Hamburg. Viele Träger sozialer Einrichtungen leiden unter Personalnot. Welche Tagesstätten trotzdem Kinder aufnehmen und woran das liegt.

  • Kita-Belegung stark unterschiedlich je nach Stadtteil
  • Freie Plätze vor allem in Poppenbüttel, Wilhelmsburg, Bergedorf und Wandsbek
  • Trotzdem: Personalengstellen verhindern Aufbau-Strategien

Die Betreuungsquote von Kita-Kindern in Hamburg ist extrem hoch, gerade im Elementarbereich, also bei Kindern zwischen dem Krippen- und Grundschulalter. Und nicht nur das: Viele Kitas in der Stadt haben derzeit sogar ungeplant freie Plätze, für die es keine Interessenten gibt. Die Gründe dafür und wieso die Einrichtungen gleichzeitig unter Fachkräftemangel leiden, berichten die Elbkinder und Hamburger Kitaverbände. Unter ihnen sind die einzelnen Träger der Kindertagesstätten organisiert.

Immer mehr freie Kita-Plätze, vor allem in bestimmten Stadtteilen

Bei Hamburgs größtem und städtischen Kitaträger, den Elbkindern, haben Eltern derzeit geradezu freie Wahl, wo sie ihre Kinder betreuen lassen möchten. „Mehr als die Hälfte der Elbkinder-Kitas haben zurzeit Kapazitäten, neue Kinder aufzunehmen“, sagt Sprecherin Anne Fuy. Das sei zwar auch saisonal begründet, weil die Kinder in der Ferien- und Urlaubszeit weniger Betreuungsstunden benötigen. In der allgemeinen Tendenz würden die Elbkinder aber beobachten, dass es eine nachlassende Nachfrage nach Kita-Plätzen gebe.

Und nicht nur die Elbkinder, auch die Kita-Verbände von AWO bis SOAL e.V. berichten von freien Plätzen. Die 24 Kitas, die unter dem Dachverband der AWO Hamburg organisiert sind, betreuen derzeit 2000 Kinder – rund 100 weniger als ursprünglich geplant, informiert Sprecher Frank Krippner. Die Arbeiterwohlfahrt verzeichne die meisten freien Plätze in den Kitas in Poppenbüttel, Wilhelmsburg, Bergedorf und Wandsbek.

Hamburg rechnet mit 3800 Kita-Kindern weniger bis 2026

„Wir bekommen tatsächlich aus einzelnen Quartieren mehr Nachrichten, dass die Anmeldezahlen zurückgehen“, berichtet auch Tom Töpfer. Er ist der Sprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbands Hamburg, der als Dachverband für etwa 120 selbstständige Kita-Träger mit circa 300 Kitas und knapp 20.000 Kindern fungiert. Die Geburtenrate – die Stadt rechnet mit einem Rückgang von 3800 Kita-Kindern aus dem Elementarbereich bis 2026 – spiele dabei zwar eine Rolle, vermutlich aber nicht die einzige, sagt Töpfer. Denn zugleich sei die Zahl der Kitaplätze stark angewachsen. „Es gibt aber keine echte langfristige, bedarfsorientierte Jugendhilfesteuerung durch die Stadt“, bemängelt er. „So haben wir nun, anders als vor einigen Jahren, stellenweise einen Wettbewerb von Kitas um die Kinder.“

Stellenweise ist hier das Stichwort. Während es in einigen Gegenden für Eltern immer noch schwierig sei, einen Platz in einer bestimmten Kita zu bekommen, könnten Kitas in anderen Stadtteilen ihre freien Plätze nicht besetzen. „Aus manchen teuren Stadtteilen ziehen Familien eher an den Stadtrand, wenn sie das zweite oder dritte Kind bekommen“, begründet Töpfer. „Oder es gibt Wohnsiedlungen, in denen für viele Jahre Familien leben, und wenn die Kinder aus dem Kita-Alter herausgewachsen sind, kommen kaum noch kleine Kinder nach.“

Kita Hamburg: Freie Plätze unter anderem in Eppendorf und Eimsbüttel

Das deckt sich mit den Erfahrungen von Kindermitte e.V., dem Bündnis für soziales Unternehmertum und Qualität in der Kindertagesbetreuung. „Aktuell kommen freie Plätze eher in innerstädtischen Lagen wie Eppendorf oder Eimsbüttel vor“, ebenso in Winterhude, teilweise auch Wilhelmsburg, berichtet Geschäftsführer Benedikt Hensel. Damit hat sich das Blatt für die 45 Träger mit rund 100 Einrichtungen und mehr als 6000 Kinder, die über Kindermitte organisiert sind, gewendet. Noch vor einigen Jahren überstieg der Bedarf der Familien die zur Verfügung stehenden Plätze, sagt Hensel.

Die vielen freien Plätze führt er auch darauf zurück, dass sich immer mehr Familien für die Vorschule an den Grundschulen entscheiden. Zudem hätten sich die Bedarfe der Eltern verändert, vor allem seit der Corona-Pandemie. In Hamburg erhalten Eltern Kita-Gutscheine von der Stadt, die sie bei den Trägern für die Betreuung einlösen. Fünf Stunden am Tag inklusive Mittagessen sind beitragsfrei, bis zu zwölf Stunden sind möglich. Diesbezüglich beobachtet Hensel: „Es werden weniger lange Gutscheine beantragt, und es konzentriert sich mehr auf die Bereiche im Umfang von sechs und acht Stunden pro Tag.“

Lars Petersen, Bereichsleitung Kindertagesstätten und Familienförderung des Trägers DRK KiJu vom Deutschen Roten Kreuz, berichtet Ähnliches – und sieht hierfür das Homeoffice als ursächlich an. In den 19 Kitas des Trägers (1500 Kinder) seien derzeit fünf Prozent der Plätze für Kinder unbesetzt. „Insbesondere in Bergedorf sind die Belegungszahlen rückläufig“, so Petersen.

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Kitas in Hamburg suchen händeringend Personal – trotz freier Plätze

Zugleich melden die Verbände zurück, weiterhin händeringend nach Fachkräften zu suchen. „Viele unserer Mitgliedskitas klagen über Stellenvakanzen, Personalmangel oder hohen Krankenstand. Mit Zeitarbeits-Kolleginnen und -Kollegen oder Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern können sie teilweise diese Lücken füllen“, äußert sich etwa Tom Töpfer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. In Ausnahmefällen müssten die Kitas ihre Betreuungszeiten an den Randzeiten sogar kürzen oder Gruppen zusammenlegen. „Daher gibt es auch Kitas, die aufgrund ihres Personalstandes nicht so viele Kinder aufnehmen, wie sie prinzipiell könnten“, so Töpfer.

Auch Benedikt Hensel von Kindermitte e.V. berichtet, dass es nicht nur wegen fehlender Interessenten ungeplant freie Stellen in Kitas gebe, sondern auch weil stellenweise zu wenig Personal vorhanden sei. „Es führt in manchen Gegenden auch dazu, dass Kitas einzelne Gruppen nicht öffnen können“, so Hensel. Insbesondere im Bereich der Eingliederungshilfe, der Kinder mit Behinderung beziehungsweise therapie- und heilpädagogischem Bedarf betrifft, übersteige die Nachfrage das Angebot bei Weitem. Hier sei der Mangel an heilpädagogischen Fachkräften der Grund.

Dass die Kitas nun weniger Personal benötigen, weil sie zunehmend freie Betreuungsplätze haben, kann also nicht der Schluss sein. Trotzdem stecken in der Situation Potenziale, meint Hensel: „Diesen Moment sollten wir mit der Politik nutzen, um den qualitativen Ausbau zu stärken. Bessere Personalschlüssel, Umsetzung von Vor- und Nachbereitungszeiten, qualitative Beratung und Fortbildung, um inklusive Kitas zu schaffen.“