Hamburg. Gute Gehälter, familienfreundliche Schichten, Wohnungen – so müssen Hochbahn und S-Bahn in Hamburg Hunderte neue Mitarbeiter gewinnen.
Ein glattes Jahrhundert ist es her: Am 1. August 1924 nahmen die ersten Hochbahn-Busfahrer (Busfahrerinnen gab es erst ab 1972) ihre Ausbildung auf – der Grundstein für den regulären Bus-Linienbetrieb in Hamburg war gelegt. Anlässlich dieses Jubiläums geht schon bald ein moderner, doch innen und außen im Retrostyle gehaltener Hochbahn-Bus in den regulären Linienverkehr. Ist schließlich ganz schön viel passiert, in zehn Jahrzehnten Hochbahn-Bus-Geschichte.
Und neue Herausforderungen werfen ihre Schatten voraus. In zehn Jahren dürften 29 Prozent der heutigen Bus- und 34 Prozent der U-Bahn-Fahrer der Hochbahn verrentet sein. Zugleich verzeichnet das Unternehmen Fahrgast-Rekorde. Muss die Hochbahn künftig Linien streichen oder ihre Ausbaupläne überdenken? Kommt gar nicht in die Tüte, sagt Personal- und Busvorständin Saskia Heidenberger. Das Verkehrsunternehmen will den Fachkräftemangel in den Griff bekommen – ebenso wie die S-Bahn Hamburg.
Hamburger Hochbahn: Fahrgastrekorde, Mangel an Fahrern
Die Hochbahn beschäftigt derzeit rund 3300 Bus- und 630 Zugfahrer. Damit alle Fahrgäste täglich zuverlässig transportiert werden, muss das Verkehrsunternehmen fortwährend neue Mitarbeiter einstellen. Einerseits, um ausscheidende Kollegen zu ersetzen, zweitens, um die geplante Leistungsausweitung zu stemmen. Nicht zuletzt muss das Verkehrsunternehmen kompensieren, was die Beschäftigten im Frühjahr gemeinsam mit der Gewerkschaft Verdi erstritten haben: Wochenarbeitszeiten von nur noch 37 Stunden ab Juli 2027 – bei vollem Lohnausgleich.
Im Jahr 2025 beginnen acht neue Mitarbeiter ihre Ausbildung zum Busfahrer, heißt es vom Unternehmen. Zusätzlich stellt die Hochbahn jeden Monat ungefähr 30 Quereinsteiger im Bereich Bus und weitere zehn im Bereich U-Bahn ein. Doch auf Dauer dürfte selbst das nicht reichen. „Wie viele Unternehmen im öffentlichen Personennahverkehr stehen auch wir vor der Herausforderung, qualifizierte Fachkräfte zu finden und langfristig zu binden“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum dem Abendblatt.
Die Hochbahn verspricht ihren Bewerbern deshalb viel: eine garantierte Übernahme, eine „wettbewerbsfähige“ Bezahlung mit Zuschlägen und Sonderzahlungen, zusätzliche Kind-krank-Tage und aufgestocktes Elterngeld, Entwicklungsmöglichkeiten sowieso. Außerdem unterhält das Verkehrsunternehmen derzeit rund 2200 Mitarbeiterwohnungen. Etwa 400 weitere entstehen demnächst auf dem Gelände des heutigen Rewe-Centers Altona.
U5 Hamburg: Spart die fahrerlose U-Bahn Arbeitsplätze ein?
Zugleich prüft die Hochbahn, wo sich Stellen sparen lassen. „Automatisierung und Digitalisierung werden auf verschiedensten Ebenen genutzt, um durch Effizienzgewinne den Personalbedarf zu mildern“, sagt Kreienbaum. Etwa durch die derzeit im Bau befindliche Linie U5, die von 2040 an fahrerlos durch Hamburgs Untergrund rauschen soll?
Nicht unbedingt, sagt der Sprecher: „Selbstverständlich wird die U5 auch Buslinien an der Oberfläche ersetzen und damit tendenziell zu weniger Busleistungen und einer geringeren Nachfrage nach Busfahrerinnen und Busfahrern führen. Im Nettoeffekt gehen wir aber von einer weiter wachsenden Belegschaft aus.“ Die U5 benötige zusätzliche Mitarbeiter in den Leitstellen, für Sicherheit und Überwachung sowie die Instandhaltung. „Hinzu kommen deutlich mehr Fahrgäste mit steigenden Personalanforderungen für die Werkstätten“, so Kreienbaum.
Hochbahn Hamburg: Betriebskindergärten und studentische Aushilfen
„Wir nehmen die Herausforderung an. Wir stemmen das“, ist sich Personalvorständin Heidenberger sicher. Insbesondere hinsichtlich der Fahrerinnen – derzeit etwa 400 – sei sie „intensiv bemüht, die Quote zu erhöhen“. Hier stehe die Familienfreundlichkeit des Jobs im Mittelpunkt. Auch die Idee eines Hochbahn-Betriebskindergartens bringt Heidenberger ins Spiel.
Perspektivisch müsse das Unternehmen laut der Personalvorständin auch über den Einsatz von studentischen Aushilfen oder Rentnern nachdenken, die sich vorstellen können, auch im Ruhestand noch bei der Hochbahn zu arbeiten. „Die Situation des Fachkräftemangels mit unserem sich anbahnenden Generationenwechsel, das ist schon einzigartig“, sagt sie, „und da bedarf es wirklich pfiffiger, innovativer, neuer Strategien.“
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S-Bahn Hamburg will bis Anfang der 2030er-Jahre 1000 Mitarbeiter einstellen
Kaum anders blickt die S-Bahn Hamburg auf den umkämpften Arbeitsmarkt. „Aktuell haben wir genug Lokführerinnen und Lokführer und wir bilden auch massiv aus – circa 100 Lokführerinnen und Lokführer jedes Jahr. Wir müssen aber an dem Thema dranbleiben“, sagt der gerade erst ins Amt gewechselte S-Bahn-Hamburg-Chef Jan Schröder. Ähnlich wie bei der Hochbahn sieht die Rechnung der S-Bahn aus: Von den derzeit rund 1500 Mitarbeitenden werden grob 500 das Unternehmen bis Anfang der 2030er-Jahre verlassen.
Weil die S-Bahn Hamburg kräftig ausbaut, verschärft sich die Situation zusätzlich: „Für die Linien S4 und S6 müssen wir noch Personal aufbauen. Unser Ziel ist, bis Anfang der 2030er-Jahre knapp 1000 Mitarbeitende einzustellen“, sagt Schröder dem Abendblatt. Rund 100 Plätze für die Funktions- und 20 für die Erstausbildung schreibe die S-Bahn Hamburg derzeit jährlich aus, dazu kommen Ausbildungsplätze im technischen Bereich. Vor allem Lokführer und Handwerker suche das Unternehmen.
Locken will die S-Bahn ihre Bewerber als „attraktive und sichere Arbeitgeberin“, so ein Sprecher, mit guten Arbeitszeitmodellen und betrieblicher Altersvorsorge sowie einem Gehalt, das sich sehen lässt. Lokführer verdienen bei der S-Bahn durchschnittlich mehr als 50.000 Euro im Jahr. Schon in der Funktionsausbildung erhält ein zukünftiger Fahrer rund 35.000 Euro jährlich. Zulagen gibt es für Arbeit in der Nacht, am Wochenende und an Feiertagen.