Hamburg. Kassenärztliche Vereinigung dreht den Geldhahn zu wegen zu geringer Patientenzahl. Betroffen ist sogar deutsche Vorzeige-Ambulanz.
Die Hamburger Praxisärzte wollen die Notfallpraxen, die sie gemeinsam mit verschiedenen Krankenhäusern betreiben, nicht mehr so finanziell unterstützen wie bislang. Nach einem einstimmigen Beschluss der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) vom Donnerstagabend endet die Zusammenarbeit mit dem Marienkrankenhaus bereits Ende Juni 2024.
Auch der Vertrag mit dem St. Adolf-Stift in Reinbek läuft aus. Dort hat die KV die Notfallpraxis unterstützt, um die Patientinnen und Patienten aus Bergedorf und Umgebung wohnortnah zu versorgen. Hier gibt es nach Krankenhausangaben ab 2025 eine Lösung mit den Kassenärzten in Schleswig-Holstein. Die Einrichtung am Marienkrankenhaus (INZ) gilt bundesweit als Vorzeigeprojekt.
Notaufnahmen Hamburg: Was bringt die Krankenhausreform?
Die niedergelassenen Ärzte tragen aus ihrem Honorartopf den Löwenanteil dieser Notfallambulanzen. Der Ertrag daraus ist aber zu gering im Vergleich zum Aufwand. Dieses Zuschussgeschäft wollen die Praxismediziner auch deshalb nicht mehr betreiben, weil ihre KV nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes künftig auch für selbstständige Poolärzte im Notdienst Sozialabgaben entrichten muss.
Das bedeutet für Hamburgs Ärztevertretung neue Ausgaben in Millionenhöhe. Aus der KV hieß es am Donnerstagabend, Patienten könnten nach wie vor den Arztruf 116 117 anwählen, der einen Notarzt nach Hause schicke, einen Termin für einen Facharzt mache oder im schlimmsten Fall einen Rettungswagen alarmiere.
Notaufnahme Hamburg: Es brodelt bei den Praxisärzten
In der Ärzteschaft der Niedergelassenen brodelt es seit Langem. Die Praxisärzte sind nicht mehr bereit, aus ihrem Budget den Notdienst mehrheitlich mitzufinanzieren. In den vergangenen Jahren hat die KV den Notfallservice mit gemeinsamen Einrichtungen an Hamburger Krankenhäusern erheblich ausgebaut. Aus einstmals zwei Notfallpraxen wurden acht Standorte.
Zuletzt hatte die Vertreterversammlung bereits auf Antrag des Orthopäden Dr. Torsten Hemker beschlossen, den Geldhahn zuzudrehen, weil die Honorare nicht angepasst worden seien. Zudem waren den Ärzten Zuwendungen gestrichen worden, die im Zusammenhang mit der Neupatientenregel für etwas Entlastung gesorgt hatten. Bei dem Beschluss jetzt verwiesen die Ärzte auf das „Wirtschaftlichkeitsgebot“.
Rettungsdienst Hamburg: Streit um Finanzierung
Das Integrierte Notfallzentrum am Marienkrankenhaus (INZ) ist das bundesweit beachtete Modell dafür, wie die Versorgung von Patienten in der Zusammenarbeit von Praxen und Kliniken in Zukunft aussehen könnte. Es gibt einen gemeinsamen Tresen, moderne Technologie zur Begutachtung und Weiterleitung der Patienten in die richtige Versorgungsform: Notaufnahme, Krankenhausbett oder Termin in einer Praxis.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach, Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (beide SPD) sowie Experten aus ganz Deutschland haben sich den innovativen Weg des Marienkrankenhauses angeschaut, den maßgeblich Dr. Michael Wünning und Klinikchef Christoph Schmitz bereitet haben. Auch die KV bedauerte, dass diese „Blaupause“ für die Patientenversorgung so nicht weitergeführt werde. Es habe sich gezeigt, dass deutlich weniger Notfallpatienten ins Krankenhaus aufgenommen werden müssten.
Notfallpraxis am Marienkrankenhaus: Zu wenige Patienten nach 24 Uhr?
Die KV war von Beginn an mit im Boot. Sie kämpft allerdings gleichzeitig mit der Feuerwehr um eine Neuordnung im Rettungsdienst. Der Arztruf 116 117 könnte mehr Einsätze übernehmen, braucht dafür aber mehr Geld. Die von der Innenbehörde beaufsichtigte Feuerwehr müsste, will aber nicht so richtig abgeben. Dabei muss man wissen: Rettungswageneinsätze sind erheblich teurer als der fahrende Notdienst der KV.
Nach Abendblatt-Informationen hat sich die Zusammenarbeit zum Beispiel im Marienkrankenhaus für die KV nicht wirklich gelohnt. Nachts wurden Ärzte und Geräte vorgehalten, während zwischen 24 und 8 Uhr morgens oft nur wenige Patienten kamen. Auch zu anderen Zeiten waren es bisweilen nur zwei pro Stunde. Das Marienkrankenhaus erklärte am Freitag: „Im Bereich der Notfallversorgung wurden im Jahr 2023 etwa 42.000 Patientinnen und Patienten (durchschnittlich ca. 115 pro Tag) versorgt. Dies ist eine Steigerung um fast 30 Prozent gegenüber dem Jahr 2021 und belegt die hohe Akzeptanz des Notfallangebotes am Marienkrankenhaus in der Hamburger Bevölkerung.“
In der gemeinsamen Notfallpraxis am Krankenhaus Reinbek (St. Adolf-Stift) waren offenbar deutlich mehr Patientinnen und Patienten aus Schleswig-Holstein als aus dem Bereich Bergedorf. In Hamburgs medizinischen Einrichtungen werden ohnehin sehr viele „Auswärtige“ versorgt, was aus Sicht der hiesigen Fachleute ein stärkeres finanzielles Engagement der Nachbarländer erfordert.
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Im Marienkrankenhaus ist man nach Abendblatt-Informationen nicht erfreut über das mögliche Ende der Kooperation. Allerdings dürften sich die Betreiber auch schon anderweitig umgesehen haben. Das INZ wird weiter betrieben. Vor dem Hintergrund der Krankenhausreform muss sich das Haus auch gegenüber den anderen nahen Kliniken behaupten.