Hamburg. Ab 2026 werden beim Mineralölhändler Evos klimaneutrale Kraftstoffe umgeschlagen. Sie haben Vorteile – und ernten Kritik.
Noch ist nichts zu sehen, außer einem riesigen Tanklager. Hamburgs Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat ihren Staatsgast dennoch am Donnerstagmorgen zum Besuch des Mineralölhändlers Evos im Süden des Hamburger Hafens eingeladen. Denn hier an der Rethe, wo derzeit noch Mineralöle, Biokraftstoffe, Schmierstoffe und Pflanzenöle umgeschlagen werden, soll ein Teil von Hamburgs wirtschaftlicher Zukunft entstehen: Ein Blue Hub, ein Importterminal und ein großes Lager für CO2-neutrale Kraftstoffe wie Wasserstoff – und vor allem E-Fuels. Ab 2023 sollen jährlich 130.000 Liter aus Chile kommen.
Evos und der Hamburger Tankstellenbetreiber Lother Gruppe wollen hier bis 2026 einen solchen Hauptumschlagplatz für importierte synthetische Kraftstoffe einrichten. Davon will sich Leonhard überzeugen. Ebenso Chiles Energieminister Diego Pardow, der der Einladung der Wirtschaftssenatorin an diesem Morgen gefolgt ist. Er hat ein persönliches Interesse daran, dass das Geschäft mit E-Fuels zum Laufen kommt.
Diese sind spätestens seit der Einigung zwischen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und der EU zur Genehmigung von Autos mit Verbrennermotoren über 2035 hinaus von gesteigertem Interesse. E-Fuels, die mittels elektrischem Strom aus einer Verbindung von Wasser und Kohlendioxid (CO2) hergestellt werden, lassen sich nämlich auch in ganz normalen Kraftstoffmotoren verbrennen. Und wenn das CO2 zur Herstellung der Luft entzogen wird, setzen sie nur so viel klimaschädliches Gas frei, wie zuvor der Umgebung entnommen wurde. Wird zudem der Strom für den chemischen Prozess durch erneuerbare Energien gewonnen, sind E-Fuels eine klimaneutrale Lösung.
Hamburgs Hafen soll klimaneutrale synthetische Kraftstoffe importieren
Und das ist es, worum es Hamburg geht: Die Hansestadt soll sich zu einem zentralen Importhafen für synthetische und klimafreundliche Treibstoffe aus aller Welt entwickeln. „Wir wollen Hamburg zu einem der wichtigsten Verteilzentren für grünen Wasserstoff und dessen Derivate in Europa entwickeln. Auf diesem Weg braucht es verlässliche Partner, die die Chancen der Zeit erkennen, die Ärmel hochkrempeln und es anpacken. Es ist deshalb eine gute Nachricht, dass die Unternehmen Evos Hamburg GmbH und die Lother Gruppe hier in Hamburg kooperieren wollen“, sagt Senatorin Leonhard. „Der Hamburg Blue Hub ist ein zentrales Projekt in einer Kette von notwendigen Vorhaben hin zu einem Importhafen für grünen Wasserstoff und wasserstoffbasierten Kraftstoffen in Hamburg.“
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Bereits vor einigen Wochen hatten das weltweit führende US-amerikanische Industriegasunternehmen Air Products und Mabanaft (über ihre Hamburger Tochtergesellschaft Oiltanking Deutschland) die Errichtung eines großen Importterminals für grünen Wasserstoff beziehungsweise dessen Derivat Ammoniak im Hamburger Hafen bekannt gegeben. Bei dem nun vereinbarten Projekt sollen die ersten Tonnen E-Fuels aus dem Pilotprojekt Haru Oni im chilenischen Patagonien nördlich von Punta Arenas stammen, per Schiff in den Hamburger Hafen transportiert und von hier aus verteilt werden.
Bei der von Porsche und Siemens initiierten Anlage Haru Oni, die eines der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Leuchtturmprojekte innerhalb der nationalen Wasserstoffstrategie ist, gibt es einige Verzögerungen, weshalb Chiles Energieminister Pardow ein Interesse daran hat, dass das Projekt ins Rollen kommt. Ab Mitte 2023 soll Haru Oni jährlich 130.000 Liter synthetischer Kraftstoffe liefern können. Mittelfristig soll der Blue Hub aber bis zu 75 Millionen Liter aus dem Chile-Projekt in Hamburg importieren. Den Strom dazu liefert ein großes Windrad – in Patagonien weht praktisch andauernd Wind. „Wir hoffen auf eine enge Zusammenarbeit mit Hamburg“, sagte Pardow.
E-Fuels schaffen aber auch Probleme
Das klingt alles positiv. Doch der Einsatz von E-Fuels hat auch seine Schattenseiten. Außer der einen Anlage in Chile und einer in Kanada gibt es derzeit keine kommerziellen Anlagen zu ihrer Herstellung. Sie sind auf dem Markt praktisch noch nicht vorhanden. Bis 2035 sind derzeit etwa 60 neue E-Fuel-Projekte angekündigt. Kommen tatsächlich alle zustande, werden sie aber auch nur einen geringen Teil des tatsächlichen Bedarfs abdecken können. Da bei der Herstellung von E-Fuels sehr viel Strom benötigt wird, ist deren Wirkungsgrad und Energieeffizienz zudem gering. Je nach Anlage können nur bis zu 35 Prozent der eingesetzten elektrischen Energie anschließend genutzt werden.
Dennoch werden E-Fuels in Zukunft unverzichtbar sein, nämlich immer dann, wenn rein elektrisch betriebene Anlagen nicht funktionieren. Beispielsweise setzt die Luftfahrt darauf. Rein elektrisch betriebene Flugzeuge benötigten nämlich so viel Raum für Batterien, dass kaum noch Platz für Passagiere an Bord ist. Zudem wären sie sehr schwer. Deshalb setzen Evos und die Lother Gruppe auf ihr Projekt: „Wir als Familienunternehmen und klassischer Hamburger Mittelständler freuen uns, mit dem Hamburg Blue Hub einen praktischen und sinnvollen Beitrag zur Energiewende zu leisten und hierfür mit dem Terminalbetreiber Evos zu kooperieren“, sagt der Geschäftsführer der Lother Gruppe, Matthias Bartoll. „Flüssige synthetische Kraftstoffe vom CO2-neutralen Methanol bis hin zu E-Fuels für Flug-, Schiffs- und Straßenverkehr werden gemeinsam mit grünem Wasserstoff ein wichtiger Bestandteil der zukünftigen Mobilität und für unsere klimafreundliche Wärmegewinnung sein.“
Klimaneutrale Kraftstoffe aus dem Hafen für die Flugzeugindustrie
Und Evos-Geschäftsführer Harry Deans ergänzt: „Wir sind seit nun mehr 70 Jahren sicher, zuverlässig und effizient im Umgang und in der Lagerung konventioneller Brennstoffe, mit all dem Know-how, das dazugehört. Evos ist entschlossen, seine große Erfahrung zu nutzen und sicherzustellen, dass wir zukünftige Kraftstoffe mit der gleichen Sorgfalt und dem gleichen Fachwissen handhaben, aber mit dem geringsten CO2-Fußabdruck, den wir erreichen können.“
Hamburgs Hafen ist im Wandel und die Klimawende schafft neue Chancen.