Hamburg. Deutschlandtickets haben ihren Preis. Hamburg muss Millionen-Verlust der Hochbahn ausgleichen. Wie Fahrgäste dennoch profitieren sollen.
Die Zahlen sind beeindruckend: 468 Millionen – so viele Fahrgäste wie im Jahr 2023 konnte die Hamburger Hochbahn AG noch nie verzeichnen. Zehn Prozent mehr Menschen als im letzten Vor-Corona-Jahr 2019 nutzten die Busse und U-Bahnen des Verkehrsunternehmens. Mehr als 43 Prozent aller Hamburgerinnen und Hamburger hat ein Abo.
Der öffentliche Personenverkehr könne als „Volksverkehrsmittel“ gelten, meinte der Verkehrssenator und Hochbahn-Aufsichtsratsvorsitzende Anjes Tjarks (Grüne) bei der Vorstellung der Bilanz am Donnerstag. Eigentlich ein Grund zur Freude, etwa für den Vorstandsvorsitzenden Robert Henrich. Doch ein millionenschwerer Wermutstropfen bleibt: Die Hochbahn hat im selben Jahr Rekordverluste eingefahren.
Wie Henrich am Donnerstag erklärte, hat die Hochbahn im Jahr 2023 rote Zahlen in Höhe von 295 Millionen Euro geschrieben. Das sind rund 45 Millionen Euro mehr als zuletzt vom Unternehmen prognostiziert. Ausgeglichen wird das fehlende Geld von der Stadt Hamburg. Noch im Jahr 2022 musste die Stadt lediglich 162 Millionen Euro zuschießen. Ein Teil der Verluste infolge des Deutschlandtickets (Zuschuss für die Hochbahn: 85 Millionen Euro) wird je zur Hälfte von Bund und Hamburg getragen. Ob der Verkaufspreis (49 Euro) für das beliebte und digital verfügbare Abo in Zulunft so bleibt, muss sich zeigen. Bund und Länder verhandeln darüber.
Hochbahn Hamburg: Mehr Fahrgäste – aber auch 295 Millionen Euro Verlust
Die Hochbahn hält am Ziel fest, die Mobilitätswende in der Hansestadt voranzutreiben. Erst kürzlich hatte das Verkehrsunternehmen 48 neue E-Busse auf die Straße gebracht., Bis 2032 sollen die Diesel verschwinden. Momentan fahren 24 Prozent der 1100 Busse emissionsfrei. Die derzeit im Bau befindliche Strecke der U-Bahnlinie U5 soll die klimaschonendste U-Bahn Deutschlands werden. Und das 49-Euro-Ticket kauften schon mehr als eine Million Menschen im Hamburger Verkehrsverbund (HVV). Jedoch: All das hat seinen Preis. „Entsprechend ist eine Umsatzsteigerung elementar notwendig, um diese Mehrkosten decken zu können“, sagte Merle Schmidt-Brunn, Hochbahn-Vorständin für Finanzen und Nachhaltigkeit.
Die Hochbahn beschafft sich für ihre gigantischen Investitionen Geld am „grünen“ Kapitalmarkt. Im Jahr 2024 wurden Anleihen mit einer Höhe von 150 Millionen Euro platziert. Nach Schmidt-Brunns Angaben hat das Unternehmen eine Bewertung, die als „Dark Green“ mit einem Triple-A-Rating einer renommierten Ratingagentur vergleichbar ist.
Das Deutschlandticket wiegt in der Rechnung der Hochbahn schwer, obwohl es zur Hälfte vom Bund finanziert wird. Zur Krux wird für das Verkehrsunternehmen, dass das Abo einen festen Preis hat. Da stellt sich die Frage, an welchen Stellschrauben die Hochbahn noch drehen kann, um ihre Verluste künftig geringer zu halten. „Die Möglichkeiten, die wir auf der Umsatzseite haben, sind begrenzt. Das Deutschlandticket macht inzwischen 75 Prozent unseres Umsatzes aus“, so Schmidt-Brunn. „Aus unserer rein finanziellen Sicht bedeutet das, dass wir hier auf die Politik angewiesen sind.“
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Gleichzeitig drücken die erheblich gestiegenen Energie-, Bau- und Personalkosten im Fahrdienst auf die Bilanz der Hochbahn. Letztere haben im Jahr 2023 rund 90 Millionen Euro umfasst, wie das Unternehmen mitteilte. Künftig dürften die Personalkosten noch stärker zu Buche schlagen. Ende vergangenen Jahres hatte die Gewerkschaft Ver.di höhere Löhne und Gehälter für die Hochbahn-Beschäftigten erstritten. Zugleich steht das Unternehmen vor der Situation, dass rund ein Drittel der Belegschaft in den kommenden zehn Jahren in Rente gehen wird und dementsprechend dringend neue Mitarbeiter rekrutiert werden müssen.
Hochbahn-Chef Henrich zeigte zwei Wege auf, dieses Dilemma zu lösen. Zum einen bemühe man sich um neue, qualifizierte Mitarbeiter. Offenbar will er auch eine neue Unternehmenskultur einziehen. Zum anderen braucht eine U5, wenn sie in 2040 auf der kompletten Strecke fährt, auch keine Fahrerinnen und Fahrer mehr. Das große Problem der Lokführerakquise wird also mit der Digitalisierung etwas kleiner.
U-Bahn und Busse in Hamburg: App mit neuen Echtzeit-Infos
Von den Verlusten lässt sich Hochbahn-Chef Henrich offenkundig auch nicht beirren. In Zukunft will die Hochbahn voll auf die Digitalisierung setzen und Kunden mit engen Taktungen weg vom eigenen Auto locken. Dafür, aber auch für den Bau an U4 und U5 sollen ordentlich Investitionen fließen. Eine Milliarde Euro nennt Henrich als Ziel für 2024: „Wir investieren – und zwar selbst in wirklich schwierigen Zeiten – in großem Umfang.“ Der ehemalige Moia-Chef Henrich ist seit Jahresbeginn Vorstandsvorsitzender der Hochbahn AG. Er folgte auf Henrik Falk, der nun die Geschicke der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) lenkt.
Im Laufe dieses Jahres legt die Hochbahn die Pläne vor, die U4 über die Station Elbbrücken hinaus Richtung Grasbrook, Veddel und Wilhelmsburg auf Stelzen weiterzubauen. Zudem sollen Fahrgäste in der App sehen können, wo sich der Bus befindet, auf den sie gerade warten. Im kommenden Jahr sollen erstmals führerlose Hochbahn-Fahrzeuge mit ausgewählten Gruppen über den Jungfernstieg fahren – ein Einstieg in neue Konzepte, die in Zukunft vor allem in busarmen und U-Bahn-fernen Gebieten zum Einsatz kommen.
HVV: Fahrerlose People Mover am Jungfernstieg
Henrich und Tjarks wollen den Service für die Fahrgäste deutlich erweitern – und offener werden. Dazu gehört die Feedback-Kultur, die schon bei Bewertungen von Fahrten und Service in der App beginnen soll. Henrich sprach von einem „umfassenden Kennzahlen-System“, das man entwickele, um sich daran messen zu lassen. „Die Ergebnisse werden wir laufend transparent machen.“
Auch wenn die Frage der breiten öffentlichen Akzeptanz für autonom fahrende Kleinbusse in Hamburg und deutschlandweit noch nicht beantwortet ist, spielen sie in den Zukunftsüberlegungen von Henrich und Tjarks eine bedeutende Rolle. Die Digitalisierung schreitet allerorten voran: bei der S-Bahn, der U4 und der U5 sowieso. Man wird abwarten müssen, wie die Reaktionen sind, wenn kommendes Jahr die „People Mover“ über den Jungfernstieg fahren. Henrich sagte: „Das fahrerlose Fahren kann perspektivisch zu einer Schlüsseltechnologie für den ÖPNV werden.“