Hamburg. Hochbahn, Bäderland, Block House und Airbus vertrauen auf Ruheständler. Ein 80-Jähriger wurde sogar als Rettungsschwimmer eingestellt.

Lufthansa Technik will in diesem Jahr massiv wachsen und mehr als 1000 Stellen in Hamburg aufbauen. Doch das ist angesichts des Fachkräftemangels ein schwieriges Vorhaben. Daher bedient sich der Weltmarktführer für die Reparatur, Wartung und Überholung von Flugzeugen bei altgedienten Kräften.

Rentner werden im Rahmen des Konzepts „Senior Experts@LHT“ zurück in das Unternehmen geholt. Gut ein Dutzend sind seit Juni wieder tätig, 50 bis 100 im Jahresverlauf seien ein Erfolg, hieß es. Auch Ruheständler, die bisher nicht für Lufthansa Technik gearbeitet haben, hätten Chancen auf eine Einstellung.

Fachkräftemangel: Diese Hamburger Unternehmen setzen auf Rentner

Ganze „Programme“ seien ihm von anderen Firmen bisher nicht bekannt, sagte auf Anfrage der Hamburger Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock. Aber: „Es gibt sehr viele Unternehmen, welche ihren Seniorinnen und Senioren eine Weiterbeschäftigung anbieten.“ Dafür setze der Gesetzgeber zusätzliche Anreize. So sind zum Jahresanfang 2023 die Hinzuverdienstgrenzen für Rentner aufgehoben worden.

In den vergangenen Jahren haben sich mehr Ältere dazu entschlossen, weiterhin einen Beruf auszuüben. Waren Ende September 2018 noch 7722 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte über der Regelaltersgrenze bei der Arbeitsagentur in der Hansestadt gemeldet, stieg diese Zahl vier Jahre später auf 9515 – ein Plus von gut 23 Prozent. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten sank in dem Zeitraum leicht um 540 auf 18.446 Personen.

„Weiterbeschäftigung jenseits des Renteneintritts kann für Rentnerinnen und Rentner sowie Unternehmen interessant sein und stellt einen von vielen Beiträgen zur Reduktion der Arbeitskräftelücke dar“, sagte Fock.

Hamburgs Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock sieht die Weiterbeschäftigung von Rentnern als einen von mehreren Beiträgen, um die Arbeitskräftelücke zu schließen.
Hamburgs Arbeitsagentur-Chef Sönke Fock sieht die Weiterbeschäftigung von Rentnern als einen von mehreren Beiträgen, um die Arbeitskräftelücke zu schließen. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Unsere Redaktion machte daher eine Umfrage bei Hamburger Arbeitgebern, wie stark sie der Fachkräftemangel trifft und ob sie wieder auf Rentner zurückgreifen oder dies erwägen.

Hamburger Hochbahn – Ex-Rentner fahren wieder Bus

Mehr als 300 Stellen sollen bei der Hamburger Hochbahn in diesem Jahr besetzt werden, vor allem im Technik, IT- und Busbereich. Grundsätzlich sei man zuversichtlich, „die allermeisten dieser Stellen auch besetzen zu können“, sagte Sprecher Christoph Kreienbaum. Derzeit seien 31 Rentner im Unternehmen aktiv, die auch zuvor schon bei der Hochbahn beschäftigt waren. Vorwiegend seien es Busfahrer und Kollegen aus dem Ingenieurbereich.

In Einzelfällen würden Mitarbeiter auch gebeten, ihren Renteneintritt hinauszuschieben, um Nachfolger einzuarbeiten. Eine Option sei für das Verkehrsunternehmen auch die Einstellung von Rentnern, die bisher nicht für die Hochbahn tätig waren, zum Beispiel in der Verwaltung, Technik und IT. Im Fahrbereich käme dies nur in Einzelfällen infrage, wenn die gesundheitliche Eignung sichergestellt und keine Fahrschulausbildung mehr erforderlich sei.

Bäderland stellt 80-Jährigen als Rettungsschwimmer ein

15 Fachangestellte für Bäderbetriebe und einen Elektriker sucht das Bäderland derzeit. Ehemalige eigene Rentner zurückgeholt habe man bisher nicht, heißt es vom Schwimmbadbetreiber. Aber man habe in der Vergangenheit Rentner eingestellt, die zuvor in anderen Unternehmen tätig waren.

Beispielsweise sei im vergangenen Jahr ein 80-Jähriger auf Teilzeitbasis genommen worden, der als Mastersschwimmer bravourös für den Job als Rettungsschwimmer geeignet gewesen sei. Körperliche Eignung und Rettungsfähigkeitsprüfung sind dafür natürlich Voraussetzung. Einsätze wären zudem als Fachangestellter für Bäderbetriebe sowie während der Sommersaison als Kassenkraft möglich.

Montblanc greift auf Rentner für Produktionsspitzen zurück

Bei Montblanc könne man den Fachkräftebedarf derzeit noch recht gut decken – auch weil man während der Pandemie keine Leute entlassen habe. Dauerhaft sei noch kein Rentner zurückgeholt worden, sagte Sprecherin Kim Fobe.

„In wenigen Einzelfällen“ seien Mitarbeiter nach Erreichen des Renteneintrittsalters für maximal ein Jahr weiterbeschäftigt worden, „wenn sie auf uns zugekommen sind und wir Bedarf hatten“. Zudem würden hin und wieder vereinzelt Rentner zu Spitzenzeiten in der Produktion eingesetzt werden, wenn sie sich etwas hinzuverdienen wollen.

Block House: „Nach vielen gelaufenen Kilometern“ Freude auf Ruhestand

„Die Block Gruppe beschäftigt mehrere Mitarbeiter, die auf eigenen Wunsch über das Renteneintrittsalter hinaus bei uns arbeiten“, sagte Stephan von Bülow, Vorsitzender der Geschäftsführung der Block Gruppe. Ihr Engagement, Fachwissen und langjährige Erfahrung würden geschätzt. In Gastronomieberufen freuten sich Mitarbeiter nach vielen gelaufenen Kilometern jedoch häufig auf den wohlverdienten Ruhestand.

Der Idee, Rentner mit relevanten Fähigkeiten und Erfahrungen in der Verwaltung einzustellen, steht man bei dem Betreiber der Block-House-Restaurants und des Hotels Grand Elysée aufgeschlossen gegenüber.

Bäckerei Junge sucht händeringend Personal im Verkauf

Bei der Bäckerei Junge mit rund 50 Filialen in Hamburg werde „händeringend“ Personal im Verkauf gesucht, sagte Sprecher Gerd Hofrichter: „Unternehmensweit ist das eine dreistellige Anzahl.“ Auch Rentner, die bisher nicht für den Lübecker Traditionsbetrieb gearbeitet hätten, kämen dafür infrage – und seien bereits auch eingestellt worden.

Ein ähnlich starkes Wachstum wie Lufthansa Technik plant der Branchenrivale Airbus. Deutschlandweit sollen 3500 Menschen in diesem Jahr rekrutiert werden. Allein 1300 Mitarbeiter werden für Hamburg gesucht – vom Lackierer über Elektriker, Strukturmechaniker, Kabinenausrüster, Systeminstallateur bis zu Cyber-Security-Experten, IT-Architekten und Softwareentwickler.

Ungewöhnliche Werbefläche: Auf einem A321XLR mit QR-Code wirbt Airbus um Talente: „Can’t wait to get you on board!“, steht auf der Maschine.
Ungewöhnliche Werbefläche: Auf einem A321XLR mit QR-Code wirbt Airbus um Talente: „Can’t wait to get you on board!“, steht auf der Maschine. © Airbus

Ein spezielles Programm dafür gebe es nicht, sagte Airbus-Sprecher Daniel Werdung: „Natürlich gibt es auch Einzelfälle, wo wir im Rahmen von Wissenstransfer oder Projekttätigkeiten Mitarbeiter beschäftigen, die bereits das Alter ihrer Regelrente erreicht haben.“

Haspa erhöht Ausbildungsaktivitäten deutlich

Die Hamburger Sparkasse begegnet dem Fachkräftemangel mit einer verstärkten Ausbildung. Die Zahl der Ausbildungsplätze sei um 50 Prozent auf 90 erhöht worden. Man setze auf Vielfalt mit jungen Leuten zum Karrierestart sowie auf Berufserfahrene für die Vermögens-, Gewerbe- und Privatkundenberatung.

Man schaue sich Möglichkeiten an, „in diesem Zusammenhang auch verstärkt das Potenzial von Ruheständlern zu nutzen“, sagte Sprecher André Grunert. Bereits heute engagierten sich viele ehemalige Mitarbeiter auch nach Renteneintritt, zum Beispiel ehrenamtlich in der Haspa Hamburg Stiftung.

Man spüre zwar den Fachkräftemangel wie jedes andere Unternehmen auch, heißt es bei Eppendorf. Bisher sei in diesem Zusammenhang die Beschäftigung von Personen im Rentenalter aber kein Thema gewesen und bis auf Weiteres auch nicht geplant, sagte Ralph Esper, Sprecher des Laborbedarfsherstellers. Somit würden Beschäftigte auch nicht angesprochen, ihren Renteneintritt hinauszuschieben.

Beiersdorf rekrutiert Personal an Hochschulen

Beiersdorf fördere eine ausbalancierte Altersmischung und versuche, die Stärken der unterschiedlichen Generationen gezielt zu nutzen und Spitzen bei altersbedingten Austritten zu vermeiden, sagte eine Sprecherin des Nivea-Herstellers: „Aktuell stellt sich für uns die Frage, ob wir Rentner wieder einstellen, nicht.“ Mit gezieltem Werben an Hochschulen könne man dem Fachkräftemangel sehr gut entgegenwirken.

Zudem verfolge man den Ansatz des lebenslangen Lernens, sodass die Generation 50+ speziell auf ihre Bedarfe zugeschnittene Angebote erhalte.

Der Fachkräftemangel beziehe sich im wesentlichen auf IT-Fachkräfte, sagte Hapag-Lloyd-Sprecher Nils Haupt: „Als internationales Unternehmen können wir solche Fachkräfte auch außerhalb von Europa rekrutieren.“ Eine Rückkehr von Rentnern sei daher bei der Traditionsreederei eher kein Thema.

Otto Group sieht sich als „echter Pionier“

Derzeit und in Zukunft werden in den zahlreichen Konzerngesellschaften der Otto Group vor allem Fachleute im Tech-Bereich gesucht. Grundsätzlich habe man stets den Anspruch, die besten Potenziale im Hinblick auf Kompetenz und Kultur zu gewinnen – unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht oder anderen Diversity-Faktoren. Weder fokussiere man sich auf spezielle Altersgruppen noch schließe man diese aus.

Ohnehin sei der Onlinehändler in dem Bereich ein „echter Pionier“ gewesen, sagte Sprecher Philipp Großklaus. Im Mai 2012 wurde die Otto Group Senior Expert Consultancy gegründet. Ziel der Gesellschaft war es, kurzfristige Engpässe mit erfahrenen Ruheständlern zu überbrücken. Vor einigen Jahren sei der Betrieb eingestellt worden, weil sich die Gesetzeslage geändert habe. Seitdem könnten Rentner direkt angestellt werden, ohne dafür eine eigene Gesellschaft gründen zu müssen. Es hat sich also einiges getan.