Hamburg. Unternehmen erwartet 2024 steigende Umsätze und will Profitabilität erhöhen. Welche Rolle der US-Markt spielt, wie die Börse reagiert.

Erst nach dem Ende des offiziellen Teils der Bilanzvorstellung wurde Marc Fielmann etwas persönlicher. Der Start ins neue Jahr mit dem Tod seines Vaters und Firmengründers Günther Fielmann sei schwer gewesen, sagte er. Umso wichtiger ist es dem 34 Jahre alten Vorstandsvorsitzenden der Fielmann Group, dass er das Unternehmen gut aufgestellt sieht.

Und damit meint er nicht nur die aktuellen Geschäftszahlen. „Kulturwandel“ nennt er die Veränderungen der vergangenen vier Jahre, in denen Deutschlands größte Optikerkette „ein modernes Familienunternehmen“ geworden sei. Eines, in dem nicht mehr alles vom Chef abhängt, sondern Verantwortung auch delegiert wird. „Wenn nicht nur eine Person bei strategisch bedeutsamen Themen entscheidet, sondern zehn oder mehr, wird das Unternehmen schneller.“ Und: Auch er hätte in Zukunft mehr Freiräume.

Hamburger Optikerkonzern baut Augen-Check-up aus

Nach einem erfolgreichen Jahr 2023, in dem der Brillenkonzern mit Sitz in Hamburg Umsatz (plus 12 Prozent) und Vorsteuergewinn (plus 20 Prozent) kräftig gesteigert sowie den Marktanteil weiter ausgebaut hat, blickt Marc Fielmann optimistisch und selbstbewusst in die Zukunft. Hohe Inflation, geringes Wirtschaftswachstum und allgemeine Unsicherheit: Das gibt Fielmann in Deutschland und Europa Rückenwind. „In Krisenzeiten schauen die Menschen auf das Geld, und als Preisführer profitiert Fielmann davon“, so der Unternehmenschef. 55 von 100 Brillen, die in Deutschland verkauft werden, stammen von Fielmann.

War es im Geschäftsjahr 2023 vor allem der wachsende Absatz von Gleitsichtbrillen in einer alternden Gesellschaft, der den Gewinn ankurbelte, sieht der Brillenhändler weiteres Potenzial in einem neuen Serviceangebot im Feld der Augengesundheit. Seit vergangenem Jahr werden sogenannte Augen-Check-ups angeboten, für die bislang Ärztinnen und Ärzte zuständig waren. „Heute warten ja viele Menschen, vor allem gesetzlich Versicherte, noch sehr lange auf einen Augenarzttermin“, so Marc Fielmann. Das sei um so erschreckender, weil 75 Prozent aller Augenkrankheiten gut therapierbar seien, wenn sie rechtzeitig erkannt würden.

Zusammenarbeit mit Augenärzten soll ausgebaut werden

Die Messungen für die kostenpflichtigen Check-ups, für die Fielmann mit dem Start-up Ocumeda zusammenarbeitet, werden in den Niederlassungen durchgeführt, digital an kooperierenden Augenarztpraxen weitergeleitet und dort ausgewertet. Die Ergebnisse, etwa ob ein Praxisbesuch angeraten ist, sollen innerhalb von maximal fünf Werktagen bei Kundinnen und Kunden im Briefkasten sein. Die Kosten für den Augen-Check: 49 Euro. In den vergangenen Monaten hatte das Vorsorge-Screening durchaus auch für Kritik von Medizinern gesorgt.

Fielmann sieht das betont gelassen. In diesem Jahr sollen die Augen-Check-ups an 400 der 618 Standorte in Deutschland ausgerollt werden. „Wir führen damit wieder einmal eine kundenfreundliche Dienstleistung ein, die es vorher so nicht gab“, sagte der Fielmann-Chef in Anspielung auf die Nulltarifbrille, mit der sein Vater vor mehr als 50 Jahren die Branche revolutioniert hatte.

Markteintritt in die USA für Fielmann bedeutsam

Auch in diesem Jahr erwartet Fielmann, dass der Konzernumsatz in ähnlicher Größenordnung zulegt wie im Jahr zuvor, und soll etwa 2,2 Milliarden Euro erreichen. Erwartet wird eine Steigerung der Profitabilität. Nach der Expansion in Osteuropa und Spanien spielt der Markteintritt in den USA dabei eine wichtige Rolle. Im vergangenen Jahr hatte Fielmann den Sprung über den Atlantik gewagt und zwei US-Firmen übernommen. Dort sieht der Fielmann-Chef enorme Wachstumschancen. „Die USA sind der größte Markt für Brillen, aber viele Kunden sind unzufrieden mit den Dienstleistungen.“ Seine Expansionspläne reichen dabei vom US-Staat Michigan, wo die Deutschen nach der Übernahme der Kette SVS Vision mit 82 Niederlassungen vertreten sind, mittelfristig in acht weitere Staaten mit 200 Niederlassungen.

Für Marc Fielmann, seit 2019 an der Spitze des Unternehmens, ein weiterer Schritt bei der Umsetzung seiner Vision 2025. „Wir sind ein internationales Unternehmen geworden“, sagte er. Auch in Italien, Polen, Spanien, Tschechien waren die Umsätze 2023 deutlich gestiegen, insgesamt lag das Plus in den Auslandsmärkten bei 24 Prozent und kletterte auf einen Anteil von 35 Prozent. Inzwischen ist Fielmann der drittgrößte Augenoptiker weltweit mit 28 Millionen Kunden, 1078 Niederlassungen und mehr als 23.000 Beschäftigten. Die Umgangssprache im Management der Hamburger Zentrale ist längst Englisch.

Online-Geschäft wächst, aber Online-Sehtest lässt auf sich warten

Überproportional gestiegen ist den Angaben zufolge auch das Online-Geschäft. Der Umsatz auf den digitalen Vertriebskanälen sei um 17 Prozent gewachsen und betrage nun erstmals mehr als 100 Millionen Euro. Der Löwenanteil kommt dabei aus dem Versand von Kontaktlinsen und Sonnenbrillen. Seit einigen Monaten gibt auf der Internetseite zudem die Möglichkeit, Einstärken-Korrekturbrillen anzupassen und zu bestellen. Voraussetzung ist allerdings ein aktueller Sehtest, dessen Daten online eingegeben und – das ist neu – auf Plausibilität überprüft werden können. Einen Online-Sehtest, wie bereits mehrfach angekündigt, werde es aber erst in den nächsten ein bis zwei Jahren geben, so Marc Fielmann.

Die Entwicklung im ersten Quartal 2024 zahlt auf die breitere Ausrichtung des Brillenhändlers ein. Stieg der Konzernumsatz auch dank des positiven Umfeldes in Nordamerika insgesamt um elf Prozent auf 529 Millionen Euro, legten die Erlöse in Europa um lediglich vier Prozent und in Deutschland um drei Prozent zu. Das operative Ergebnis stieg dank des laufenden Sparprogramms um elf Prozent auf 117 Millionen Euro. Vor Steuern blieben mit 62 Millionen Euro sieben Prozent mehr hängen als im Vorjahreszeitraum. Deutschland, hieß es.

Augenoptiker Fielmann: Firmenchef sieht Auf und Ab an Börse gelassen

Die Reaktionen an der Börse waren durchwachsen. Nachdem die im SDAX notierte Aktie am Dienstag zunächst mit Kursgewinnen von mehr als vier Prozent gestartet war, drehte das Papier danach ins Minus und stieg im Laufe des Nachmittags nur zögerlich auf 43 Euro. Das erste Quartal sei durchwachsen gewesen, notierte Analyst Volker Bosse von der Baader Bank. Der Gewinnausblick sei eher enttäuschend.

Marc Fielmann sieht das Auf und Ab an der Börse nach eigenen Angaben gelassen. Nach längerer Talfahrt hatte der Kurs erst im vergangenen Jahr wieder deutlich zugelegt. Als familiengeführtes Unternehmen denke man in größeren Zyklen, sagt er. Das stimmt wohl auch für die Unternehmensleitung. Es mache ihm nach wie vor viel Spaß, sagte der Firmenchef am Rande der Bilanzvorstellung.

Mehr Wirtschaftsthemen

Auch wenn er keinen Hehl daraus macht, dass ein bisschen mehr Zeit für die Familie, die fielmannschen Biobauernhöfe oder den Aufbau der Fielmann-Förderstiftung, die er gemeinsam mit seiner Schwester nach dem Tod ihres Vaters errichtet hatte, wünschenswert wäre. Mit Unterstützung von Schwester Sophie Fielmann im Unternehmen rechnet er allerdings erst mal nicht. „Sie arbeitet an ihrer Promotion in Cambridge und ist damit sehr glücklich.“