Hamburg. Proteste und Resolutionen gegen die Politik. Wirtschaftliche Lage bedrohe Kliniken und Praxen. Schlechte Nachrichten auch aus Kiel.
Es rumort gewaltig im Hamburger Gesundheitswesen. Die Krankenhäuser stehen wirtschaftlich vor einer unsicheren Zukunft und fürchten die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und ihre Auswirkungen auf die Medizin-Metropole Hamburg. Die niedergelassenen Ärzte haben sich sogar zu einer gemeinsamen Resolution durchgerungen, weil beispielsweise Hamburgs Hausärztinnen und Hausärzte nur noch 68 Prozent dessen bezahlt bekommen, was sie für Patienten leisten.
Beim Krankenhaustag erklärte der 1. Vorsitzende der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, Jörn Wessel (Agaplesion) am Donnerstag: „Es ist völlig unverständlich, dass uns Krankenhäusern noch nicht einmal die vom Statistischen Bundesamt für 2024 berechnete Kostensteigerung in Höhe von 6,95 Prozent zugestanden wird. Die Unterfinanzierung ist offenkundig, gefährdet die Versorgung und der Bundesminister tut nichts.“ Wessel sagte, die Kliniken schöben die Defizite aus der Vergangenheit vor sich her, die „Finanzierungslücke aus den inflationsstarken Jahren 2022 und 2023“ sei nicht geschlossen worden.
Hamburgs Krankenhäuser und Ärzte: Sorge um Patientenversorgung
Das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) habe gerade erhoben, dass 61 Prozent der Allgemeinkrankenhäuser ihre wirtschaftliche Lage als „schlecht“ (40 Prozent) oder „sehr schlecht“ (21 Prozent) bewerteten. Sieben Prozent der befragten Häuser sehen sie als gut an. Die Hamburger Krankenhäuser fordern, dass die Preise für Behandlungen und Operationen (Landesbasisfallwert) noch für dieses Jahr angehoben werden. Lauterbachs Reform sei viel zu kompliziert, führe zu einem „Bürokratie-Infarkt“) und verschlechtere die Versorgung, weil Ärzte und Pflegekräfte vor lauter Dokumentation keine Zeit mehr für die Patienten hätten.
Auch um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, brauche man sofortige Maßnahmen. Wessel sagte: „Wir brauchen einen Pflegeassistenzberuf mit einjähriger Ausbildung, der mit der generalistischen Pflegeausbildung modular ineinandergreift.“
Schleswig-Holstein lehnt Hamburger Vorschlag für Krankenhäuser ab
Eine schlechte Nachricht für die Hamburger Häuser und Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) kam aus Kiel. Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kerstin von der Decken (CDU) lehnt den im Abendblatt veröffentlichten Vorschlag ab, im Norden gemeinsam die Zukunft der Krankenhäuser und deren Finanzierung zu planen. Krankenhaus-Investitionen sind grundsätzlich Ländersache. Lauterbachs Reform will jedoch Zentren schaffen, in denen bestimmte Operationen gebündelt werden, um die Qualität zu erhöhen. Zudem sollen die Kliniken nicht mehr nur nach der Zahl ihrer Eingriffe bezahlt werden.
Von der Decken sagte am Donnerstag im Landtag, Schleswig-Holstein und Hamburg seien in der Gesundheitsversorgung eng miteinander verbunden. „Das gilt auch für den stationären Bereich – insbesondere in den grenznahen Gebieten. Viele Schleswig-Holsteiner lassen sich in Hamburger Krankenhäusern behandeln.“ Umgekehrt gelte das genauso, wie man an der LungenClinic Großhansdorf sehe: „Ungefähr die Hälfte der Patientinnen und Patienten kommt aus Hamburg.“ In Hamburg kommen insgesamt rund 20 Prozent der Patienten aus Schleswig-Holstein, gut zehn Prozent aus anderen Bundesländern.
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Hausarzt Hamburg: Termine und Nachwuchs verzweifelt gesucht
Im ambulanten Bereich, wo die meisten der Patientinnen und Patienten versorgt werden, ist die Lage ähnlich prekär geworden. Hamburgs Kassenärzte haben einstimmig eine Resolution verabschiedet, dass die Deckel für die Honorare der Hausärzte endlich fallen (Entbudgetierung), sodass sie auch alle Leistungen bezahlt bekommen, die sie erbringen. Die Auszahlung für die Hausärzte sei auf ein „historisches Tief“ von 68 Prozent gefallen, erklärte die KV. Das bedeutet, dass fast jeder dritte Handgriff kostenlos erfolgt.
Die Ärzte sprechen bereits von einem neuen Praxensterben. In der Resolution heißt es: „Bei gleichzeitig gestiegenen Ausgaben ist damit kein Praxisbetrieb zu finanzieren. Angesichts des schon existierenden Mangels an Hausärztinnen und Hausärzten und der großen Anzahl von hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, muss alles getan werden, um die wohnortnahe ambulante hausärztliche Versorgung zu stützen und damit zu erhalten.“