Hamburg. Patienten-Studien bei UKE und Asklepios gehen in letzte Phase – Hoffnung auf Impfung gegen Haut- und Darmtumoren.
Mit zwei bahnbrechenden Studien kann sich Hamburg zu einer Metropole im Kampf gegen den Krebs entwickeln. Bei Asklepios und im UKE arbeiten Ärzte und Medizinforscher gemeinsam mit den weltweit führenden Herstellern Biontech und Moderna an Impfstoffen, die zum Teil schon im nächsten Jahr eine Zulassung erhalten könnten. Sie bremsen nachweislich bei Krebspatienten das Tumorwachstum. Sollten sie bei einer größeren Gruppe von Testpersonen erfolgreich sein, ließe sich die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patientinnen und Patienten mit Haut- und Darmkrebs erheblich erhöhen. Gleichzeitig haben die Impfstoffhersteller die Hoffnung, dass die aus den Corona-Impfungen bekannte mRNA-Technologie (Messenger- oder Boten-Ribonukleinsäure) bei weiteren Krebserkrankungen eine Rückbildung von Tumoren oder gar eine Heilung bringen könnte.
Das UKE ist als erstes deutsches Hauttumorzentrum mit Prof. Christoffer Gebhardt von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie an einer Moderna-Zulassungsstudie (Phase III) für einen Impfstoff gegen den Schwarzen Hautkrebs (Malignes Melanom) beteiligt. Die Patienten bekommen nach der Operation, in denen Tumoren entfernt wurden, wie gehabt eine Antikörper-Therapie mit Infusionen. Zusätzlich erhalten sie einen eigens für sie entwickelten Impfstoff, der ihnen im Laufe der etwa ein Jahr dauernden Therapie neunmal gespritzt wird. Gebhardt sagte: „Die bisherigen Studienergebnisse stimmen uns optimistisch, dass die individualisierte Neoantigentherapie einen wichtigen Beitrag für das Ziel leisten könnte, das Wiederauftreten einer Melanomerkrankung zu verhindern und damit Heilung zu ermöglichen.“
Impfung gegen Krebs: Was Biontech und Moderna in Hamburg erforschen
Allein den Impfstoff herzustellen dauert rund sechs Wochen. Er wird wie bei einer Corona-Impfung in einen Muskel gespritzt. Sollte die Studie einen weiteren Erfolg bringen und das Rückkehrrisiko von Tumoren erheblich mindern, könnten diese Krebs-Impfstoffe bereits 2025 in einem Schnellverfahren zugelassen werden. Für schwer kranke Patienten wäre das eine gute Nachricht. Die Deutsche Krebsgesellschaft warnt, dass die Zahlen bei Hautkrebs zuletzt stark angestiegen seien, auch die der daran Verstorbenen.
Ähnlich dramatisch ist die Entwicklung bei Darmkrebs, der zweithäufigsten Krebsart bei Frauen wie Männern nach Brustkrebs und Prostatakrebs. Hier können Stuhltests und eine Darmspiegelung helfen, einen Tumor zu entdecken. Doch selbst wenn er entfernt ist, geht es darum, eine Neubildung zu verhindern.
Asklepios: Impfstoff gegen Darmkrebs aus Informationen über Tumore gewonnen
Prof. Dirk Arnold, Medizinischer Vorstand im Asklepios Tumorzentrum Hamburg, sagte dem Abendblatt über die Kooperation mit Biontech: Patienten erhielten nach einer Chemotherapie Spritzen mit einem individuellen Impfstoff. Dieses Vakzin werde aus der genetischen Information des entfernten Tumoren abgeleitet und hergestellt. Es sei somit ein Impfstoff, der quasi genau für diesen Menschen zugelassen sei. „Wie nach einer mRNA-Impfung gegen das Coronavirus, die man kennt, fühlen sich die Patienten möglicherweise etwas schlapp und müde. Bislang haben wir jedoch keine schweren Nebenwirkungen gesehen.“
In Zukunft stelle sich die Frage, ob man nicht nur zur „vorbeugenden“ Therapie, sondern auch bei manifesten Tumoren deren Wachstum bremsen oder sie sogar verkleinern könne. Dies sei bislang mit mRNA-Impfstoffen nur bei Tumorarten gelungen, die sehr von der Funktion des Immunsystems abhängen wie dem malignen Melanom. „Biontech hat die Hoffnung, dass man mit einer individuellen ,Impfung‘ in Zukunft bei vielen Tumorarten die körpereigenen Zellen anregt, den Tumor eigenständig zu bekämpfen.“
Biontech schreibt einen „Steckbrief“ für Zellen
Im vergangenen Jahr hatte Biontech-Mitgründerin Prof. Özlem Türeci bei einem Hamburg-Besuch bereits dem Abendblatt gesagt, man arbeite mit Hamburger Forschern und Ärzten bereits an einer Impftherapie gegen Darmkrebs. Die Impfung gegen die Rückkehr des Krebses funktioniere so, dass man dem Immunsystem quasi eine Art Steckbrief zeige: Das sind die Zellen, die du bekämpfen sollst. Mit der Impfung könne man gewissermaßen mit den Zellen kommunizieren.
Das UKE erwartet bis zum Jahr 2029 die „finalen Ergebnisse“ dieser letzten Hautkrebs-Impfstudie vor der offiziellen Zulassung. Bei den Patienten nimmt man eine Gewebeprobe, deren DNA sequenziert wird, um die individuellen Tumormutationen zu finden. Die wichtigsten Sequenzen sind die Basis für den Impfstoff. Prof. Gebhardt verweist darauf, dass in der vorangegangenen Studie das Risiko von neuen Tumoren bereits um 66 Prozent gesenkt werden konnte. Bei Schwarzem Hautkrebs ist es oft so, dass er sogenannte Fernmetastasen bilden kann. Das sind Krebszellen, die sich in Lunge, Leber oder Hirn ansiedeln und zum Tode führen können.
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Haut- und Darmkrebs: Was man zur Vorsorge tun kann
Der sogenannte helle Hautkrebsist besser behandelbar. Um den Schwarzen Hautkrebs, der sich oft erst über Jahre entwickelt, zu identifizieren, sind regelmäßige Haut-Screenings geeignet. Die Techniker Krankenkasse hatte zuletzt beklagt, dass trotz der Belastung durch UV-Strahlung die Neigung der Hamburger gesunken ist, zur Früherkennung zu gehen. Nur 17 Prozent der Anspruchsberechtigten hätten im Jahr 2022 daran teilgenommen. Auf ein Screening alle zwei Jahre haben gesetzlich Versicherte nach TK-Angaben einen Anspruch ab dem Alter von 35 Jahren. Für jugendliche TK-Versicherte sei es schon ab 15 Jahren möglich.
Praktisch alle Vorsorgeuntersuchungen auf Krebs haben während der Corona-Pandemie einen zahlenmäßigen Einbruch erlitten. Männer ab 50 und Frauen ab 55 Jahren haben einen gesetzlichen Anspruch auf eine Darmspiegelung zur Krebsvorsorge. Schon in jüngerem Alter lassen sich Hinweise per Stuhltest finden. Wenn es in der Familie Fälle gab, sollte man schon ab dem 40. Lebensjahr eine Vorsorgeuntersuchung vereinbaren.