Hamburg. Für das Modell DT6 nimmt die Hochbahn 2,8 Milliarden Euro in die Hand. Wo Hamburgs modernste Züge zuerst fahren und was sie bieten.
Was viele Hamburger Fahrgäste womöglich nicht wissen: Manche der U-Bahnen, in denen sie täglich sitzen, stammen aus dem Jahr 1988. Da war Deutschland noch geteilt! Keine Frage also, die Wagen des Modells DT4 (Doppeltriebwagen der vierten Generation) haben langsam ausgedient.
Deshalb löst die Hamburger Hochbahn AG nun eine Großbestellung für brandneue U-Bahn-Fahrzeuge des Typs DT6 aus. Die ersten Exemplare sollen 2028 durch Hamburg rollen, zunächst im Testbetrieb. Die ersten Fahrgäste können planmäßig 2029 einsteigen und bis circa 2050 will die Hochbahn stetig Fahrzeuge nachordern. Insgesamt lässt sie sich das 2,8 Milliarden Euro kosten. Das ist der bis dato größte Einzelauftrag in der Unternehmensgeschichte der Hochbahn – den die Stadt wie alle Ausgaben des Verkehrsunternehmens gegenfinanziert. Regionalisierungsmittel des Bundes lassen sich nicht für die Fahrzeuge nutzen.
Hochbahn: Neue U-Bahn in Hamburg mit klassischem Design
Für Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) ist der DT6 essenziell für die Mobilitätswende: „Wir erneuern nicht nur eine Ikone Hamburgs, sondern wir legen auch den Grundstein für das Wachstum im öffentlichen Nahverkehr der nächsten 30 Jahre“, sagt er. Denn mit dem DT6 geht auch eine Vergrößerung der Flotte um rund 50 Prozent einher. Dass die Hochbahn den neuen Triebwagen solch ein enormes Budget einräumt, liege auch daran, dass die Fahrzeuge 40 Jahre lang auf Hamburgs Schienen unterwegs sein sollen. Es handle sich um eine „grundlegende Entscheidung“, so Tjarks.
Die neuen DT6-Fahrzeuge gibt es in zwei Versionen. Das Modell „A“ (wie „automatisch“) fährt von 2028 an zunächst im Testbetrieb fahrerlos auf einer Teilstrecke der derzeit im Bau befindlichen Linie U5. Weil der Fahrerstand hier wegfällt, können die Gäste sogar ganz vorn oder hinten an der Front- beziehungsweise Heckscheibe Platz nehmen. „Wir gehen davon aus, dass das künftig der beste Sitzplatz in ganz Hamburg sein wird“, scherzt der Hochbahn-Vorstandsvorsitzende Robert Henrich. Das Modell „F“ (für „Fahrpersonal“) kommt auf allen bestehenden Linien zum Einsatz und soll dort sukzessive die Wagen aus der vierten DT-Generation ersetzen und die Flotte vergrößern. Das letzte der derzeit 126 DT4-Fahrzeuge verschwindet planmäßig 15 Jahre nach Start des DT6 aus dem Stadtbild.
Was das Außendesign angeht, setzt die Hochbahn auf Bewährtes. Die neuen rot-silbernen Wagen ähneln der Vorgängerversion DT5 stark. Schließlich sei dieser Look identitätsstiftend für Hamburg und könne nahezu als Wahrzeichen durchgehen, meint Henrich. Deutlich markanter als beim Vorgänger werden die Türen des DT6, die komplett aus Glas bestehen. Der Innenraum ist hell und modern gestaltet, Fahrgastfernsehen sowie Reklame soll es hier nicht mehr geben – dafür 44 Informationsbildschirme je Wagen.
Neue U-Bahn-Fahrzeuge für Hamburg: mehr Platz, weniger Sitze
Die Bahnen sind wie die bisherigen 40 Meter lang und können allein, im Zweier- oder Dreierverbund rollen. Anders als der DT5 bestehen die neuen Fahrzeuge aber aus vier statt drei Teilen. So kommen die Bahnen geschmeidiger um die Kurven und können daher etwas breiter sein. Mit 273 statt 260 Zentimetern Breite bieten sie den Hochbahnkunden deutlich mehr Platz als alle älteren Modelle. 280 beziehungsweise 300 (Modell „A“) Menschen können dann in einer Bahn transportiert werden. Das sind etwa 60 mehr als bislang. „Die Fahrgäste stehen im Mittelpunkt“, sagt Projektleiter Klaus Liedgens.
Das ist wörtlich zu nehmen. Zwar haben die DT6-Wagen mehr Fassungsvermögen, aber deutlich weniger Sitzplätze. Statt 95 Sitze wie in einem DT5-Wagen finden Fahrgäste hier nur noch 58 Sitze vor (66 im Modell „A“). Die Sitzplätze im DT6 werden zum Teil klassisch in Vierergruppen, aber auch in Längsrichtung angeordnet sein, Klappsitze entfallen.
U-Bahn in Hamburg: Neue Züge machen Ein- und Aussteigen „glatter“
Hochbahn-Chef Henrich hält die starke Reduzierung der Sitzplätze selbst angesichts einer alternden Gesellschaft für den besten Kompromiss: „Die Platzgestaltung orientiert sich an den Bedarfen der unterschiedlichen Nutzergruppen – seien es Kurz- oder Langreisende, Menschen mit Handicap oder mit Kinderwagen.“ Es gebe im DT6 viel mehr Abstellfläche, auch für Rollstühle und Rollatoren oder Fahrräder. Zudem verbringe ein Fahrgast typischerweise sowieso nur zehn Minuten im Wagen.
Die vergrößerten Stehbereiche dienen auch dazu, dass die Ein-und-Aussteige-Phasen glatter ablaufen, erklärt Henrich. In den DT6-Fahrzeugen stünden dann weniger Menschen im Türbereich, es gebe eine „verbesserte Durchgängigkeit“. Der Hochbahn-Chef ist sich sicher: „In Summe ist es vom Fahrgast-Erleben her ein viel, viel besserer Zug – auch für die Personen, die sitzen wollen.“
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Hersteller für Hamburgs neue U-Bahn erneut Alstom
Hersteller der neuen Fahrzeuge ist erneut Alstom. Das Unternehmen hatte bereits die Vorgängermodelle produziert und arbeitet seit 60 Jahren mit der Hochbahn zusammen. Es habe sich in einer Ausschreibung durchsetzen können. Bis zum Jahr 2050 soll Alstom bis zu 374 DT6 liefern, die Fertigung erfolgt in Salzgitter. Laut Alstom ist der DT6 das Progressivste, was das Unternehmen derzeit in petto hat. Die Edelstahl-Fahrzeuge sparen im Vergleich zu den Vorgängern rund 20 Prozent Energie und die Recyclingquote soll bei mindestens 94 Prozent liegen.
Die erste Abnahmetranche umfasst 48 Fahrzeuge, davon sieben des Typs „A“ für die Linie U5. Ebenfalls Bestandteil des Vertrages: Alstom rüstet die rund 25 Kilometer lange Strecke der U5 inklusive der 23 Haltestellen mit dem Betriebsführungssystem CBTC (Communication Based Train Control) aus.
Hochbahn-Ingenieure haben lange am DT6 getüftelt
Die Hochbahn hat dem Auftragnehmer genaueste Angaben darüber gemacht, wie die Fahrzeuge auszusehen haben. Und, so ist sich Henrich sicher: „Unsere Ingenieure und Ingenieurinnen haben wirklich noch das Letzte herausgekitzelt.“ Projektleiter Klaus Liedgens hat sich knapp zehn Jahre mit dem DT6 beschäftigt. Es gab einige Herausforderungen für ihn zu meistern. Denn wer heute eine U-Bahn baut, muss mit Infrastrukturentscheidungen leben, die teils schon im Jahr 1912 getroffen wurden. Schmale Tunnelprofile, kleine Kurvenradien, historische Brücken und Viadukte, gekrümmte und verschieden lange Bahnsteige muss der DT6 problemlos durchfahren und bedienen können.
Besonders stolz zeigt sich Liedgens darüber, dass er und sein Team die neuen Bahnen um 13 Zentimeter verbreitern konnten. Der Clou: ein vier- statt dreiteiliges Fahrzeug bei weiterhin 40 Metern Länge. Außerdem haben die Ingenieure noch einmal präzise analysiert, wie die Fahrzeuge um die Kurven und durch die Tunnel biegen und konnten nach diesen Berechnungen einige Sicherheitszuschläge getrost ad acta legen. „Die Zauberformel heißt: interdisziplinär arbeiten, Teamwork und das System wirklich verstehen“, sagt Liedgens.