Hamburg. Deutschlands größte Optikerkette verkauft jetzt Vorsorgeuntersuchungen. Was Mediziner und andere Augenoptiker dazu sagen.
Die Hamburger OptikerketteFielmann ist vor allem für niedrige Preise bekannt. Mit der Brille zum Nulltarif hatte Gründer Günther Fielmann den Markt für die Kassenbrille vor mehr als 40 Jahren revolutioniert – und die Branche gegen sich aufgebracht. Jetzt sorgt sein Sohn und Fielmann-Chef Marc Fielmann mit einer Neuerung für große Aufregung. Dieses Mal nicht bei den Optikern, sondern bei den Augenärzten. Seit Kurzem bietet der Marktführer in seinen deutschen Niederlassungen auch medizinische Augen-Check-ups für 49 Euro an.
Und das funktioniert so: Die Optiker führen wie bislang nach Anmeldung einen Sehtest in der Niederlassung durch. Neu ist, dass sie mit speziellen Geräten auch den Augeninnendruck messen können. Im dritten Schritt werden mit einem weiteren Gerät Fotos vom Augenhintergrund, also von der Netzhaut, gemacht. Das Ganze dauert etwa 30 Minuten.
Fielmann bietet Augen-Check-up an: Ergebnis von „Vorsorge-Screening“ in 72 Stunden
Die Bewertung der Messungen übernehmen Augenärzte. Optiker dürfen keine Diagnose erstellen. Desalb werden die Daten digital an das Schweizer Start-up Ocumeda verschickt, mit dem Fielmann als erster deutscher Optiker kooperiert. Sobald die Auswertung abgeschlossen ist, erhalten die Kunden einen Ergebnisbericht per Post oder per E-Mail. Ocumeda verspricht einen maximalen Prüfzeitraum von 72 Stunden. Der Bericht richtet sich nach den Ampelfarben von Grün bis Rot. Wobei Rot in diesem Fall heißt: Die Ärzte haben etwas Schwerwiegendes entdeckt und die Betroffenen sollten sofort zum Augenarzt oder in eine Klinik gehen.
Fielmann nennt das neue Angebot „Vorsorge-Screening“. „Die Früherkennung von Augenleiden kann helfen, irreversible Sehbehinderungen zu verhindern. Immer mehr Menschen warten oft monatelang auf einen Termin beim Augenarzt“, begründet das Unternehmen auf Abendblatt-Anfrage die Einführung des neuen Services. Jedes Jahr erblindeten Tausende in Deutschland, obwohl fast alle Augenerkrankungen mit einer entsprechenden augenärztlichen Behandlung verzögerbar oder heilbar seien. Der demografische Wandel verstärke diese Entwicklung.
Serviceangebot von Hamburger Optiker Fielmann soll deutschlandweit kommen
„Mit dem niedrigschwelligen Screeningangebot machen wir Augenvorsorge einer breiten Bevölkerung schnell und einfach zugänglich“, heißt es aus der Firmenzentrale in Hamburg-Barmbek. Dabei solle das Vorsorgeangebot nicht die Diagnosestellung und Behandlung durch Augenärzte vor Ort ersetzen. Fielmann hat den neuen Service zunächst in der Schweiz getestet, wo das Start-up Ocumeda herkommt und bereits mit mehreren Dutzend Augenärzten zusammenarbeitet. Bis Ende 2023 soll es das Angebot in mehr als 100 der bundesweit 615 Fielmann-Niederlassungen geben. Langfristig soll es flächendeckend verfügbar sein.
Ocumeda war 2019 von zwei Augenärzten gegründet worden. Die Idee: Das Start-up installiert bei kooperierenden Optikern spezielle Messgeräte. Konkret: ein Non-Contact-Tonometer und eine non-mydriatische Funduskamera, mit denen eine Vielzahl gängiger Augenerkrankungen wie das Glaukom, die diabetische Retinopathie oder die altersbedingte Makuladegeneration erkennbar sein sollen. Wie viele Augenärzte sich inzwischen an dem Netzwerk beteiligen und die telemedizinische Begutachtung vornehmen, ist unbekannt.
Fünf Hamburger Fielmann-Niederlassungen bieten Screening an
In Hamburg können Kunden nach Angaben einer Fielmann-Sprecherin aktuell in fünf Niederlassungen einen Augen-Check-up durchführen lassen: im Flagship-Store in der Mönckebergstraße, in Ottensen, in Eimsbüttel, in Poppenbüttel und in Volksdorf. Die Termine sind online über die Internetseite buchbar.
Das hört sich zunächst serviceorientiert und kundennah an. Fakt ist aber, dass der Brillenhändler mit dem Augen-Check-up in ein lukratives Geschäftsfeld der Augenärzte eindringt. Prompt gibt es harsche Kritik des Berufsverbands der Augenärzte Deutschlands (BVA). „Der BVA lehnt das Angebot von Ocumeda und Fielmann ausdrücklich ab“, heißt es in einer aktuellen Stellungnahme.
Augenärzte sind gegen die Vorsorge beim Optiker
Als Gründe werden angeführt, dass das Vorsorge-Screening „die Gefahr beinhaltet, dass Patienten verunsichert oder möglicherweise davon abgehalten werden, einen Augenarzt aufzusuchen“. Die Durchführung von Vorsorgeuntersuchungen gehöre aber unmittelbar und direkt in die Hände von Augenärzten, so der Verband. Dabei rät der BVA Medinzern davon ab, sich an dem Netzwerk von Ocumeda zu beteiligen und telemedizinische Begutachtungen durchzuführen. „Jeder Augenarzt und jede Augenärztin sollte mit Bedacht entscheiden, ob man sich an diesem Geschäftsmodell beteiligen möchte.“
Obwohl der Service erst seit Kurzem angeboten wird, haben nach Angaben von Fielmann bereits mehr als 12.000 Kunden einen Augen-Check-up machen lassen. Zu den Ergebnissen sagte die Firmensprecherin: „Wir fangen gerade erst an, haben aber schon Hunderte Menschen mit Auffälligkeiten gefunden.“ Die Einschätzungen seien in den bekannten Fällen auch von den örtlichen Augenärzten bestätigt worden. Nach ihren Angaben zeigten diese Daten, dass die Fehlerquote sehr gering sei. „Zur Sicherheit lassen wir Stichproben der Einschätzungen noch einmal von einem zweiten Arzt überprüfen.“ Geplant sei auch, die Qualität der Ergebnisse wissenschaftlich untersuchen zu lassen.
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Desalb sieht Fielmann die Kritik an dem neuen Service betont gelassen. Schließlich gehe es dem Optiker darum, das Bewusstsein für Vorsorge und Früherkennung im Bereich Augengesundheit in der Gesellschaft zu steigern. „Uns ist an einem partnerschaftlichen Miteinander mit den Augenärzten gelegen.“
Service von Hamburger Optiker Fielmann kommt in Branche gut an
Anders als die Mediziner reagiert die Optiker-Branche positiv auf die Neuerung aus dem Haus Fielmann. „Es ist ein interessantes Angebot und eine clevere Idee“, sagt Holger Weiss, stellvertretender Obermeister der Hamburger Augenoptiker- und Optometristen-Innung und Mitinhaber des Volksdorfer Betriebs Augenoptik Bernstiel. Und er sieht langfristig großes Potenzial. „Das Vorsorge-Screening ist nicht auf Fielmann begrenzt. Das können alle Augenoptiker nutzen“, so der Branchenvertreter. Denn auch er macht häufig die Erfahrung, dass Kunden trotz Auffälligkeiten Probleme haben, einen Termin beim Augenarzt zu bekommen.