Hamburg. Hamburger Erzieher, Träger und Eltern zeigten im Rathaus, wie sehr sie auf Zinne sind. Andrang überstieg Kapazitäten. Polizei musste eingreifen.

  • Hamburger Kita-Mitarbeiter klagen über fehlendes Personal – immer wieder müssten Kinder zurück nach Hause geschickt werden.
  • Viele Träger sind wegen der Kostensteigerungen in eine finanzielle Schieflage geraten.
  • Bei einer turbulenten Anhörung musste Sozialsenatorin Schlotzhauer drängende Fragen beantworten.

Schlangestehen im Rathaus: Wer am Donnerstagabend an der öffentlichen Anhörung zu den Themen Fachkräftebedarf, Leiharbeit und Tarifanwendung in Hamburgs Kitas teilnehmen wollte, sah sich in vielen Fällen verprellt. Als Raum 115, in dem der Familien-, Kinder- und Jugendausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft tagte, wegen Überfüllung schließen musste, standen noch rund 100 Menschen – teils lautstark empört – vor der Tür. Bevor die Stimmung endgültig kippen konnte, griffen kurzerhand Polizeibeamte ein und schickten die Wartenden aus dem Rathaus-Foyer. Bleiben durfte nur, wer einen Redebeitrag vorbereitet und angemeldet hatte.

Deutlicher wird es nicht mehr: Die Kita-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter, aber auch einige Eltern, sind so richtig auf Zinne. Das Spektrum der Wutauslöser ist groß. Dutzende kritische Fragesteller hörte sich der Ausschuss unter dem Vorsitz von Sabine Boeddinghaus (Linke) und in Anwesenheit von Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) am Donnerstagabend an. Im Anschluss beantwortete die Senatorin die drängendsten Fragen.

Kita Hamburg: Mitarbeiter sind auf Zinne

Die Probleme sind vielfältig, doch einige Ärgernisse kamen immer wieder zur Sprache: Kita-Leitungen klagten, dass sie mit den Kita-Gutschein-Entgelten, die sie pro betreutem Kind von der Stadt erhalten, ihre Fachkräfte nicht bezahlen können – nach Tarif schon gar nicht. Erzieher beschwerten sich reihenweise darüber, dass sie die Betreuungsschlüssel nicht einhalten können. Immer wieder müssten Kinder nach Hause geschickt und von den Eltern betreut werden, weil in den Kitas nicht genug Personal vorhanden ist. Umfassende Dokumentationspflichten und überbordende Bürokratie fräßen zusätzlich Zeit der Mitarbeiter in den Hamburger Kitas.

Stark benachteiligt fühlen sich zudem kleinere Kita-Träger, die nicht etwa mit einem großen Springer-Pool aufwarten können und von besonders großen Problemen bei der Finanzierung betroffen seien. Neue Fachkräfte zu gewinnen, ist den Rednern zufolge mit enormen Schwierigkeiten verbunden. Zumal viele Erzieher mittlerweile die Arbeit in Teilzeit vorziehen würden, um die eigene Belastung zu reduzieren. Zudem brächen viele junge Menschen ihre Ausbildungen ab – etwa weil sie schnell merkten, dass die Arbeitslast eines Erziehers in keinem Verhältnis zu dessen Entlohnung stehe. Das alles gehe nicht nur zulasten der Gesundheit von Kita-Mitarbeitern, sondern nicht zuletzt zulasten der Kinder in dieser Stadt, so das Credo der Betroffenen.

Kita-Mitarbeiter machen ihrem Ärger Luft: hitzige Redebeiträge im Rathaus

In teils tränenschweren, teils hitzigen Redebeiträgen machten die Kita-Mitarbeiter und einige Eltern ihrem Ärger Luft. Sie sei „mütend“, sagte etwa eine der Anwesenden: „Ich bin müde und erschöpft und restlos wütend.“ Seit zehn Jahren bringe sie ihre Themen bei Hamburger Politikern an, „doch es hat sich nichts, aber auch gar nichts geändert.“

Diesmal soll es anders sein, so der Anspruch von Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer, die den Erziehern und Eltern vor Ort Antworten auf ihre Fragen und Sorgen gab. Der Personalknappheit – die wichtigste Ursache für viele der vorgetragenen Nöte – wolle die Senatorin mithilfe einer neuen Fachkräftestrategie für soziale Berufe entgegenwirken, die derzeit in der Ausarbeitung sei. Es gehe darum, die Attraktivität des Erzieherberufs zu stärken, aber auch ausländische Fachkräfte anzuwerben. In Elbkinder-Kitas gebe es bereits ein Pilotprojekt mit italienischem Personal. Um Daten zu Ausbildungs-Abbrechern zu erheben und Gründe für die Abbrüche herauszufinden, sei erst vor Kurzem eine dreijährige wissenschaftliche Studie zum Thema angeschoben worden.

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Nach Prognosen des Senats werden zwar im Jahr 2026 etwa 3800 weniger Kinder zu betreuen sein, sagte die Senatorin. Dennoch müsse sich Hamburg dauerhaft auf Personalengpässe einstellen. Auch aus diesem Grund habe Schlotzhauer „hart verhandelt“, um den Kita-Etat für frühkindliche Bildung und Betreuung aus dem Haushalt der Sozialbehörde von aktuell 1,2 Milliarden Euro auf 1,3 Milliarden Euro für die Jahre 2025/26 zu erhöhen. Das Geld solle explizit auch in den Personalaufbau fließen.

Eine Arbeitsgruppe beschäftige sich zudem mit der Frage, an welchen Stellen aufwendige Dokumentationsarbeiten entfallen können, damit die Erzieher mehr Zeit für die Arbeit mit den Kindern haben. Was Notfallkonzepte, etwa für Zeiten mit hohen Krankenständen, und die Gesundheitsförderung der Kita-Mitarbeiter anbetrifft, sieht Schlotzhauer die Verantwortung wiederum bei den Trägern.

Inwiefern die Kostensteigerungen in den Kitas refinanziert werden, liege an den Verhandlungen zum Landesrahmenvertrag mit den Kita-Verbänden, denen die Träger unterstehen. Diese Verhandlungen gestalten sich der Senatorin zufolge oftmals schwierig, da sie nach dem Einstimmigkeitsprinzip erfolgen. Die aktuelle Verhandlung solle in wenigen Wochen abgeschlossen sein. Für zukünftige Verhandlungsrunden hat Schlotzhauer jedoch eine Idee, wie sich die Entgelte flexibler an aktuelle Preisentwicklungen anpassen ließen: Sie könne sich vorstellen, künftig nicht mehr rückblickend zu verhandeln, sondern „prospektiv“, also vorausschauend.