Hamburg. Drastische Worte der Hamburger Sozialsenatorin. Wissenschaftler Schreyögg entlarvt Thesen über Krankenhaus und Notaufnahmen.

Die Hamburger Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer hat mit drastischen Worten vor einem Scheitern der Krankenhausreform gewarnt. Als Verhandlungsführerin der A-Länder (SPD-geführte Gesundheitsressorts) ringt sie mit Bundesgesundheitsminister (und SPD-Genosse) Karl Lauterbach sowie mit den CDU-geführten Bundesländern um Details und Milliarden Euro. „Damit bin ich fast täglich beschäftigt.“ Die Unionskollegen wollen den von Schlotzhauer mühsam ausverhandelten Deal für alle Länder mit Lauterbach blockieren. Darin geht es im Kern darum, dass, noch bevor die große Reform kommt, in einem Gesetz festgelegt wird, dass die Krankenhäuser vorab erhebliche Summen bekommen, um zumindest das Jahr 2024 zu überstehen.

So dramatisch, wenn auch nicht in diesem Ausmaß in Hamburg, ist die Lage in der deutschen Krankenhauslandschaft. Schlotzhauer sagte bei einer Veranstaltung der Gewerkschaft Ver.di: „Das sind sehr harte politische Auseinandersetzungen. Wenn das nicht kommt, gibt es Insolvenzen von Krankenhäusern und am Ende werden die Patienten darunter leiden.“

Krankenhaus Hamburg: Das ändert sich durch die Reform

Schlotzhauer sagte: „Die Krankenhäuser müssen sich verändern, sie sind schon auf dem Weg dahin. Aber da geht noch mehr.“ Für die Senatorin müsste auch der ambulante Bereich, also die Praxisärzte miteinbezogen werden. Und sie sagte, sie erwarte, dass die Reform berücksichtige, wie zum Beispiel Hamburg 30 Prozent an Patientinnen und Patienten aus dem Umland in seinen Kliniken mitversorge. „Das möchte ich anhand der künftigen Krankenhausfinanzierung sehen.“ Sprich: Schleswig-Holstein und Niedersachsen sollen nach ihren Worten für die Infrastruktur der Hamburger Häuser mitzahlen.

Denn nach der Reform werden nicht mehr alle Einrichtungen alles anbieten können. Es wird „Leistungsgruppen“ von medizinischen Angeboten geben, für die man eine bestimmte Ausstattung und Personal braucht. Das kann nicht überall angeboten werden. „Wir sind gehalten, dass Versorgung auch wirtschaftlich zu erbringen ist“, mahnte Kathrin Herbst vom Krankenkassenverband VDEK (Techniker, DAK und andere). Immer alles und überall verfügbar – das ist aus Kassen-Sicht unbezahlbar geworden.

Notaufnahmen in Hamburg: „Da gehe ich einfach mal hin“

In einem gewohnt tiefgründigen Vortrag hat Gesundheitsökonom Prof. Jonas Schreyögg (Hamburg Center for Health Economics) Politik, Kassen und Krankenhausverantwortlichen vorgehalten, was die Megatrends sein werden. Die Deutschen werden älter – und brauchen immer mehr medizinische Versorgung? So einfach ist das nicht, sagte Schreyögg. „Es ist gar nicht sicher“, sagte er unter Berufung auf Studien, „dass die Nachfrage nach Krankenhausbehandlungen steigt.“ Es gebe eine „unkoordinierte Inanspruchnahme“, zum Beispiel in den Notaufnahmen. „Viele haben das Gefühl: Da gehe ich einfach mal hin.“

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Im Vergleich mit anderen Ländern sieht er zwei Schwachstellen der deutschen Klinik-Realität: Trotz leichten und schnellen Zugangs zur Top-Medizin seien Lebenserwartung und Qualität im internationalen Maßstab eher schlechter als besser. Und: Die Deutschen seien zu lange im Krankenhaus („Belegungstage“). Das meint nicht, dass sie nach Operationen „blutig“ entlassen werden sollen, sondern es bedeutet, dass im Vergleich viel mehr ambulant behandelt werden könnte, als ein Krankenhaus aufzusuchen. Schreyögg rechnete vor, dass die Wahrscheinlichkeit, aus einer deutschen Notaufnahme ins Krankenhaus aufgenommen zu werden, bei 50 Prozent liege. In anderen europäischen Ländern liege diese Chance nur bei 20 oder 30 Prozent.

Krankenhaus Hamburg: Ranking sei oft fehlerhaft

Wenn man die Zahl der Belegungstage senke, falle auch der eklatante Fachkräftemangel vor allem bei Pflegekräften und Medizinischen Fachangestellten nicht so ins Gewicht, der uns drohe. Und das Problem, dass gerade im Medizinsektor so oft in Teilzeit gearbeitet wird? „Das ist eine generelle gesellschaftliche Präferenz“, sagte Schreyögg. „Diesen Trend sehen wir auch bei Männern.“ Das untergräbt die weit verbreitete Vermutung, dass es weniger medizinische Angebote gebe, weil es oft mehr Ärztinnen als Ärzte gebe und die häufiger nicht Vollzeit behandelten. Eine „Feminisierung in der Medizin“ hält Schreyögg für „Quatsch“.

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Die Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, Dr. Claudia Brase, warnte jedoch vor allzu viel Verknappung und Konzentration des Krankenhausangebots. „Wir müssen im Auge behalten, dass wir keine Wartelisten erzeugen.“ Ihr geht es nicht nur um den Komfort der Patientinnen und Patienten, sondern darum, dass unbehandelte Erkrankungen sich verschlimmern können. Die Qualitätsdiskussion schien sie zu ermüden, weil sie darauf hinwies, dass Hamburger Häuser schon seit Jahren ihre Ergebnisberichte ins Internet stellen. Und wie sich zuletzt an der „Weissen Liste“ der Bertelsmann-Stiftung zeigte, sind Rankings und vorgebliche Qualitätsempfehlungen oft fehlerhaft.

Während Ver.di-Expertin Hilke Stein Arbeitsbedingungen in den Kliniken forderte, „sodass Menschen gesund ihre Rente erreichen können“, sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses der Bürgerschaft, Peter Zamory (Grüne), er wolle vor allem das Chefarztsystem abschaffen: „Deutsche Krankenhäuser werden immer noch geführt wie Militärkrankenhäuser.“