Geschäftsinhaber mit dem Unternehmen Ehlers Aktionsverkauf einen Experten für Räumungsverkäufe von Markenmöbeln in die Firma geholt. Der Anfang vom Ende des eigenen Geschäfts. Die Verkaufsfläche von 275 Quadratmetern ist mit Möbeln ziemlich vollgestellt, nachdem sie auch Lagerbestände ins Geschäft geholt haben. In einer Vitrine stehen Vasen und anderes aus buntem Muranoglas eng an eng.
Für Menschen, deren Lebensthema Einrichtungskonzepte sind, nicht einfach auszuhalten. Aber alles muss raus. „Liquidität geht jetzt vor Ertrag“, sagt Barbara Giesen. Nach den Planungen soll der Räumungsverkauf in den nächsten drei Monaten abgeschlossen sein.
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Giesen ist kein Einzelfall. Gerade erst hat Luxuseinrichter Ulrich Stein geschlossen, der zuletzt Geschäftsräume am Alten Wall hatte. Auch der alteingesessene Möbelhändler Scharbau an der Dehnhaide ist nach mehrmonatigem Räumungsverkauf endgültig dicht. Und selbst große Namen wie Möbel Schulenburg, das vom noch größeren Unternehmen XXL Lutz übernommen wurde, verschwinden vom Markt.
Die Statistik belegt die Entwicklung. Seit Jahren ist die Zahl der Möbelfachgeschäfte in Hamburg rückläufig. Ende 2023 lag die Zahl nach Angaben der Handelskammer bei 347. Das sind 20 weniger als im Jahr davor. 2013 gab es noch 457 Firmen in der Hansestadt, die Möbel verkauft haben. Bundesweit gibt es aktuell noch etwa 8500 Möbeleinzelhändler.
„Inhabergeführte Möbelgeschäfte sterben aus“, sagt Aktionsverkaufsexperte Rüdiger Ehlers. Der Niedersachse hat sich nach dem Aus seines eigenen Möbelhandels vor 19 Jahren auf die Beratung und Liquidierung von Einrichtungsgeschäften spezialisiert und hat gerade gut zu tun. „Nach dem Hoch während der Corona-Pandemie kommt jetzt der tiefe Fall“, sagt er.
Einrichtungsladen wird geschlossen, Planungsbüro läuft weiter
Auch beim Handelsverband Möbel und Küchen ist die Stimmung nicht die beste. „In den letzten Monaten wurde unsere Branche von vielen Insolvenzen und Geschäftsaufgaben belastet“, sagt Verbandspräsident Markus Meyer. Trotz vieler Krisen und der andauernden Konsumflaute habe er aber großes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Möbelhandels. Konkrete Angaben zur Entwicklung der Umsätze im vergangenen Jahr liegen noch nicht vor. Die Zahlen für 2023 sollen Mitte Februar veröffentlicht werden.
Für die Giesens endet mit der Schließung des Geschäfts die Zeit als Einzelhändler. Klar ist, dass sie als Planer und Einrichter weitermachen wollen. Wo, ist noch offen, denn der Mietvertrag am Ballindamm läuft noch drei Jahre. „Wir hoffen jetzt, dass wir schnellstmöglich aus dem Vertrag rauskommen“, sagt Dieter Giesen.