Hamburg. Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen haben Sorge vor einem Krieg in Europa. Was es jetzt laut Bekeris an Hamburger Schulen braucht.
- Alltag von Jugendlichen ist von multiplen Krisen geprägt, von Kriegen und Klimawandel
- Mehr als 80 Prozent haben Sorge vor einem Krieg in Europa
- Hamburgs Schulsenatorin Bekeris fordert, dass das Thema in Schule aufgegriffen wird
Junge Menschen interessieren sich weder für Nachrichten noch für das aktuelle politische Geschehen? Weit gefehlt – blickt man auf die Ergebnisse der 19. Shell Jugendstudie, die Mitte Oktober veröffentlicht wurde. Demnach sind das politische Interesse und die Bereitschaft zum Engagement bei Jugendlichen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Inzwischen zeigt sich mehr als die Hälfte politisch interessiert, und Geschlechterunterschiede sind weitgehend verschwunden. „Politik ist nicht mehr vorwiegend ‚Männersache‘“, heißt es in der repräsentativen Umfrage.
Wie ist die Lage in Hamburg? Wie fühlen sich Jugendliche in der Hansestadt, was bereitet ihnen Sorge? Wie gehen Zwölf- bis 25-Jährige mit den multiplen Krisen der heutigen Zeit um, wie mit den politischen und sozialen Bedingungen? Hamburgs Schulsenatorin Ksenija Bekeris (SPD) diskutierte am Donnerstag (28. November) am Gymnasium Klosterschule in Hamburg-Mitte die Ergebnisse der Shell-Studie – gemeinsam mit Co-Studienautorin Gudrun Quenzel, einem Schüler und einer Lehramtsstudentin.
Schule Hamburg: Krieg in Europa ist die größte Sorge der Jugendlichen
Russischer Angriffskrieg, Überfall der Hamas auf Israel, Gaza-Konflikt, Klimakrise: Krieg, Katastrophen und Konflikte prägen die Realität junger Menschen. So haben laut der Jugendstudie mehr als 80 Prozent von ihnen Angst vor einem Krieg in Europa. Ein großer Teil der jungen Menschen ist besorgt über die wirtschaftliche Situation und eine potenziell wachsende Armut (67 Prozent).
Diese Angst zeigt sich auch bei der Podiumsdiskussion an dem Ganztagsgymnasium: „80 Prozent haben Sorge vor einem Krieg. Bei Dingen wie der Debatte um die Wehrpflicht müssen junge Menschen mit einbezogen werden, es darf nicht über ihren Kopf hinweg entschieden werden“, fordert Jara Hamdorf, Vorsitzende des Landesjugendrings Hamburg. Es brauche Räume innerhalb der Schule für einen gemeinsamen Austausch – beispielsweise über Kriegsbilder, die viele Kinder beschäftigen, so die Lehramtsstudentin.
Hamburgs Schulsenatorin sagt dazu: „Der Krieg in der Ukraine ist sehr präsent, der ist nah dran, das beschäftigt Schülerinnen und Schüler sehr.“ Und weiter: „Das Thema Sicherheit, die eigene, die berufliche, aber auch die existenzielle wie bei einem Krieg in Europa müssen wir sehr ernst nehmen und in der Schule aufgreifen.“ Bekeris wünsche sich, dass die Schule von Kindern und Jugendlichen als demokratischer Ort wahrgenommen wird.
„Demokratiebildung muss schon in der Kita stattfinden“, sagt Thorben Bauer, Vorsitzender der Schülerkammer Hamburg. Kinder müssten schon früh erkennen, dass sie gehört werden, wenn sie etwas sagen, so der Zwölftklässler der Stadtteilschule Bergedorf.
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Trotz Ängsten und Sorgen bleiben Jugendliche optimistisch
Die Themen Klimawandel und Umweltverschmutzung bereiten weiterhin rund zwei Dritteln der Jugendlichen Sorgen. Dennoch: Dieser Wert hat sich im Vergleich zur letzten Jugendstudie aus dem Jahr 2019 verringert. Gleichzeitig haben immer weniger Jugendliche Angst vor Arbeitslosigkeit oder Schwierigkeiten bei der Ausbildungsplatzsuche – nur etwa ein Drittel gibt diese Sorgen an. „Das ist in unserer Zeitreihe ein historischer Tiefstand“, sagt Studienleiter Mathias Albert.
Trotz Sorgen über einen möglichen Krieg oder eine drohende Wirtschaftskrise blicken Jugendliche in Deutschland größtenteils optimistisch in die Zukunft: Sie sind zuversichtlich, ihren Wunschberuf zu erreichen, äußern zwar Unzufriedenheit mit den politischen Parteien, zeigen jedoch weiterhin Vertrauen in Staat und Demokratie.
„Junge Menschen sind sehr besorgt, aber pragmatisch und optimistisch zukunftsgewandt“, so der Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bielefeld. Quenzel bringt es bei der Debatte noch mal auf den Punkt: „Nie waren Jugendliche so optimistisch wie heute, in schulischer und beruflicher Hinsicht.“
Shell-Jugendstudie: Politische Einstellung junger Menschen – kein Rechtsruck zu erkennen
Die Studie hat auch die politische Positionierungen und die dahinterstehenden grundsätzlichen Überzeugungen junger Menschen untersucht. „Wir sehen einen beachtlichen Anteil an verdrossenen Jugendlichen, insgesamt rund zwölf Prozent der jungen Leute. Daneben gibt es einen erheblichen Anteil kritischer und unzufriedener Jugendlicher“, sagt Albert.
Diese seien leicht durch Populismus erreichbar, kritisch gegenüber Staat und Gesellschaft eingestellt und sehen sich als benachteiligte Modernisierungsverlierer. Dazu zählten beispielsweise Jugendliche mit eher niedriger Bildung, aus den neuen Bundesländern und auffallend viele junge Männer. „Nichtsdestotrotz: Die verdrossenen und unzufriedenen Jugendlichen prägen keinesfalls die ganze Generation“, so der Studienleiter.
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Auch hat die Studie keine Veränderungen festgestellt, die auf einen Rechtsruck hindeuten. So heißt es dort: „14 Prozent der Jugendlichen ordnen sich als links, weitere 32 Prozent als eher links ein. Zur Mitte zählen sich 26 Prozent. Als eher rechts bezeichnen sich 14 Prozent und als rechts vier Prozent.“ Aber: „Seit 2019 ist auf der einen Seite der Anteil männlicher Jugendlicher, die sich als eher rechts bezeichnen, angestiegen. Zusammengenommen ordnet sich jetzt jeder Vierte (25 Prozent) von ihnen als eher rechts oder rechts ein, 2019 war es nicht einmal jeder Fünfte.“