Hamburg. „Hamburg ist in Gefahr“ – Was die größten Unternehmen der Stadt zum Erstarken der Rechtspartei sagen. Ein Report.

  • Hamburgs guter Ruf als Wirtschaftsstandort sei in Gefahr – dafür sorge das Erstarken der AfD
  • Dieser Meinung sind die großen Unternehmen der Hansestadt
  • TÜV Nord, Otto, Edeka, Aurubis und Co. warnen vor den Wahlen

Wer Hendrik Wolfgramm in seinem zweckmäßig eingerichteten Büro in Wandsbek besucht, der bekommt schnell einen Eindruck davon, worauf der gerade einmal 33 Jahre junge Geschäftsführer des Bauunternehmens Wilken & Sohn stolz ist. Direkt nach der Treppe im Eingangsbereich im ersten Stock liegt ein langer Flur, in dem gerahmt verschiedene Zeitungsartikel über das Hamburger Familienunternehmen hängen. „Wo junge Leute noch gute Chancen haben“, steht über einem dieser Artikel. „Eine absolute Erfolgsgeschichte“ nennt Wolfgramm das, was er, sein Vater und zuvor sein Opa geschaffen haben. Glaubt man Wolfgramm, dann ist diese mehr als 125 Jahre alte Erfolgsgeschichte nun in großer Gefahr.

Wolfgramm bietet Kaffee und Wasser an. Am Ende des Flurs links ist sein Büro, rechts ist das von seinem Vater Jürgen (67). „Ich mache mir Sorgen, dass Parteien wie die AfD aufgrund der vergangenen Jahre, die auch für unsere Firma herausfordernd waren, immer mehr Zuspruch bekommen und dann irgendwann mehr Entscheidungsgewalt haben“, sagt Hendrik Wolfgramm, und wird deutlich: „Für unsere Firma wäre das eine Katastrophe, da wir darauf angewiesen sind, Fachkräfte aus dem Ausland langfristig an unseren Betrieb zu binden.“

Hamburger Wirtschaft ist durch das Erstarken der AfD beunruhigt

Hendrik Wolfgramm ist nicht der Einzige, der sich im Super-Wahljahr mit Europa- und Bezirkswahlen sowie drei Landtagswahlen im Osten Sorgen macht. Nach dem Potsdamer Treffen am 25. November des vergangenen Jahres gingen Hunderttausende Menschen gegen Rechtspopulisten und Rechtsextremismus auf die Straße. Bei der privaten Zusammenkunft, über die das Medienhaus „Correctiv“ zuerst berichtete, soll ein „Masterplan“ diskutiert worden sein für die sogenannte Remigration – eine Massenverdrängung von Menschen, die nach rechtsextremer Ideologie nicht zu Deutschland gehören und das Land verlassen sollten.

Zu den Teilnehmern zählten unter anderem Martin Sellner, der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, und mehrere AfD-Funktionäre. Seit Jahresbeginn plädieren die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP im Bundestag aus Sorge vor dem Erstarken extremer Parteien für eine Grundgesetzänderung, um das Bundesverfassungsgericht besser gegen eine mögliche Einflussnahme zu wappnen.

Wirtschaftsvertreter haben sich lange Zeit bedeckt gehalten

Die meisten Vertreter der Wirtschaft hatten sich bis zum Bekanntwerden des Potsdamer Treffens eher bedeckt gehalten zur Gefahr von Rechtsaußen, von wenigen Ausnahmen abgesehen. Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger warnten schon im Dezember 2023, das Programm der AfD schade nicht nur dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch der Wirtschaft.

Als einer der ersten prominenten Wirtschaftsvertreter hier in der Hansestadt positionierte sich zu Jahresbeginn Michael Thomas Fröhlich, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UVNord). „Wir hören von ausländischen Investoren und Geschäftspartnern sehr deutlich: Was ist aus eurer hart erarbeiteten Willkommenskultur geworden?“, so Fröhlich. „Wir spüren eine Zurückhaltung bei Investitionsentscheidungen, die auch in der Hansestadt eine Rolle spielen.“

Handwerkskammer verabschiedete eine Resolution gegen Ausgrenzung

Die Handelskammer verwies auf ihre politische Neutralität, nahm aber allgemein Stellung. „Hamburg lebt von Toleranz, Respekt und Weltoffenheit. Extremistische Bestrebungen, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung infrage stellen, sind Gift für die Wirtschaft“, sagte Präses Norbert Aust im Februar. Die Vollversammlung der Handwerkskammer verabschiedete Mitte März eine Resolution gegen Ausgrenzung mit dem Titel: „Das Handwerk: offen für alle“.

Mittlerweile sind viele Firmenchefs in Hamburg alarmiert, wie eine Umfrage des Abendblatts unter den 200 größten Unternehmen der Hansestadt zeigt. Die Kernfrage lautete: Welche Rolle spielt ihrer Ansicht nach das Erstarken der AfD für den Wirtschaftsstandort Hamburg?

Abendblatt hat Hamburgs 200 größte Unternehmen zur AfD befragt

Etwa drei Viertel reagierten auf die Abendblatt-Anfrage. So viel vorweg: Kein einziges der antwortenden Unternehmen kann offenbar den AfD-Wirtschaftspositionen etwas Positives abgewinnen. Etliche Firmen erklärten, sie seien natürlich gegen Extremismus, Hass und Diskriminierung, wollten sich aber nicht parteipolitisch äußern. Viele andere hingegen wurden deutlicher und verurteilten die Wirtschaftspolitik der AfD. Ihr Tenor: Die Hansestadt muss aufpassen, wenn sie ihren guten wirtschaftlichen Ruf nicht verlieren will.

Aurubis, der größte Kupferproduzent Europas mit rund 7100 Mitarbeitern, schreibt, die AfD sei ein „politisches und ökonomisches Standortrisiko“ für die Hansestadt. Alexander Birken, Vorstandschef des Handels- und Dienstleistungsunternehmens Otto-Group mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden, erklärt: „Die jüngst bekannt gewordenen Vertreibungsfantasien von AfD-Politikern und neonazistischen Netzwerken stellen eine reale Gefahr für die Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit dar und sind Gift für unsere Bemühungen, für ausländische Fach- und Führungskräfte attraktiv zu sein.“

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Helm AG: AfD ist eine Gefahr für den wirtschaftlichen Erfolg

Mehr als 2000 Menschen arbeiten für die Versicherungsgruppe HanseMerkur. Die Firmensprecherin schreibt dem Abendblatt: „Abschottung und Gedankenspiele wie ein EU-Austritt bringen den Wirtschaftsstandort Hamburg in Gefahr. Eine restriktive Einwanderungspolitik verschärft das Problem des Arbeitskräftemangels weiter.“ Stephan Schnabel, Vorstandsvorsitzender des Chemiehändlers Helm AG, teilt mit: „Die erhebliche Wählerzustimmung zur AfD ist bereits jetzt eine Gefahr für den wirtschaftlichen Erfolg.“ Eine Sprecherin von Edeka schreibt: „Kein Tor zur Welt ist attraktiv, wenn eine schwere Kette mit einem Schloss davorhängt.“

Ähnlich äußert sich das Energieunternehmen LichtBlick, greift aber auch einen weiteren Aspekt auf: „Die AfD leugnet den menschengemachten Klimawandel. Sie lehnt das wichtigste Wachstumsprojekt Hamburgs und Deutschlands ab – die Energiewende.“

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AfD hatte Zustimmungswerte in Hamburg von bis zu 14 Prozent

Das Potsdamer Treffen, jüngst etwa auf Sylt gegrölte „Ausländer raus“-Parolen, zum Teil erhebliche Zuwächse für die AfD bei Landtagswahlen im vergangenen Jahr in Bayern, Berlin und Hessen und Zustimmungswerte bis zu 14 Prozent bei Wahlumfragen in Hamburg – all das treibt auch Hamburgs Wirtschaft um. Die AfD, ihre Überzeugungen und ihr Wahlprogramm seien eine Gefahr für den Wohlstand aller, heißt es. Jutta Blankau, die Präsidiumsvorsitzende der Hamburger Arbeiterwohlfahrt, sagt: „Der Rassismus der AfD gefährdet unter anderem die Überwindung des Fachkräftemangels, was massive Auswirkungen auf alle Bereiche unserer Wirtschaft hätte – vom Handwerk bis hin zur Pflege und Betreuung.“ Die Johanniter teilen mit: „Fest steht, dass die grundsätzliche Ausrichtung der AfD unserem christlichen Leitbild widerspricht.“

Wer im Detail wissen will, was Hamburger Firmenchefs kritisieren und welche Auswirkungen weitere AfD-Wahlerfolge auf die Wirtschaft der Hansestadt haben könnten, der muss Unternehmen besuchen. Wie zum Beispiel das mittelständische Bauunternehmen Wilken & Sohn im Industriegebiet in Wandsbek im Wilma-Witte-Stieg 5.

Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm von der Baufirma F. Wilken & Sohn GmbH & Co. KG im Lager mit seinem Mitarbeiter Hassan Wafai (l.).
Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm von der Baufirma F. Wilken & Sohn GmbH & Co. KG im Lager mit seinem Mitarbeiter Hassan Wafai (l.). © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Firmenchef Hendrik Wolfgramm hat sich gut auf das Gespräch vorbereitet. Er holt sein Handy raus und geht einige AfD-Forderungen durch, etwa aus dem letzten AfD-Bundestagswahlprogramm. Ein Kapitel trägt die Überschrift: „Asylparadies Deutschland schließen“. Er liest vor, was unter Punkt 15 steht: „Rückkehrpflichtige sollen eine handwerklich-praktische Grundausbildung erhalten können, die sie zum Wiederaufbau ihrer Heimat und zur dortigen Existenzgründung befähigt.“

Wolfgramm schüttelt den Kopf. „Wir investieren vier Jahre in die Ausbildung, auch damit wir unser Unternehmen stärken. Zudem haben wir dann einen vollwertigen Steuerzahler geschaffen, der dann aber bangen muss, dass er wieder abgeschoben wird“, sagt er. „Das halte ich für eine Farce.“

Familienunternehmen wuchs von zehn auf 65 Mitarbeiter in zehn Jahren

Im Jahr 2013 hat Wolfgramm seine Gesellenprüfung in der Firma des Vaters und des Großvaters bestanden, 2014 macht er den Meister, ein Jahr später steigt er in die Geschäftsführung ein. Damals hatte das Unternehmen zehn Mitarbeiter. Heute sind es 65. Weil die Baufirma aber schneller wuchs als gedacht, fand das Familienunternehmen bald keine qualifizierten Fachkräfte mehr. Bis 2015. Bis zur großen Flüchtlingswelle. Bis Angela Merkel sagte: „Wir schaffen das.“

Neun Jahre später schenkt sich Wolfgramm etwas Wasser nach und erklärt, was seine Firma alles schaffen musste: Corona, Rezession, Inflation, der Ukraine-Krieg, steigende Energiekosten. Dazu der Fachkräftemangel, über den nicht nur in Hamburg bereits seit Jahren gesprochen wird.

Hamburger Firmenchef: „Wir sind auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen“

„Die Anzahl der qualifizierten Bewerber aus Deutschland reicht nicht aus, um alle Ausbildungsplätze zu besetzen, weswegen wir auf Fachkräfte aus dem Ausland längst angewiesen sind“, sagt er. 2017 stellt er den ersten Flüchtling als Auszubildenden ein, anschließend ist es immer mindestens ein Azubi von dreien pro Ausbildungsjahr. „Die meisten bringen bereits handwerkliche Vorerfahrungen aus ihren Ländern mit. Zudem sind diese jungen Leute extrem motiviert, zuverlässig und auch dankbar“, sagt Wolfgramm. „Anders als das leider bei dem einen oder anderen deutschen Auszubildenden der Fall ist.“

Mittlerweile beschäftige er 13 Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Aus Afghanistan, Syrien, dem Kosovo. Ohne sie – und da wird Wolfgramm sehr deutlich – wäre der Erfolg des Familienunternehmens erheblich in Gefahr.

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AfD will auf KI und das „japanische Modell“ setzen

Dass es einen Fachkräftemangel gibt, spricht die AfD in ihrem Europawahlprogramm zwar selbst an. Doch statt auf Zuwanderung setzt sie unter anderem auf „Rückgewinnungsprogramme für auslandsdeutsche Leistungsträger“, auf „technologische Lösungen wie Künstliche Intelligenz (KI), Robotik und Digitalisierung, die menschliche Arbeit ersetzen können“ und auf „ökonomische Produktivitätssteigerungen“. Für „außereuropäische“ Fachkräfte will die AfD das „japanische Modell“ einführen.

Doch das japanische Modell tauge überhaupt nicht als Vorbild für Deutschland, um dem Fachkräftemangel hierzulande effektiv entgegenzuwirken, sagt Michael Berlemann, wissenschaftlicher Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und Professor an der Helmut-Schmidt-Universität. Zu den Forschungsschwerpunkten des Volkswirtschaftlers zählen unter anderem Migration und Politische Ökonomik.

HWWI-Chef: „Japanisches Konzept ist krachend gescheitert“

Berlemann sagt, Japan habe lange versucht, weitestgehend ohne Zuwanderung von Arbeitskräften auszukommen, obwohl die japanische Gesellschaft schrumpfe und erheblich altere, bedingt durch eine seit Langem sehr niedrige Geburtskennziffer. Nun leide das Land unter den Folgen seiner äußerst restriktiven Zuwanderungspolitik. „Trotz des hohen Arbeitsethos der Japaner besteht inzwischen ein massiver Mangel an Arbeitskräften. Das japanische Konzept der Abschottung ist also inzwischen krachend gescheitert.“

Mittlerweile habe es zahlreiche Lockerungen bei der Zuwanderung von Arbeitskräften gegeben. Japan habe „erkannt, dass die ursprüngliche Politik der weitgehenden Abschottung nicht durchhaltbar ist und in einen Zusammenbruch der Wirtschaft und zu ernsthaften Versorgungslücken in der Bevölkerung führen würde“, sagt Berlemann. „Japan wird in Zukunft noch viel aktiver um ausländische Fachkräfte werben als es derzeit bereits der Fall ist.“

Berlemann hält AfD-Vorschläge für fragwürdig

Aber wie steht es mit dem AfD-Vorschlag, Helfern wie KI und Robotik Vorrang vor Zuwanderung zu geben? Auch diesen Vorschlag hält Berlemann für fragwürdig. Arbeitskräfte seien jetzt schon in vielen Regionen Deutschlands ausgesprochen knapp. „Der größte Rückgang steht uns aber erst in den kommenden zehn Jahren bevor. Wir werden an allen Rädern drehen müssen, um die Problematik in den Griff zu bekommen.“ Ein wichtiger Teil davon sei zwar der zunehmende Einsatz von KI, Robotik und Digitalisierung. „Aber es macht überhaupt keinen Sinn, ausschließlich auf diese Strategie setzen zu wollen“, sagt der Volkswirtschaftler. „Es gibt nun mal auch viele Tätigkeiten, die nicht oder nur sehr unzureichend von Robotern ausgeführt werden können, so etwa in der Kranken- und Altenpflege oder der Kinderbetreuung.“

Selbst wenn es gelinge, neue Techniken zunehmend zu etablieren, seien Arbeitskräfte nötig, die die Technik betreuen und programmieren. „Die gehen uns aber auch aus“, sagt Berlemann. „Wir brauchen also dennoch Zuwanderung und sollten uns über jeden Zuwanderer freuen, der sich integrieren und hier arbeiten will.“

AfD: „Zuwanderung nur noch für Hochqualifizierte“

Auf Berlemanns Einschätzung, das von der AfD gelobte japanische Modell sei gescheitert, geht die AfD-Fraktion auf Abendblatt-Anfrage nicht ein. Was den Fachkräftemangel angehe: Die AfD halte es für „unmoralisch, insbesondere Ländern der Dritten Welt ihre Fachkräfte abzuwerben“, erklärt die Fraktion. Sie fordert eine „Zuwanderung nur noch für Hochqualifizierte“ und erklärt, dem Europawahlprogramm entsprechend, es brauche eine „Verhinderung der Abwanderung von einheimischen Fachkräften und Steigerung der Technisierung und Computerisierung“.

Für realitätsfern hält Bauunternehmer Hendrik Wolfgramm in Wandsbek, was die AfD proklamiert. „Das Wahlprogramm der AfD – vor allem hinsichtlich der Asyl- und Zuwanderungspolitik – steht unseren Zielen und unserem Wachstum diametral entgegen“, sagt der Geschäftsführer des Hamburger Bauunternehmens und lädt ein, dass man sich doch selbst mal ein Bild von einem seiner Fachkräfte mit einem Flüchtlingshintergrund machen sollte. Schnell greift der Farmsener erneut zum Handy und ruft seinen Gesellen Hassan an und fragt, ob man sich kurz im Lager treffen könne.

Der aus Afghanistan geflohene Hassan Wafai (im Foto) hat bei Wilken & Sohn Fliesenleger gelernt und möchte auch seine Meisterprüfung ablegen.
Der aus Afghanistan geflohene Hassan Wafai (im Foto) hat bei Wilken & Sohn Fliesenleger gelernt und möchte auch seine Meisterprüfung ablegen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Wenige Minuten später streckt der 27-jährige Hassan die Hand zur Begrüßung aus und sagt freundlich: „Moin“. Der Afghane berichtet von seiner Flucht, seinem neuen Leben in Hamburg, von seiner Arbeit. Alle wichtigen Daten weiß Hassan auswendig. Am 25. Mai 2015 sei er in Deutschland angekommen, sagt er. Am 1. April 2019 habe er seine Ausbildung bei Wilken & Sohn begonnen. „Ich fühle mich in Deutschland zu Hause“, sagt der Geflüchtete. „Ich bin hier richtig angekommen.“

Zweimal in der Woche spiele er Fußball, immer freitags und sonnabends. Er trifft gerne Freunde in der Schanze, geht in den Park. Und vor allem arbeite er gerne. „Mein größter Wunsch war es, Fliesenleger zu werden. Jetzt kann ich mir vorstellen, später einmal meinen Meister zu machen.“

AfD fordert jährliche Prüfung über Asylgründe

Im letzten AfD-Bundestagswahlprogramm steht allerdings unter Punkt 13: „Jährliche Prüfung des Fortbestands von Asylgründen über zehn Jahre, da Asyl ein Recht auf Zeit ist und keine Anwartschaft auf dauerhafte Einwanderung begründet.“ Firmenchef Wolfgramm schüttelt erneut den Kopf: „Wenn ich mir vorstelle, dass man den Aufenthaltsstatus von Mitarbeitern wie Hassan, den wir vier Jahre ausgebildet haben, der anschließend ein sehr wichtiger Mitarbeiter unseres Unternehmens wurde, infrage stellt, dann wäre das ein riesiges Problem für uns.“

Auch Hassan kann nicht verstehen, dass es nach all den Jahren und all der Arbeit noch immer derartige Diskussionen gibt. „Es ärgert mich, dass einem die AfD das Gefühl gibt, als Ausländer in Deutschland nicht willkommen zu sein“, sagt er. „Wenn ich jetzt plötzlich ausgewiesen werden würde, dann wüsste ich nicht, wo ich hin soll. Ich habe mir mein Leben hier aufgebaut. Ich bin glücklich in Hamburg.“

Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm ist extrem zufrieden mit seinen Angestellten mit Migrationshintergrund.
Geschäftsführer Hendrik Wolfgramm ist extrem zufrieden mit seinen Angestellten mit Migrationshintergrund. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Hendrik Wolfgramm wird noch deutlicher. Arbeitsbeginn sei bei ihm morgens um 6.30 Uhr – nie sei Hassan unpünktlich am Arbeitsplatz gewesen. Und das, obwohl der Afghane die ersten Jahre in Harburg in einer Flüchtlingsunterkunft gewohnt habe. Täglich klingelte bei ihm um 4 Uhr der Wecker, spätestens um 6.15 Uhr sei Hassan dann in Wandsbek gewesen. „Immer mit einem Lächeln auf den Lippen“, sagt Wolfgramm. „Hassan war keinen einzigen Tag zu spät.“

Die AfD-Thesen ärgern den Familienunternehmer. Mit seinen Ansichten ist er in Hamburg nicht allein. „Wir möchten auch weiter Fachkräfte aus dem Ausland beschäftigen, die uns mit ihren Erfahrungen und ihrem Wissen bereichern“, lässt sich beispielsweise Dirk Stenkamp, der Vorstandsvorsitzende der TÜV Nord AG, in der großen Abendblatt-Umfrage zitieren.

Hamburger Firmenchefs schlagen Alarm

Thies Rixen, der CEO der q.beyond AG, einem IT-Dienstleister für den Mittelstand, sagt: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Ausgrenzung und antidemokratische Tendenzen nicht nur den Wohlstand Deutschlands gefährden, sondern auch den jeweiligen Wirtschaftsstandort auf lokaler Ebene beeinträchtigen können.“ Und Marc Schachtel, der CEO der Online-Partnervermittlung Parship, erklärt: „Je mehr die AfD in unserer Stadt zu sagen hat, desto schlechter stehen unsere Chancen im Wettbewerb mit anderen Metropolen um die klügsten Köpfe und die besten Ideen.“

Doch gibt es möglicherweise auch eine andere Perspektive? Tut man der AfD vielleicht unrecht? Sprechen die Vertreter der Rechtspartei gegebenenfalls nur etwas aus, was sich andere nicht zu sagen trauen?

Freenet-CEO: „Diskutieren ist besser als Ignorieren“

Von Hamburgs 200 größten Unternehmen äußerte sich keines dementsprechend. Christoph Vilanek, CEO des Telekommunikationsunternehmens Freenet, sagt lediglich: „Es steht einem Demokraten gut zu Gesicht, sich auch mit denen auseinanderzusetzen, die einen sehr anderen Standpunkt vertreten. Diskutieren ist meines Erachtens besser als Ignorieren.“

Zwei antwortende Firmen machen sich offenbar keine oder nur bedingt Sorgen. Zwar sei eine Wirtschafts- und Problemlösungskompetenz „in der AfD nicht ansatzweise erkennbar“, teilt der Versicherungskonzern Signal Iduna mit. „Im Vergleich zur derzeitigen Landesregierung und übergeordneten Faktoren hat das momentane Erstarken der Partei in Hamburg jedoch kaum einen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg unserer Stadt.“

Agenturchef: Bürgerliche Mitte muss alarmiert sein

Das Erstarken der Partei gefährde Hamburgs wirtschaftlichen Erfolg „bislang auf keinen Fall“, meint Armin Jochum, Chef der Agentur thjnk Germany. „Aber es ist ein deutliches Warnsignal, das die bürgerliche Mitte alarmieren muss.“

Das Abendblatt wollte es genauer wissen. Nach dem Potsdamer Treffen haben wir uns intensiv mit der AfD beschäftigt, sprachen nicht nur mit Wirtschaftsvertretern, sondern auch mit AfD-Wählern; wir schauten uns das Auftreten der Hamburger Fraktion in sozialen Medien an, besuchten zahlreiche Parteiveranstaltungen.

Hamburgs AfD-Chef Nockemann über die Ampel: „arrogant“

Der Abend des 8. Januar dieses Jahres. Die Hamburger AfD-Fraktion hat den AfD-Bundestagsabgeordneten Markus Frohnmaier eingeladen, es soll um deutsche Entwicklungshilfe für andere Länder gehen, aber zuvor wendet sich Fraktionschef Dirk Nockemann an die etwa 150 Zuhörer im Kaisersaal des Rathauses. Er stößt hier auf Wohlwollen, erntet mehrfach Applaus.

Am Vormittag waren etwa 2200 Traktoren durch Hamburg gerollt, viele Landwirte zeigten im Rahmen eines bundesweiten Bauernprotestes auch in der Hansestadt ihren Ärger über den Plan der Bundesregierung, die Agrardieselsubventionen zu streichen. Nockemann war mit den Abgeordneten Krzysztof Walczak und Marco Sturm unterwegs auf der Willy-Brandt-Straße, um mit Protestierenden zu sprechen, wie er erzählt. „Auch für den gutmütigsten Leistungsträger ist das Maß irgendwann voll“, sagt er. Allenthalben habe der Tenor gelautet: „Die Ampel führt unser Land mit der grünsozialistischen Transformation in den Abgrund.“

Zwar komme die Ampel, die Nockemann „arrogant“ nennt, „in ihrer großen Angst vor den Bauern dem ein oder anderen etwas entgegen“, so der Fraktionschef. Aber: „Wenn man jemandem die Luft zum Atmen abschnürt, dann hilft es auch nicht, wenn man das Seil, das um den Hals gelegt ist, etwas nachlässt.“

Was Nockemann nicht sagt: „Die AfD lehnt Subventionen generell ab“ – so steht es jedenfalls auf Seite 69 des AfD-Grundsatzprogramms. „Wir wollen gleiche Regeln für alle – ob groß, ob klein, in jeder Branche“, heißt es dort. Wenn „im Einzelfall“ Subventionen wirtschaftspolitisch sinnvoll erscheinen sollten, seien sie zeitlich zu befristen. Das Kapitel zur Landwirtschaft auf Seite 88 trägt die Überschrift: „Mehr Wettbewerb. Weniger Subventionen“. Ob den Zuhörern im Saal und den Bauern, mit denen die AfD ins Gespräch kam, das klar ist?

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Auf Abendblatt-Nachfrage legt die AfD-Fraktion Wert auf die Feststellung, es handele sich bei den „Agrar-Dieselvergünstigungen“ nicht um Subventionen, sondern um Steuererstattungen. Das stimmt zwar formal – trotzdem bezeichneten zuletzt auch Ökonomen die vom Staat gewährten Steuervorteile als Subventionen.

Die AfD-Fraktion ist außerdem der Meinung, dass die Passagen im AfD-Grundsatzprogramm zu Subventionen in der Landwirtschaft seit dem Beginn der Bauernproteste in „hinterhältiger Absicht verkürzt wiedergegeben“ werden. So verweist die Fraktion auf eine Passage im Grundsatzprogramm, der zufolge die AfD die „Rahmenbedingungen für eine umweltgerecht produzierende mittelständische Landwirtschaft verbessern“ will und sagt, dass „EU-Subventionen nach dem Gießkannenprinzip sowie bürokratische Überreglementierungen Schritt für Schritt zurückzufahren“ seien. Es gehe der AfD also darum, eine „einseitige Bevorzugung großer Landwirtschaftsbetriebe einzustellen, die Förderung der mittelständischen Höfe in Deutschland hingegen zu forcieren“.

Hamburger AfD-Fraktion gibt sich immer wieder moderat

Im Gespräch mit Medien gibt die Hamburger AfD-Fraktion sich immer wieder zahm. So beteuerte Nockemann etwa im September 2023 im Abendblatt-Interview, er kämpfe für eine „moderate AfD“. Wie glaubwürdig ist das?

Mehrfach begrüßte die Fraktion den AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland im Rathaus zu ihrer Reihe „Fraktion im Dialog“, zuletzt am 21. Dezember 2023. Gauland, der im Juni 2018 in einer Rede vor dem Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative erklärt hatte, Hitler und die Nazis seien „nur ein Vogelschiss in über tausend Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“.

AfD lädt Teilnehmer des Potsdamer Treffens ins Rathaus ein

Als zu Jahresbeginn das Treffen rechter Kreise in Potsdam bekannt wurde, erklärte Dirk Nockemann zunächst zwar gegenüber der „Hamburger Morgenpost“, es ärgere ihn „kolossal, dass man so verbrettert sein kann, überhaupt an einer derart unsinnigen Veranstaltung teilzunehmen“. Ende Februar begrüßt die AfD-Fraktion jedoch im Rathaus einen Teilnehmer des Treffens: Jurist Ulrich Vosgerau, Mitglied des Kuratoriums der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und der CDU.

In seinem Vortrag mit dem Titel „Was passierte in Potsdam wirklich?“ bestätigte Vosgerau dann allerdings vor etwa 500 Zuhörern den Kern des „Correctiv“-Berichts: dass Martin Sellner in Potsdam dabei gewesen sei, der „interessanteste Gast“ aus Vosgeraus Sicht. Von Sellner, der als Galionsfigur der Identitären Bewegung gilt, habe er vorher schon „sehr viel Positives gehört“, sagte Vosgerau. Sellner habe tatsächlich über das gesprochen, „was er ‚Remigration‘ nennt“.

Olga Petersen war mutmaßlich sogar der AfD zu rechts. Gegen sie läuft ein Parteiausschlussverfahren.
Olga Petersen war mutmaßlich sogar der AfD zu rechts. Gegen sie läuft ein Parteiausschlussverfahren. © MARCELO HERNANDEZ / FUNKE Foto Services | Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Bei Vosgeraus Vortrag im Rathaus anwesend ist auch Olga Petersen, zu dieser Zeit noch Mitglied der Hamburger AfD-Fraktion. Sie hatte nach dem Bekanntwerden des Potsdamer Treffens auf ihrem Instagram-Account bekundet: „Das ist unser Ziel: millionenfaches Abschieben.“

Im April veröffentlichte sie dann auf dem Portal ein Foto von sich mit dem thüringischen AfD-Fraktionschef Björn Höcke – jener Geschichtslehrer, der 2017 das Berliner Denkmal für die ermordeten Juden Europas als „Denkmal der Schande“ bezeichnete und der jüngst vom Landgericht Halle zu einer Geldstrafe von 13.000 Euro verurteilt wurde, weil er bei einem Wahlkampfauftritt in Sachsen-Anhalt die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“ rief. Höckes Anwalt vor Gericht: Ulrich Vosgerau.

Oberverwaltungsgericht: AfD gilt weiterhin als rechtsextremer Verdachtsfall

Das Oberverwaltungsgericht Münster entschied vor Kurzem, dass die AfD weiter als rechtsextremer Verdachtsfall geführt und deshalb vom Geheimdienst beobachtet werden darf. Es gebe, so die Richter, Anhaltspunkte dafür, dass die „AfD Bestrebungen verfolgt, die gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip gerichtet sind“.

Die von Björn Höcke geführte Thüringer AfD wird schon seit 2021 vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft und beobachtet. Mitglied dieses Verbands ist der AfD-Landrat Robert Sesselmann. Auch mit ihm posierte Olga Petersen – Mitte März 2024 in der Hamburgischen Bürgerschaft. Bei Instagram schrieb sie dazu, sie freue sich „besonders“ über den „Ehrengast“. Wenige Wochen später war Petersen offenbar sogar den Rechten zu rechts. Ein Parteiausschlussverfahren gegen sie ist eingeleitet.

Weiterhin die Unterstützung der Hamburger AfD hat offenbar ihr Europa-Kandidat Michael Schumann. Er erklärte bei der AfD-Europawahlversammlung im vergangenen Jahr, wie sich seiner Ansicht nach Unternehmen positionieren sollten, insbesondere Hamburgs zweitgrößter Arbeitgeber Airbus. Er finde es erstaunlich, dass manche Vertreter der deutschen Wirtschaft noch nicht verstanden hätten, „in welche Richtung der Wind weht“, so Schumann. Unternehmen wie Airbus sollten doch eigentlich Pläne „für die dringend notwendige Remigrationsflotte vorstellen“ – ein Video von seinem Auftritt ist auf Instagram zu sehen.

AfD fällt in der Bürgerschaft vor allem durch Provokationen auf

In Debatten im Landesparlament fällt die Hamburger AfD-Fraktion häufig durch Provokationen auf und sorgt für Eklats. Nur zwei Beispiele: 24. Februar 2021. Parteiübergreifend erinnern Abgeordnete an den rassistischen Anschlag von Hanau ein Jahr zuvor, bei dem der Täter neun Menschen mit migrantischen Wurzeln getötet hatte. Fast alle Mitglieder des Parlaments heben hervor, dass die Tat in einer Reihe mit rechtsextremistisch motivierten Morden in Halle und Kassel zu sehen sei und dass alle Demokraten sich gegen Hass und Hetze wenden müssten.

Die AfD allerdings will „sachlich bleiben, statt eine Hysterie aufzubauen“, wie ihr damaliger Co-Fraktionschef Alexander Wolf erklärt. Er bezeichnet den Anschlag als „Einzeltat eines psychisch Kranken“, die nun missbraucht werde, „um daraus politisches Kapital zu schlagen“. Dagegen wendet sich Innensenator Andy Grote (SPD): „Sie erklären damit den Familien der Opfer, dass ihre Angehörigen quasi zufällig ums Leben gekommen sind, dass ihre Herkunft und ihre Hautfarbe überhaupt keine Rolle gespielt haben“, sagt Grote, gerichtet an die AfD. „Das ist infam, das ist unfassbar.“

Grünen-Abgeordneter: „Das zeigt, wes Geistes Kind sie sind“

21. April 2021. In einer Debatte über das Infektionsschutzgesetz des Bundes sagt der AfD-Abgeordnete Thomas Reich, Ausgangssperren habe es „nicht einmal während des Zweiten Weltkrieges“ gegeben. Darauf reagiert der Grünen-Abgeordnete Peter Zamory: Es sei „ungeheuerlich, die Gegenwart schlimmer zu machen als den Nationalsozialismus“, ruft er. Die Behauptung sei empörend, weil es im Nationalsozialismus Ausgangssperren für jüdische Bürger gab. „Das ignorieren Sie“, sagt Zamory. „Das zeigt, wes Geistes Kind sie sind.“

Während die AfD-Fraktion im Landesparlament immer wieder Widerspruch erfährt, bekommt sie in sozialen Medien viel Zuspruch. Bei TikTok, wo der Fraktion mehr als 25.000 Menschen folgen, zeigt sie Kurzvideos mit Ausschnitten von Reden ihrer Abgeordneten in der Bürgerschaft, versehen mit Überschriften wie: „AfD-Chef zieht Ampelversager zur Rechenschaft“, „Wir haben die dümmste Regierung Europas“, „FDP-Politikerin wird von AfD-Chef zurechtgewiesen“, „AfD-Chef zeigt selbstbesoffenen Grünen die Grenzen auf“. In Kommentaren zu den Videos greifen etliche Nutzer den verächtlichen Ton auf: „Die Grünen Faschos müssen weg“, schreibt einer; ein anderer: „Weg mit dem Dreck, darum bitte wählt die AfD, damit so was ein Ende hat.“

Im AfD-Wahlprogramm 2020 spielte Wirtschaft eine untergeordnete Rolle

Wer die Aktivitäten der Hamburger AfD-Fraktion bei TikTok & Co. verfolgt, ihr Auftreten in der Bürgerschaft und ihre Öffentlichkeitsarbeit, der kann den Eindruck bekommen: Der Wirtschaftsstandort Hamburg spielt für sie nur eine untergeordnete Rolle. Schon in ihrem Wahlprogramm zur Bürgerschaftswahl 2020 hatte die Hamburger AfD der Wirtschaft gerade einmal knapp anderthalb Seiten gewidmet – dem Thema Migration hingegen etwa viereinhalb Seiten.

Auf Nachfrage macht die AfD-Fraktion keinen Hehl daraus, welche Priorität sie setzt. Die „komplett aus dem Ruder gelaufene, massenhafte illegale Migration nach Deutschland und Hamburg mit all ihren negativen Begleiterscheinungen“ sei „selbstverständlich Hauptkritik- und Ansatzpunkt der AfD“ – aber „ohne dabei andere Politikfelder zu vernachlässigen“. Zum Thema Migration hätten sich „weitere Problemfelder hinzugesellt, welche der Politik von CDU, SPD und Grünen zuzuordnen“ seien. Das AfD-Programm für die kommende Bürgerschaftswahl werde dem Rechnung tragen. Maßgeblich für die Hamburger AfD sei die soziale Marktwirtschaft nach dem Modell Ludwig Erhards.

AfD-Replik: „Zahlreiche Wirtschafslenker zu windschnittig“

Zu dem Befund der Abendblatt-Umfrage, dass offenbar viele Hamburger Unternehmen wegen des Erstarkens der AfD besorgt um den Wirtschaftsstandort sind, sagt die Fraktion: „Dass zahlreiche Wirtschaftslenker zu windschnittig sind, ins Private abtauchen und ansonsten durch wenig originelle Gedanken auffallen, ist Teil der Krise der deutschen Wirtschaft.“

Entscheidend sei: „Es ist im Gegensatz zur AfD die Wirtschafts- und Europapolitik der Ampel und des rot-grünen Hamburger Senats, welche für den Standort Deutschland und Hamburg die gravierendsten negativen Einschnitte seit dem Zweiten Weltkrieg bedeutet.“ Die AfD wolle „auf allen Feldern gegensteuern“, um Wohlstand zu sichern.

Firmenchef Wolfgramm hält AfD für Gefahr für den Wohlstand in Hamburg

Bauunternehmer Hendrik Wolfgramm in Wandsbek hat andere Vorstellungen davon, wie Wohlstand in Hamburg zu sichern wäre. „Ich kann mich noch sehr gut an unseren ersten Flüchtlingsazubi erinnern“, sagt er. „Ghafur konnte kein einziges Wort Deutsch oder Englisch. Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt.“ Wolfgramm lacht. „Mittlerweile ist Ghafur ein fester Geselle bei uns, spricht fließend Deutsch, wickelt Baustellen alleine ab, arbeitet eigene Auszubildende ein und ist auch auf Firmenfeiern gern gesehener Gast.“

Wolfgramm kann viele derartige Geschichten erzählen. Er spricht aber auch ganz offen darüber, dass Geschichten wie die von Ghafur oder Hassan auch Anstrengungen bedeuten, Geduld und ganz viel Arbeit. Für die Beteiligten, für ihn, für die Firma. Und eines sagt Wolfgramm noch ganz zum Schluss, kurz vor der Verabschiedung. Nur ein Satz über all die Mühen, die Formulare: Es lohnt sich.