Hamburg. Bau des Vorzeigeprojekts Elektrolyseur hat noch gar nicht begonnen. Investoren sind abgesprungen und Förderzusage der EU fehlt.
Anfang September 2019 verkündete der damalige Hamburger Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), er wolle den ersten großen Elektrolyseur zur Herstellung von grünem Wasserstoff in Deutschland bauen. Hamburg sollte Nummer eins bei Herstellung und Vertrieb des CO2-freien Energieträgers werden, der angesichts des Klimawandels eine immer größere Rolle spielt. Selbst Westhagemanns Nachfolgerin, Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD), spricht in ihrem jüngst verabschiedeten Hafenentwicklungsplan von dem Ziel, den Hamburger Hafen zu einer „führenden Drehscheibe“ für Wasserstoffaktivitäten machen zu wollen.
Der Plan: Ab 2025 soll an der Stelle des abgeschalteten und in Rückbau befindlichen Kohlekraftwerks in Moorburg eigentlich ein Elektrolyseur mit einer Leistung von 100 Megawatt grünen Wasserstoff herstellen. Mittelfristig ist sogar ein schrittweiser Ausbau auf 800 Megawatt Leistung vorgesehen. Ein vielversprechendes Bündnis bestehend aus Shell, Mitsubishi Heavy Industries (MHI), Vattenfall und den Hamburger Energiewerken war extra dafür geschmiedet worden.
Moorburg: Neue Wasserstoff-Fabrik verzögert sich um ein Jahr
Doch zwischen Planung und Realität liegen Welten. Der Bau des Elektrolyseurs hat noch gar nicht begonnen. Mit dem Verkauf des Geländes des Kohlekraftwerks Moorburg an die Stadt war Vattenfall zudem aus dem Projekt raus – und Anfang 2023 sprang auch Shell ab. Man wolle lieber eigene Wasserstoff-Projekte realisieren, verkündete der Mineralölkonzern.
Inzwischen hat die Stadt wohl einen neuen Konsortialpartner gefunden, dessen Namen sie in den kommenden Wochen verraten will, aber eines ist jetzt schon klar: 2025 wird es keinen Wasserstoff aus Moorburg geben. Der Elektrolyseur verzögert sich um mindestens ein Jahr. 2026 werde man damit an den Start gehen, sagte eine Sprecherin der Hamburger Energiewerke nun dem Abendblatt – ob im Frühjahr, Sommer oder Herbst, das ließ sie offen.
Elektrolyseur Moorburg: EU-Förderung für Prestigeprojekt fehlt
Die Verzögerungen liegen nicht nur in der Verantwortung der Stadt. Vielmehr ist das Konsortium zum Bau des Elektrolyseurs auf eine Förderung durch das EU-Programm IPCEI Wasserstoff angewiesen. „Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse“, heißt das Programm auf Deutsch, für das allein die Bundesregierung acht Milliarden Euro zur Förderung von 62 Projekten zur Verfügung stellt.
Doch in Brüssel geht es nicht voran. Dort sind noch nicht einmal die Anträge bearbeitet: „Die Elektrolyseprojekte in Deutschland – auch das Projekt Hamburg Green Hydrogen Hub – liegen hinter den avisierten Zeitplänen. Grund ist die verzögerte Bearbeitung auf EU-Ebene. Wir hoffen, dass es zeitnah mit der zweiten Fragerunde weitergehen kann und über den Förderantrag entschieden wird“, sagt die Sprecherin der Energiewerke.
Rotterdam und Antwerpen bei Wasserstoff weiter
Das ist insofern ein noch größeres Problem, weil auch die Projekte zum Aufbau eines europäischen Pipeline-Netzes zur Wasserstoffversorgung an der IPCEI-Förderung hängen. „Es gibt aber noch keine Förderzusagen“, heißt es beim Netzbetreiber Gasunie energy. Damit gerät auch die Importstrategie Hamburgs für Wasserstoff ins Wanken. Immerhin ist die Pipelinestrecke „Hyperlink 1“, die Hamburg mit den Niederlanden verbinden soll, von den Verzögerungen nicht betroffen. „Die wird 2026 wie geplant starten“, sagte ein Sprecher von Gasunie. Der Hauptgrund: Diese Verbindung besteht bereits zu weiten Teilen.
Die Vorreiterrolle beim Wasserstoff, die Westhagemann für den Hamburger Hafen eigentlich vorgesehen hatte, ist jedenfalls dahin. Und wieder einmal sind es die direkten Hafen-Konkurrenten, die der Hansestadt den Rang ablaufen. Während hierzulande noch ominöse Fragerunden zur Förderung anstehen, wird im Hafen von Rotterdam bereits ein Elektrolyseur gebaut – und zwar doppelt so groß wie jener, der in Hamburg errichtet werden soll.
Hamburger Senat hat keine konkreten Pläne für Energiehafen
Beachtenswert: Der Investor in Rotterdam ist niemand Geringerer als der Mineralölkonzern Shell, der sich noch im Frühjahr aus dem Hamburger Projekt zurückgezogen hatte. Auch der Hafen von Antwerpen baut einen 100-Megawatt-Elektrolyseur. Hier soll bereits Ende 2024 der erste grüne Wasserstoff produziert werden.
Nicht nur beim Elektrolyseur, insgesamt scheint es bei Hamburgs Plänen, den Hafen zu einem Energiehafen auszubauen, kaum voranzugehen. Das legt die Senatsantwort auf eine Anfrage des CDU-Hafenexperten Götz Wiese nahe. Zwar wird darin von vielen Gesprächen mit dem Bund und den Nachbarländern berichtet. Zudem werden einzelne privatwirtschaftliche Investitionen erwähnt, ohne dass sie jedoch konkret benannt werden. Insgesamt bleibt der Senat in der Erläuterung seiner Strategie unkonkret. Im Gegenteil: Die Frage, wann und wie der Wasserstofftransport mit den Nachbarländern starten soll, wird nicht beantwortet. „Zu Mengen, Umschlagskapazitäten und Flächenbedarfen gibt es keine gezielten Vereinbarungen oder Gespräche mit Ziel konkreter Vereinbarungen“ heißt es in dem Papier.
Elektrolyseur verzögert sich. CDU kritisiert Planungsloch
Wiese findet das befremdlich: „Angesichts der großen Aufgabe, den Hamburger Hafen als Logistikdrehscheibe, Energie-Hub und Industriegebiet fit für die Zukunft zu machen, ist auch die Planung des Energiehafens selbst für den wohlwollenden Betrachter ernüchternd: statt Wasserstoff-Drehkreuz für Deutschland ein großes Planungsloch in Hamburg“, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete. „Der Senat hat bislang kaum mehr als eine Ideenskizze vorzuweisen. Konkrete Projekte und Investitionen? Weitgehend Fehlanzeige. Während ich in meiner Anfrage nach konkreten Projekten gefragt habe, verweist der Senat auf seinen unverbindlichen Hafenentwicklungsplan, der konkrete Projekte gerade nicht beinhaltet.“
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Ein Blick nach Rotterdam zeige, wie es anders gehen kann, meint Wiese: „Statt vage schraffierter Flächen in einem unverbindlichen Hafenentwicklungsplan stellt die Rotterdamer Hafenbehörde alle Wasserstoffprojekte im Hafen anschaulich auf einer Karte dar und benennt dabei klar die Projektpartner und -ziele und die konkreten Verabredungen. So macht man Hafen: mit klarem Fokus, verbindlich und transparent.“
Hamburg muss also nachsitzen. Einer der wesentlichen Bausteine der Senatspolitik, den Hafen zukünftig wieder interessant für Kunden zu machen, wackelt.