Hamburg. Schleswig-Holstein und Niedersachsen sollen Investitionen mittragen. Senatorin Melanie Schlotzhauer über den Umbau im Gesundheitswesen.
Was wird aus den Hamburger Krankenhäusern, einem der größten Job-Motoren der Stadt? Ob UKE, Asklepios, Agaplesion oder Albertinen – Corona-Pandemie, Inflation und Personalkosten haben ihre finanzielle Situation verschärft. Hinzukommt eine anstehende Krankenhausreform, die zu Stationsschließungen führen könnte. Eine der Verhandlungsführerinnen mit dem Bund ist Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD).
Frau Schlotzhauer, Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich mit den Ländern verkracht, mit den Krankenkassen und den Krankenhäusern sowieso. Denen hatte er AfD-Methoden unterstellt, worauf die sich empörten, dass er mehr twittere, als mit Ihnen zu reden. Aktuell stehen bundesweit zahlreiche Kliniken vor der Pleite. Die Krankenhausreform von Bund und Ländern scheint gescheitert.
Melanie Schlotzhauer: Es knirscht im Verfahren, von einem Scheitern spreche ich aber noch nicht. Den Ländern liegt aktuell ein Entwurf für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vor, der sich aber noch nicht im offiziellen Stellungnahme-Verfahren befindet. Der Bundesgesundheitsminister und auch die Länder treiben die Reform weiter voran. Offene Kernpunkte sind die Frage, wie die Finanzierung aussieht und wie künftig eine bundeseinheitliche Krankenhausplanung gestaltet werden soll. Ich setze darauf, dass sich Bund und Länder einigen können, bin aber gleichzeitig ganz gelassen: Unsere Krankenhausplanung für Hamburg hängt nicht vom Gelingen der Krankenhausreform ab.
Heißt das, die Idee dieser großen Krankenhausreform mit neuen Zentren, möglicherweise Stationsschließungen, der Bezahlung zu 60 Prozent nach Ausstattung und nur noch 40 Prozent für die Zahl der Behandlungen und Operationen wollen Sie in Hamburg durchziehen, ohne dass der Bund beteiligt ist?
Die Länder, die ja weiter die Hoheit über die Krankenhausplanung haben, machen sich hier auf unterschiedliche Art und Weise auf den Weg. Hamburg orientiert sich an Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen – so wie viele andere Bundesländer auch. NRW teilt medizinische Behandlungen in Leistungsgruppen ein, die in der Schweiz bereits vor vielen Jahren entwickelt wurden. Diese Leistungsgruppen dienen der Qualitätssicherung. Maßgeblich für unsere Krankenhausplanung sind dabei die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Hamburger Krankenhäuser wie UKE, Asklepios oder Albertinen sind unter finanziellem Druck
Das ist das höchste Gremium im deutschen Gesundheitswesen aus Ärzten, Kassen, Krankenhäusern und Experten, die festlegen, was wie behandelt und bezahlt wird. Warum hat man den G-BA nicht früher gefragt?
Die G-BA-Zentren und Notfallstufen haben wir in Hamburg schon immer in unserer Krankenhausplanung berücksichtigt. Mit der geplante Einführung von noch präziseren Leistungsgruppen vollziehen wir nun den nächsten Schritt, ganz unabhängig von den Planungen des BMG. Ziel ist, die gute Qualität der Krankenhäuser in unserer Stadt weiter zu sichern.
Die Lauterbachsche Reform hat einen Milliarden-Topf versprochen, damit die Krankenhäuser vorerst finanziell überleben. Da hat er aber getrickst, weil eine Hälfte die Länder zahlen und die andere aus dem Gesundheitsfonds kommt, in den Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Krankenkassenbeiträge einzahlen. Es werden also nicht Steuerzahler inklusive Privatversicherte beteiligt. Blutet da nicht Ihr sozialdemokratisches Herz?
Ich hätte mir gewünscht, dass die Gelder aus dem Bundeshaushalt kommen und dass man die Krankenkassen hier heraushält. Zudem haben wir Schwierigkeiten mit den Vorstellungen des Bundes bei der künftigen Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung.
Ist es nicht sinnvoll, dass Krankenhäuser für Personal und Ausstattung einen Sockelbetrag erhalten und einen Teil für die Zahl der Operationen? Dann besteht doch kein Zwang, auf Teufel komm raus das Skalpell zu schwingen.
Es herrscht große Einigkeit darüber, dass wir andere finanzielle Anreize brauchen als die bisherigen Fallpauschalen, die nur die bloße Anzahl behandelter Patienten honorieren. Das aktuelle Modell des BMG sieht allerdings vor, dass ein Haus für einen Richtwert von 100 Operationen die gleiche Vorhaltepauschale bekommt, egal ob es am Ende 81 Eingriffe oder 119 Eingriffe durchgeführt hat. Erst wenn es nur 80 Eingriffe sind, ist ein Abschlag fällig. Da ist absehbar, was ein guter Betriebswirt empfehlen wird. Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf.
Neues Internetportal für Krankenhaus-Qualität
Schon zum 1. Mai soll ein Internetportal kommen, eine Art Ranking, das den Patientinnen und Patienten zeigt, welches Krankenhaus was operiert und mit welcher Qualität. Was macht dieses Portal besser als der Hamburger Krankenhausspiegel oder die sogenannte Weisse Liste?
Mit dem Krankenhaustransparenzgesetz will der Bund über das Angebot und die Qualität der Kliniken in Deutschland informieren. Das ist im Prinzip eine gute Sache. Ich hätte es aber zielführender gefunden, dass der Bund sich gemeinsam mit den Ländern auf den Weg macht und ein solches Portal erst dann schafft, wenn es auch die Auswirkungen der Krankenhausreform verlässlich mit abbilden kann.
In Hamburg zeigen sich aufgrund der engen Finanzsituation im Gesundheitswesen Auflösungserscheinungen. Die Kassenärzte ziehen sich aus dem Vorzeigeprojekt Integriertes Notfallzentrum im Marienkrankenhaus zurück. Wie viele Notfallzentren oder Notaufnahmen braucht Hamburg?
Auflösungserscheinungen kann ich nicht erkennen. Es stimmt aber, dass sich die Kassenärztliche Vereinigung aus dem Modellprojekt eines gemeinsamen Tresens mit dem Krankenhaus am INZ zurückgezogen hat. Das ist auf eigenen Wunsch geschehen, wir können da als Land nicht mitbestimmen. Aus meiner Sicht ist es die Aufgabe aller gesundheitspolitischen Akteure in der Stadt, ein gemeinsames Bild der zukünftigen Struktur der Notfallversorgung zu entwickeln. Deshalb bringt die Sozialbehörde alle Beteiligten an einen Tisch, und es herrscht erfreulicherweise auch große Gesprächsbereitschaft.
Das katholische Erzbistum agiert wenig glücklich mit seinen Kliniken. Der Verkauf des Lübecker Marienkrankenhauses ist gescheitert. Das Hamburger Marienkrankenhaus, Kinderkrankenhaus Wilhelmstift und das Wilhelmsburger Groß-Sand scheinen im Paket unverkäuflich. Wenn die keine Zukunftsperspektive haben, Einfluss hin oder her, dann wird es auch für die Senatorin politisch eng.
Es ist eine Aufgabe meines Amtes, eine Gesprächskultur zu schaffen, in der diese Themen besprochen werden. Dafür sorge ich. Natürlich gefällt es mir nicht, dass solche Prozesse so lange dauern. Ich sehe und verstehe auch den Wunsch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach klaren Perspektiven. Alle drei Häuser sind für die Gesundheitsversorgung in unserer Stadt wichtig, weshalb wir mit ihnen im Kontext der Krankenhausplanung verstärkt ins Gespräch gehen. Dabei wird eine weitere Spezialisierung ein zentraler Aspekt sein.
Krankenhausreform soll trotz Bürgerschaftswahl 2025 weitergehen
In Hamburg gibt es mehrere herausragende Herzzentren, darunter das Albertinen, das UKE und die Asklepios-Klinik St. Georg. Wer von denen überlebt denn eine Krankenhausreform? Wie viele Geburtskliniken wird es dann noch geben?
Diese Ausstattung in Hamburg gibt es, weil sie nachgefragt wird. Fakt ist: Es gibt nicht mehr dieselbe Bettenbelegung wie 2019 vor der Corona-Pandemie. Im Zuge der Krankenhausplanung haben wir ein Gutachten in Auftrag gegeben, um zu ermitteln, wie die gute Qualität der Krankenhauslandschaft in Hamburg weiter ausgebaut werden kann. Für uns ist wichtig: Patientinnen und Patienten sind bereit, bei planbaren Operationen einen weiteren Weg durch die Stadt auf sich zu nehmen, wenn die Qualität des medizinischen Angebots stimmt.
Wie ist Ihr Zeitplan für den Umbau der Hamburger Krankenhauslandschaft?
Der Dialogprozess mit den Krankenhäusern und weiteren Akteuren beginnt jetzt und wird etwa zwei Jahre dauern. Im Frühjahr 2025 werden wir auf der Basis des bereits angesprochenen Gutachtens mit den Krankenhäusern und den Kassen die Planungen erörtern, sodass der neue Hamburger Krankenhausplan dann zum 1. Januar 2026 in Kraft treten kann. Die ersten Auswirkungen werden voraussichtlich 2029 sichtbar sein.
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In weniger als einem Jahr sind Bürgerschaftswahlen. Was wird aus diesen Plänen, wenn sich die Koalitionsfarben in Hamburg ändern oder mindestens sich die Kräfteverhältnisse innerhalb von Rot-Grün verschieben sollten?
Es ist gelerntes Verwaltungshandeln, Veränderungsprozesse so zu gestalten, dass sie auch Regierungswechsel aushalten. Ich bin aber ganz zuversichtlich, dass sich dieses Thema in Hamburg nicht stellen wird.
Krankenhaus Hamburg: Hat neues Zentralklinikum Pinneberg Auswirkungen auf Hamburgs Kliniken?
Im Umland werden Zentralkliniken gebaut, deren künftige Patienten auch von der Medizin-Metropole Hamburg aufgefangen werden können. Warum sprechen Sie sich nicht mit Schleswig-Holstein ab über die Pläne für Pinneberg?
65 Prozent der in Hamburg stationär behandelten Patientinnen und Patienten kommen aus Hamburg. Das heißt im Umkehrschluss, 35 Prozent eben nicht. Hiervon kommen 20 Prozent aus Schleswig-Holstein, zehn Prozent aus Niedersachsen, der Rest aus anderen Bundesländern und dem Ausland. Die Krankenhäuser erwirtschaften zwar Gelder mit diesen Patientinnen und Patienten, aber sämtliche Investitionen in die Kliniken bringen wir in Hamburg alleine auf. Wir halten hoch spezialisierte Medizin vor, die woanders gar nicht erst aufgebaut werden muss.
Was ist Ihre Konsequenz daraus?
Wir müssen die Portfolios besser aufeinander abstimmen, und unsere Nachbarbundesländer sollen sich zukünftig wieder an unseren Krankenhausinvestionskosten beteiligen. Deshalb habe ich die Gesundheitsminister aus Schleswig-Holstein und Niedersachsen eingeladen, um über eine mögliche gemeinsame Bedarfsplanung und eine gerechte Verteilung der Kosten zu sprechen.
Das wird nicht auf große Gegenliebe stoßen …
Wir müssen uns aber den Realitäten stellen. Hoch spezialisierte medizinische Angebote wie in Hamburg erfordern ausgereifte Apparate und einen hohen Grad an Digitalisierung. Das ist ein Schatz, an dem andere partizipieren. Am Ende geht es doch darum, für die Patientinnen und Patienten in der Metropolregion Hamburg die bestmögliche Versorgung anzubieten. Das ist eine Gemeinschaftsaufgabe, auch in Finanzierungsfragen.