Hamburg. Wer die Wohnungsgröße dem Lebensstil anpassen will, ist mit Hürden konfrontiert. Dabei könnte die Stadt ihren Wohnraum besser nutzen.
Wenn jeder Hamburger und jede Hamburgerin in einer Wohnung leben würde, deren Größe dem individuellen Lebensstil entspricht, könnte sich der Wohnungsmarkt entspannen. Gerade Senioren wohnen häufig in größeren Räumen als nötig, etwa weil die mittlerweile erwachsenen Kinder ausgezogen sind oder sich die Bedürfnisse der Menschen verändert haben.
Das Problem: Wer seine Wohnung wechseln beziehungsweise tauschen will, dem wird dieser Umzug künstlich schwergemacht – sogar bei der Saga. Anhand der Senatsantwort auf eine schriftliche Kleine Anfrage (SKA) konstatiert die Linksfraktion in der Bürgerschaft: „Wohnungswechsel ist in Hamburg nahezu aussichtslos!“
Wohnen in Hamburg: Wohnungswechsel in der Hansestadt ist quasi unmöglich
Für Wechselwillige, insbesondere Senioren, hat die Behörde für Stadtentwicklung eine Koordination Wohnungswechsel eingerichtet. Diese jedoch, beklagen die Linken, sei mit einer Stelle „nicht eben üppig ausgestattet und zudem weithin unbekannt“. Von Letzterem ist auszugehen, denn wie der Senat informiert: Die Koordinierungsstelle konnte zwischen 2019 und 2023 für den Wohnungswechsel von gerade einmal vier Haushalten sorgen. Insgesamt 31 Fälle seien in der Zeit von der Stelle bearbeitet worden.
Für die Linksfraktion ein Ärgernis, zumal Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) noch im vergangenen Jahr gegenüber dem Abendblatt äußerte: „Wir sollten ernsthaft über ein Konzept und eine Förderung des Wohnungstauschs nachdenken.“ Sie sehe darin ein „großes Potenzial“, um die Probleme am Hamburger Wohnungsmarkt zu mildern.
Das würde sicherlich auch die Linksfraktion unterschreiben. Die Zahl der Menschen, die mit anderen Haushalten tauschen könnten, um für beide Seiten eine passendere Lösung zu erwirken, gehe in die Tausende, heißt es von dort. Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Fraktion: „Wenn Menschen aus ihren zu groß gewordenen Wohnungen in kleinere umziehen wollen, kann das gewinnbringend für alle Beteiligten werden. Die einen sparen Miete, die anderen bekommen endlich eine größere Wohnung. Und die Stadt muss dafür keine neuen Wohnungen bauen. Hier liegt ein Schatz vergraben, den die Stadt endlich heben muss.“
Wohnungswechsel selbst für Saga-Mieter mit Hürden verbunden
137.000 Hamburger Haushalte leben in Wohnungen des städtischen Wohnungsunternehmens Saga. Hier sind die vom Senat veröffentlichten Zahlen zum Wohnungswechsel positiver. Bei der Saga habe es zwischen 2019 und 2023 jährlich zwischen 570 und 767 Wechsel gegeben. Das mache zehn Prozent der Fluktuation im Konzern aus. „Aber angesichts der Größenordnung des Saga-Bestandes und des enormen Bedarfs ist auch das nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, meint die Linksfraktion.
Die Saga will ihren Mietern den Wohnungstausch einfach machen. Wer seine Wohnung innerhalb des Unternehmens wechselt, dem wird nach Informationen der Saga in der Regel die Kündigungsfrist erlassen, sodass keine Zeiträume mit doppelten Mieten entstehen. Ältere Menschen können dank des Seniorentauschprogramms grundsätzlich ihre alte Quadratmetermiete beibehalten, sodass sie beim Umzug in eine kleinere Wohnung tatsächlich Geld sparen. Das Tauschprogramm verfolge das Ziel, den Flächenverbrauch pro Person innerhalb der Saga sachgerecht zu verteilen, so der Senat.
In der Wirklichkeit sehen sich wechselwillige Saga-Mieter jedoch mit einer Reihe von Hindernissen konfrontiert. So müssen sie sich beispielsweise auf dem Internetportal Immomio registrieren, wo sie dann Wohnungsangebote erhalten. Das ist relativ kompliziert, insbesondere für solche Senioren, die sich weniger gut mit digitalen Anwendungen auskennen. Dass diese verpflichtende Anmeldung bei Immomio Zugangsbeschränkungen mit sich bringe, bestätigt auch Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg.
Wohnungstausch bei der Saga: Gute Bekanntschaften helfen nicht mehr
Früher seien die Wohnungen der Saga oft mithilfe von guten Beziehungen und glücklichen Zufällen getauscht worden, so Bosse. Immomio soll den Wohnungswechsel diskriminierungsfrei machen, führt aber auch zu folgendem Phänomen: Wenn Frau Müller und Herr Meier ihre Wohnungen tauschen wollen, können sie das nicht einfach selbstständig ausmachen und die Idee der Saga präsentieren. Stattdessen müssen sich beide bei Immomio anmelden. Auch dort können sie sich nicht suchen und finden, sondern lediglich Angebote wahrnehmen, die ihnen die Saga macht.
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Wenig verwunderlich ist daher, dass sich reihenweise Mieter der Saga, aber auch andere Vermieter beim Mieterverein zu Hamburg melden. Fünf bis zehn Menschen würden täglich anrufen und sich zum Thema Wohnungswechsel erkundigen, so Rolf Bosse. Allerdings: „Wir können zu diesen Anfragen verhältnismäßig wenig beitragen. Den Nachfragenden können wir höchstens rechtliche Hinweise geben“, sagt er.
Mieten in Hamburg: „Das Problem besteht auch in den Köpfen“
Bosse ist ein großer Verfechter des Wohnungswechsels. Abseits der politischen Situation rund um das Thema wendet er ein: „Das Problem besteht auch in den Köpfen.“ Viele Menschen würden sich schlichtweg nicht damit befassen, dass ein Wohnungswechsel insbesondere im Alter sinnvoll sein kann. Er fordert daher breite Kampagnen zum Thema. „Lebensabschnittsgerechtes Wohnen“ nennt er die Idee. Es müsse zum Automatismus werden, dass man den Wohnraum mit der Rente wo möglich wechselt.
„Denn wir müssen uns auf ein Jahrzehnt geringer Bautätigkeit und gleichzeitig wachsender Nachfrage nach Wohnraum einstellen. Mit dem, was wir haben, müssen wir effizienter umgehen“, sagt Bosse. Dazu gehöre neben einer erhöhten Sensibilität der Menschen für das Thema Wohnungswechsel ebenfalls, dass es finanziell nicht unattraktiv sein darf, von einer größeren in eine kleinere Wohnung zu ziehen.