Reinbek. Wohnungen rar, Mieten hoch: Christian Seemann aus Reinbek suchte eine Alternative für seine Eltern. Da hatte seine Frau eine Idee.
Bislang leben Elfgart (80) und Sigfried (78) Seemann auf rund 120 Quadratmetern in einem Einfamilienhaus in Lübeck. Den 900 Quadratmeter großen Garten pflegen sie noch selbst. „Wir merken allerdings, die Kraft wird weniger“, sagt Elfgart Seemann. Vor rund eineinhalb Jahren bekamen beide nahezu gleichzeitig gesundheitliche Prognosen, die große Unsicherheit auslösten. Sie sind altersbedingt erkrankt, mit der Perspektive auf Pflegebedürftigkeit.
Für Schwiegertochter Ramona (48) und Sohn Christian Seemann (47) war dies der Anlass, um nach einer anderen Wohnlösung zu suchen. „Mir war sofort klar, wir müssen etwas Passendes finden, nicht bloß einen Kompromiss“, erzählt Christian Seemann. Beide wollten, dass die Eltern in ihre Nähe nach Reinbek ziehen. Doch schnell stellten sie fest, für eine Wohnung würde die Rente nicht reichen. Zudem ist das Angebot auf dem Reinbeker Wohnungsmarkt nicht gerade üppig. Eine Seniorenresidenz oder ein Altersheim waren für die Familie auch kein denkbarer Weg. Dann kam Schwiegertochter Ramona die zündende Idee: ein seniorengerechtes Tiny House im eigenen Garten.
Tiny House soll im 570 Quadratmeter großen Garten entstehen
Der Vorteil wäre nicht nur die räumliche Nähe, die junge Familie will sich auch selbst um die Eltern kümmern. Allen voran Schwiegertochter Ramona, die ihren Beruf vor vielen Jahren aufgegeben hat und die Familie umsorgt. „Ich rechne meiner Frau das sehr hoch an“, erklärt der Familienvater. Und die Kinder Lina (8) und Marlon (15) sind ebenfalls von der Idee begeistert.
Und das, obwohl gerade Lina verzichten muss. Im rund 570 Quadratmeter großen Garten wird dann nämlich kein Platz mehr für ihr Spielhaus sein. „Das Tiny House bietet uns jedoch viel Flexibilität“, erläutert Christian Seemann, Geschäftsführer einer Medienagentur. Es gibt zudem die Möglichkeit, es irgendwann wieder zu entfernen. Denn das Haus wird lediglich auf einem Betonsockel stehen. Alle zugehörigen Dienstleister kommen aus der Region, ob Gewerke, Küche oder das Fertighaus selbst. Das ist den Seemanns wichtig – allein für den direkten Kontakt während der Planungs- und der Bauphase.
Photovoltaikanlage auf Dach: Die Energie reicht für beide Häuser
Die jungen Seemanns entdeckten ein Konzept für ein Tiny House, das ihren Vorstellungen entsprach. Unter anderem mit breiten Türen ist das rund 50 Quadratmeter große Haus, das über zwei Zimmer, Küche und Bad verfügt, ausgestattet. Eine Fußbodenheizung, eine Klimaanlage und auch Rollläden runden die Ausstattung des nach GEG-Norm (Gebäudeenergiegesetz) gedämmten Holzhauses ab.
„Wir haben auf unserem Haus eine Photovoltaikanlage, deren Energieertrag für beide Häuser reicht“, sagt Christian Seemann. Die vier Erwachsenen haben sich gründlich schlau gemacht und zuletzt ein vergleichbares Haus besichtigt, sodass sie eine Vorstellung bekamen. Rund 125.000 Euro wird das neue Heim der Senioren kosten.
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Noch ist der Bauantrag nicht genehmigt
Doch einfach so ein Tiny House in den Garten setzen, geht in Deutschland nicht. Die Seemanns stellten gleich nach der Entscheidung eine Bauvoranfrage, die positiv ausfiel. Doch ohne genehmigten Bauantrag kann es nicht losgehen. „Wir haben viel Unterstützung von der Verwaltung erfahren“, stellt Seemann fest. Doch sie hoffen, dass auch die nächsten Schritte schnell bearbeitet werden. Sobald die Baugenehmigung vorliegt, kann es losgehen. Der Bau des Hauses dauert drei Monate. „Es wäre unser Wunsch, dass das Haus im April oder Mai steht“, sagt er. Anschlüsse für Wasser, Abwasser und Strom müssen allerdings noch gelegt werden.
„Wir freuen uns sehr darauf. Jetzt können wir noch selbst mitentscheiden“, sagt Elfgart Seemann. Es fiele ihnen nicht schwer, das Haus in Lübeck zu verlassen, da sie merken, dass es beschwerlicher wird, das Haus in Schuss zu halten. „Mit der Entscheidung kam bei meinen Eltern viel Lebensenergie zurück“, stellte Christian Seemann fest.
Das Wohnmodell könnte Nachahmer finden
Die Idee könnte Nachahmer finden: Jeder lebt für sich allein und trotzdem ist die Nähe da. Jede Familie behält ihre Privatsphäre. Auch die Nachbarn begrüßen die Idee. Und ebenso im Seniorenbeirat haben sie viel Zustimmung erfahren. „Wir unterstützen die Idee gerade vor dem Hintergrund der Wohnungsnot in Reinbek“, sagt Kurt Martens, der schon im Vorfeld von der Familie zurate gezogen wurde.