Hamburg. In Hamburg entsteht Deutschlands erste Anlage, auf der Ammoniak gelöscht und in Wasserstoff umgewandelt wird.

Donnerstagmorgen auf einem großen Öltanklager in Wilhelmsburg. Das Wetter ist nasskalt, stürmisch und trüb. Bundeswirtschaftminister Robert Habeck (Grüne), der erst vor zwei Wochen in Hamburg eine neue, mit grüner Energie betriebene Produktionsanlage beim Kupferhersteller Aurubis in Betrieb genommen hat, stemmt sich gegen den Wind.

Er ist wieder in der Hansestadt, weil er dabei sein will, wenn Deutschland einen weiteren Schritt hin zur Energiewende vollzieht – ungeachtet des unerfreulichen Wetters. Jetzt geht es um den Bau von Deutschlands erstem Importterminal für grüne Energie. Die Anwesenheit von Habeck und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verleiht der Feier zum Startschuss des Projekts in einem schlichten Partyzelt die nötige Bedeutung.

Hafen Hamburg: Importterminal für grüne Energie in Wilhelmsburg

Der weltweit größte Produzent von Wasserstoff, Air Products, sowie die zur Hamburger Marquard & Bahls-Gruppe gehörende Gesellschaft für Mineralölhandel Mabanaft errichten auf dem Gelände der Oiltanking Deutschland in Wilhelmsburg eine Import- und Vertriebsanlage für grünes Ammoniak.

Das stammt aus Saudi-Arabien. Dort wird aus Sonnenenergie Wasserstoff produziert, der unter der Zugabe von Stickstoff zu Ammoniak umgewandelt wird. Das Ammoniak kommt per Schiff nach Hamburg. Im Hafen wird es gelöscht und wieder in Wasserstoff und Stickstoff aufgespalten. Der Wasserstoff wird dann verkauft.

Hafen Hamburg: Wasserstoff ist Energieträger der Zukunft

Wasserstoff ist so etwas wie der Energieträger der Zukunft und für den Klimawandel in Deutschland unersetzlich, weil er ein CO2-freier Brennstoff ist. Er soll vor allem die deutsche Industrie, aber auch Verkehrsträger wie Lastwagen, Flugzeuge und Bahnen von Erdgas unabhängig machen. Die Bundesrepublik verbrauche im Moment 1000 Terawattstunden Erdgas im Jahr, sagt Habeck.

Bis 2030 werde dieser Bedarf wegen Einsparungen sinken. Auf der anderen Seite werde der Bedarf an Wasserstoff wegen der Loslösung von russischem Gas und wegen des Kohleausstiegs massiv steigen. „Grob gerechnet werden wir etwa zehn Prozent, also 100 Terawattstunden, im Jahr 2030 durch Wasserstoff zu ersetzen haben“, sagt Habeck. Und das sei noch die untere Grenze der Schätzungen.

Habeck: „Hier wird eine Einflugschneise für grünen Wasserstoff geschaffen“

30 Prozent des Bedarfs könnten hierzulande mit Windrädern, Solaranlagen und Wasserkraft selbst produziert werden. 70 Prozent müssten importiert werden. „Hier wird eine Einflugschneise für grünen Wasserstoff geschaffen“, sagt Habeck mit Blick auf die Tanklager hinter dem Partyzelt. Man könne die Anlage in ihrer Bedeutung nicht überschätzen.

Der Vorstandschef des weltweit vertretenen Unternehmens Air Products mit Hauptsitz in Pennsylvania (USA), Seifi Ghasemi, sagt: „Als weltweit größter Produzent von Wasserstoff ist Air Products in einer hervorragenden Ausgangsposition, um diese Nachfrage zu decken.“ Das Unternehmen habe Milliarden Dollar investiert, um erneuerbare Energien an Standorten auf der ganzen Welt zu produzieren.

Das neue Importterminal nutzt den bestehenden Schiffsanleger im Blumensandhafen für die Anlandung des Ammoniaks. Zusätzlich werden auf dem Gelände von Oiltanking zwei riesige Mineralöltanks abgerissen. Auf dem Areal des einen wird ein neuer Ammoniak-Tank mit einem Fassungsvermögen von 80.000 Kubikmetern gebaut. Auf dem zweiten freigewordenen Areal errichtet Air Products dann die Anlage zur Umwandlung in Wasserstoff. Im Hochlauf der Anlage sollen dann pro Jahr mehr als 100.000 Tonnen grüner Wasserstoff produziert werden.

Anlage soll 2026 fertig sein

Da das Terminal nach Unternehmensangaben in großem Umfang ausgebaut werden soll, könnten letztlich 30.000 Lastwagen oder fünf Prozent des Schwerlastverkehrs in Deutschland mit Wasserstoff versorgt werden. 2026 soll die Anlage fertig sein, deren Investitionskosten auf zunächst 500 Millionen Euro beziffert werden, später aber auf rund eine Milliarde Euro verdoppelt werden sollen.

Der Zwischenschritt der Umwandlung des Wasserstoffs in Ammoniak ist vorteilhaft, weil Ammoniak viel leichter gelagert und transportiert werden kann als Wasserstoff, das für den Transport in großen Mengen bei minus 253 Grad Celsius verflüssigt werden muss. Mit Ammoniak können aufgrund seiner größeren Energiedichte deutlich mehr Energiemengen pro Schiff von Saudi-Arabien nach Hamburg transportiert werden.

„Hamburg hat das Ziel zu führendem Wasserstoffstandort in Europa zu werden“

Laut Bürgermeister Tschentscher bietet Hamburg hervorragende Voraussetzungen für den Import, die Verteilung und Nutzung von grünem Wasserstoff. Als Handelsstadt pflege Hamburg gute Beziehungen in alle Welt, und das Interesse der internationalen Partner am Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft sei groß. „Hamburg hat das Ziel zu einem führenden Wasserstoffstandort in Europa zu werden“, sagt der SPD-Politiker.

Jens Meier zufolge, dem Chef der Hamburg Port Authority (HPA), der das Geschäft mit Air Products bereits im Februar mit einer Absichtserklärung auf den Weg gebracht hatte, wird Hamburg weltweit einer der ersten Häfen sein, der eine solche Infrastruktur für Wasserstoffimporte anbiete. „Der Import wird die Dekarbonisierung für mehrere Bereiche sowohl im Hafen als auch in der Schifffahrt vorantreiben.“ Auch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) und Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos), der sich sehr für die Wasserstoffwirtschaft stark macht, sind zum feierlichen Anlass gekommen. „Damit machen wir einen großen Schritt nach vorne“, sagt er.

Hafen Hamburg benötigt Wasserstoff auch selbst

Hamburg will nicht nur Wasserstoff- Importeur für die ganze Republik sein, sondern benötigt den grünen Brennstoff auch selbst: Bis zum Jahr 2030 sollen die größten Industriebetriebe im Hafengebiet – die für rund ein Drittel des gesamten Hamburger Erdgasverbrauchs stehen – mit einem eigenen Netz für grünen Wasserstoff versorgt werden.

Dazu entsteht eine Leitungsverbindung von zunächst 45 Kilometer Länge südlich der Elbe. Neben den bereits bestehenden Erdgasleitungen sollen dazu auch Wasserstoffleitungen gebaut werden. In einem zweiten Schritt wird das Netz dadurch weiter ausgebaut, dass bestehende Erdgasleitungen für Wasserstoff umgewidmet werden. Insgesamt wird der städtische Betreiber Gasnetz Hamburg in den nächsten zehn Jahren dafür knapp 90 Millionen Euro investieren.