Hamburg. Reservisten proben im Hamburger Hafen den Ernstfall: „Nicht erst wach werden, wenn Raketen schon in die Elbphilharmonie einschlagen.“

„Die Menschen in Hamburg werden noch in diesem und die nächsten Jahre mitbekommen, dass wir aktiv für Katastrophen- und Krisenfälle üben und vorsorgen“, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) erst vor wenigen Tagen im Gespräch mit Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Und schon von Donnerstag an soll es so weit sein: Heimatschützer des Landeskommandos Hamburg proben im Hafen für den Ernstfall. „Red Storm Alpha“ heißt die Aktion.

Schon zu Beginn der Woche gab es eine „Übung zur Übung“. Auf Bundeswehrgelände in Schleswig-Holstein waren Hamburgs Heimatschützer schwer beschäftigt damit, einen Checkpoint zu errichten, wie er bis zum Wochenende auch auf dem Kleinen Grasbrook entstehen soll. Das Abendblatt hat die Reservisten beim Training in der Hugo-Junkers-Kaserne in Alt Duvenstedt besucht.

Sie proben für den Krisenfall: Das sind Hamburgs Heimatschützer

Von Donnerstag bis Sonnabend geht es im Hamburger Hafen zu, als wäre der Verteidigungsfall eingetreten. Eine Kompanie des Landeskommandos mit mehr als 100 Heimatschützern – ausgerüstet unter anderem mit Bandstacheldraht und Spanischen Reitern – baut einen Checkpunkt auf, an dem Personen- und Fahrzeugkontrollen durchgeführt werden könnten.

Damit im Hafen alles rundläuft, haben einige der Heimatschützer der zweiten Kompanie vom Landeskommando Hamburg das Checkpoint-Errichten in den Tagen davor schon einmal geprobt. Viele der Beteiligten sind nämlich noch nicht lange dabei beziehungsweise waren jahrelang nicht mehr für die Bundeswehr im Einsatz. Hamburgs zweite Heimatschutzkompanie wurde erst im März in Dienst gestellt.

Tschentscher über Krisenübungen in Hamburg

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    Bundeswehr Hamburg: Heimatschützer können sogar Ungediente werden

    Heimatschützer, das sind Reservisten – also Freiwillige, die sich entscheiden, im Ernstfall für ihre Heimat anzutreten. Sie gehen ganz „normalen“, zivilen Berufen nach. Erst wenn es hart auf hart kommt, übernehmen sie territoriale Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung. Außerdem nehmen sie an regelmäßigen Übungen teil, wie dieser Tage im Hamburger Hafen.

    Doch nicht nur im Kriegsfall unterstützen die Heimatschützer. Sie leisten auch Katastrophenhilfe, etwa bei Hochwasser und Überschwemmungen. Während der Corona-Pandemie waren sie an der Kontakt-Nachverfolgung beteiligt oder haben in Testzentren ausgeholfen.

    „Die meisten Heimatschützer haben militärische Vorerfahrung, waren zum Beispiel einmal Zeitsoldaten oder Wehrpflichtige“, sagt Oberstleutnant Jürgen Bredtmann, Sprecher des Landeskommandos. „Seit einer Weile können aber auch Ungediente zu Reservisten werden. Dazu müssen sie eine verkürzte Grundausbildung absolvieren.“ Diese dauere lediglich dreimal eine Woche und finde in Nienburg (Niedersachsen) statt, wo es entsprechende Übungsflächen gebe.

    Chef der Heimatschutz-Kompanie war viele Jahre Soldat

    Der Chef der zweiten Heimatschutz-Kompanie, die dieser Tage im Hafen zugange ist, heißt Jan Hesselbarth und war bei der Bundeswehr als Fallschirmjäger verpflichtet, bis er die Laufbahn wegen eines Sprungunfalls abbrechen musste. Mittlerweile ist Hesselbarth selbstständiger Unternehmensberater – und „ganz nebenbei“ auch Kompanie-Chef in der aktiven Reserve. 40 bis 60 Arbeitsstunden wendet er monatlich für den Posten auf.

    „Mir ist das total wichtig, denn die Freiheit, die Prosperität und den Pluralismus, den wir hier in Europa leben können, das ist ja meine Geschäftsgrundlage“, sagt Hauptmann Hesselbarth. „Allein aus diesem Grund sollte es im Interesse eines jeden Unternehmers sein, die Verteidigungsfähigkeit unseres Landes zu unterstützen.“ 

    Landeskommando Hamburg: „Ich sage immer: In fünf Jahren sind wir im Krieg“

    Dass der Einsatz der Heimatschützer im Ernstfall klappt, ist extrem wichtig – gerade in Hamburg steht viel auf dem Spiel. „Im Zweifel ist ganz Hamburg verteidigungswichtige Infrastruktur, denken wir nur an die Brücken, Schienen, Straßen, Flughäfen und natürlich den Hafen“, sagt Sprecher Bredtmann. „Im Verteidigungsfall kann Hamburg ein wichtiges Kreuz für die Nato werden, um Transporte zwischen West und Ost, aber auch zwischen Nord und Süd sicherzustellen.“

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    Die Übung im Hafen finde nicht aus Jux statt, macht der Kompaniechef klar: „Ich sage immer: In fünf Jahren sind wir im Krieg“, so Hesselbarth unumwunden. „Das heißt nicht, dass das stimmen muss, aber unser Mindset muss darauf ausgerichtet sein. In fünf Jahren müssen wir für den Ernstfall bereit sein.“

    „Wir dürfen nicht erst wach werden, wenn die Raketen schon in der Elbphilharmonie einschlagen“, sagt auch Sprecher Bredtmann. Das klinge martialisch, sei aber realistisch, sind sich die beiden Soldaten einig. Und es deckt sich mit Warnungen vor einem möglichen Verteidigungsfall seitens verschiedener Militärexperten, etwa dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer.