Wilhelmsburg. „Beschämend“: Parteispitze legt Resolution vor. Vorsitzende Melanie Leonhard und Nils Weiland im Amt bestätigt. Deutliche Worte zu AfD.

Auf dem Landesparteitag der Hamburger SPD hat Bürgermeister Peter Tschentscher die Haltung des Senats zum Krieg in Nahost, Antisemitismus und damit verbundenen Kundgebungen bekräftigt. Als internationale Stadt werde Hamburg es nicht dulden, dass islamistische Parolen auf die Straße getragen werden. „Die Angriffe der Hamas auf Israel sind menschenverachtender Terror“, sagte Tschentscher. „Da gibt es kein Ja, aber.“

Es gebe Bilder von den schrecklichen Attacken, die seien so schwer erträglich, dass sie nicht in den Medien gezeigt werden. „Solche Taten dann mit Ansichten zum Nahost-Konflikt zu vermengen und sie dadurch indirekt zu legitimieren – das ist eine ganz schlimme Haltung, auf die wir nicht hereinfallen sollten“, sagte Tschentscher unter dem großen Beifall von etwa 300 SPD-Mitgliedern am Sonnabendvormittag im Bürgerhaus Wilhelmsburg.

Tschentscher: Bejubeln von Terror keine Meinung, sondern Straftat

Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ergebe sich eine besondere Verantwortung, jüdisches Leben zu schützen und zu fördern, sagte der Bürgermeister. „Antisemitismus, Israel-feindliche Parolen, islamistisches Bejubeln von Terror sind keine Meinung, sondern Straftaten. Und das gilt in Deutschland für alle – nicht nur für die, die einen deutschen Pass haben.“

Dass Innenbehörde und die Polizei sehr genau hinschauten, wer Demonstrationen anmelde, stelle sicher, „dass wir genau das nicht erleben, was leider in anderen großen deutschen Städten schon stattgefunden hat“, sagte Tschentscher, womit er sich unter anderem auf Berlin bezog, wo das pro-palästinensische Netzwerk Samidoun die Taten der Hamas auf der Straße bejubelt hatte.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf dem Landesparteitag der Hamburger Sozialdemokraten am Sonnabend in Wilhelmsburg.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) auf dem Landesparteitag der Hamburger Sozialdemokraten am Sonnabend in Wilhelmsburg. © DPA Images | Daniel Bockwoldt

Der SPD-Landesvorstand brachte auf dem Parteitag eine Resolution an, die Solidarität mit Israel, allen zivilen Opfern und den in Hamburg lebenden Jüdinnen und Juden bekundet. Darin heißt es: „Dass in diesen Tagen Jüdinnen und Juden auch in unserer Stadt um ihre Sicherheit fürchten, ist beschämend.“ Für ihren Schutz und die „unbedingte Freiheit jüdischen Lebens“ stehe die SPD ein.

Bürgermeister zu Geflüchteten: „Es ist wichtig, nicht drumherum zu reden“

Mit Blick auf die auch in Hamburg seit Wochen geführte Debatte über Asyl und Migration erklärte Tschentscher, es sei „, wichtig, nicht drumherum zu reden“. Nötig seien „Transparenz und Ehrlichkeit“. Wenn Hamburg Geflüchtete weiterhin so aufnehmen, unterbringen und integrieren wollen, „wie wir das wünschen und wie das notwendig ist, kommen wir an Grenzen“, so der Bürgermeister. „Wir müssen in vielen Stadtteilteilen zusätzliche Unterkünfte einrichten. Dort, wo sie eigentlich zurückgebaut oder aufgelöst werden sollten, müssen sie verlängert werden.“

SPD-Landeschefin und Wirtschaftsenatorin Melanie Leonhard kam auf den Umgang mit großen Krisen wie den Kriegen in der Ukraine und in Nahost zu sprechen. Es habe sich in Deutschland „eine Debattenkultur Bahn gebrochen, die einen nie gekannten Rigorismus zu Tage gebracht hat“. Dies mache Menschen Angst, dass der Staat nicht mehr handlungsfähig sei. Die Sozialdemokraten müssten Antworten bereit halten, mehr bieten als nur ein Ja oder Nein; sie müssten das Wohlergehen aller im Blick behalten, „ohne den Menschen zu sagen, was sie wollen sollen“, sagte Leonhard.

AfD in einer Regierung? „Das wäre schlimm“, sagt SPD-Landeschefin Melanie Leonhard

„Jeder Einzelne muss sich in die Debatten einbringen, wenn es um die Frage geht, ob es vielleicht gar nicht so schlimm wäre, wenn die AfD mal irgendwo in einer Regierung ist“, forderte sie und lieferte sofort ihre Antwort. „Doch, das wäre schlimm“, sagte sie. Die stehen gegen alles, wofür wir uns einsetzen qua unserer Parteigründung. Wir wissen, was es bedeutet, wenn demokratischer Diskurs verboten ist, wenn man für seine Parteimitgliedschaft Gefängnis fürchten muss“, sagte Leonhard, womit sie sich auf den Wiederstand der SPD im Nationalsozialismus bezog. „Lassen wir uns nicht spalten, was Demokratie und Rechtstaat bedeuten.“

Die wiedergewählten Hamburger SPD-Parteivorsitzenden, Nils Weiland und Melanie Leonhard, am Sonnabend in Wilhelmsburg.
Die wiedergewählten Hamburger SPD-Parteivorsitzenden, Nils Weiland und Melanie Leonhard, am Sonnabend in Wilhelmsburg. © DPA Images | Daniel Bockwoldt

In ihrer Partei genießt die 46-Jährige weiterhin großen Rückhalt. Am Sonnabend bestätigten die Delegierten in Wilhelmsburg sie mit großer Mehrheit im Amt: Leonhard erhielt 260 Ja-Stimmen von insgesamt 284 Stimmen und damit 91,5 Prozent Zusstimmung; 21 Delegierte votierten mit Nein, es gab zwei Enthaltungen. Damit verschlechterte sich die SPD-Landeschefin um drei Prozentpunkte gegenüber ihrer Wahl vor zwei Jahren: Damals hatte sie 94,7 Prozent Zustimmung erhalten.

Ebenfalls im Amt bestätigt wurde Co-SPD-Landeschef Nils Weiland, der sich leicht verbesserte: Der Rechtsanwalt erhielt 225 Ja-Stimmen und kam damit auf 79,2 Prozent bei 45 Nein-Stimmen und elf Enthaltungen. In seiner Rede hob der 50-Jährige hervor, wie die Hamburger SPD von allen Mitbewerbern abzugrenzen sei: „Wir sind die einzige politische Kraft in Hamburg, die wirklich dafür steht, Teilhabe am Wohlstand dieser Stadt zu vermitteln.“

Umfragen zufolge ist die in Hamburg mit den Grünen regierende SPD zwar weiterhin stärkste Kraft, verzeichnet allerdings im Vergleich zur Bürgerschaftswahl vor dreineinhalb Jahren deutliche Verluste. Anfang des Monats kam sie bei der Sonntagsfrage des Hamburger Instituts Trend Research im Auftrag des „Hamburger Abendblatts“ auf 31 Prozent – 8,2 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl im Februar 2020. Umfrageergebnisse müsse die SPD ernstnehmen, sagte Weiland.

Auf Bundesebene laufe es „freundlich gesagt suboptimal“. Er gehe aber davon aus, dass es bei den kommenden Wahlen (im Mai 2024 stehen Bezirks- und Europawahlen an, 2025 ist Bürgerschaftswahl) für die SPD besser laufen werde, als aktuelle Umfragen es nahelegten. „Etwas mehr Optimismus, wir bekommen das hin – insbesondere in Hamburg.“

SPD-Mitglieder: Partei sollte mehr auf innere Sicherheit und Klimaschutz setzen

Dem Applaus zu folgen, teilen viele Mitglieder diese Haltung, allerdings gibt es Stimmen, die mehr Engagement der Hamburger SPD bei bestimmten Anliegen forderten. Die Sozialdemokraten sollten sich stärker der inneren Sicherheit zuwenden, sagte die Vorsitzende des SPD-Kreisverbands Blankenese, Yvonne Mejcher. Sie verwies auf den Großeinsatz an der Stadtteilschule Blankenese und die Geiselnahme am Flughafen Hamburg. Bisher setzt vor allem die Hamburger CDU auf das Thema innere Sicherheit.

Ein weiterer Punkt: Umwelt- und Klimaschutz habe die Hamburger SPD-Fraktion „viel zu lange vernachlässigt“, sagte Theodor Karczewski aus dem SPD-Distrikt Meiendorf. Der Solarausbau hätte gerade auf öffentlichen Gebäuden viel früher vorangetrieben werden müssen, sagte er. Wie berichtet zeigen offizielle Zahlen im sogenannten Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur, dass die Energiewende in Hamburg nur stockend vorankommt.

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Einstimmig verabschiedete der Landesparteitag am Sonnabend einen Antrag zur Zukunft des öffentlichen Dienstes, der unter Federführung von SPD-Finanzsenator Andreas Dressel entstanden war. Demnach soll sich die Hamburger SPD für eine Ausbildungsoffensive starkmachen. Zudem heißt es in dem Papier, die Arbeit im öffentlichen Dienst sollte finanziell attraktiver werden; Quereinstiege müssten leichter möglich sein; Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten für Leistungsträger sollten verbessert werden.

Hamburger SPD nominiert Laura Frick als Spitzenkandidatin zur Europawahl

Schon am Freitag hatten die Parteimitglieder Laura Frick aus Wandsbek als Spitzenkandidatin der Hamburger SPD für die Europawahl nominiert. Die 31-jährige Referatsleiterin in der Wirtschaftsbehörde erhielt 53,3 Prozent der Stimmen und setzte sich damit gegen Danial Ilkhanipour aus Eimsbüttel (28,6 Prozent) und Irene Appiah aus Hamburg-Mitte (18,1 Prozent) durch, die nun auf dem zweiten und dritten Hamburger Platz auf der SPD-Bundesliste zur Europawahl kandidieren..

„Als große Handels- und Industriestadt haben europapolitische Entscheidungen direkte Auswirkungen auf uns und unsere Stadt“, sagte Frick in ihrer Bewerbungsrede. Sie wolle helfen, den Hamburger Hafen zukunftsfest zu machen. Hamburg müsse stärker als bislang in Brüssel mitreden.

Dass der erste Platz kein Ticket nach Brüssel und Straßburg garantiert, hatte der langjährige Hamburger SPD-Europaparlamentarier Knut Fleckenstein im Jahr 2019 erlebt, als er auf Platz 18 der SPD-Bundesliste wegen des schlechten Ergebnisses der Sozialdemokraten seine Wiederwahl klar verfehlte. Die SPD lag damals mit 15,8 Prozent der Stimmen hinter CDU/CSU und Grünen. Seitdem werden die Hamburger SPD-Belange im Europaparlament von dem Hannoveraner SPD-Abgeordneten Bernd Lange mitvertreten.