Die Senatoren Grote, Schlotzhauer und Rabe schlagen Alarm. Sie fürchten eine nationale Notlage wegen der anhaltenden Migration.

Die weitersteigenden Zuzugszahlen nach Hamburg alarmieren die Hamburger Politik. In seltener Offenheit fordern gleich drei Senatoren im Gespräch mit dem Abendblatt eine schnelle Kurskorrektur und eine nachhaltige Begrenzung des Flüchtlings-Zustroms.

„Wir sind jetzt am Limit“, sagte die Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) dem Abendblatt. Die Stadtgesellschaft habe Beeindruckendes bei Unterbringung und Integration geschafft und bewiesen, wie leistungsfähig und weltoffen Hamburg sei. „Um es einmal bildlich zu machen: Wir haben aktuell eine Stadt von der Einwohnerzahl Pinnebergs in Hamburg öffentlich-rechtlich untergebracht. Leider ist keine Entspannung absehbar, ganz im Gegenteil. Die Zugänge steigen noch, und wir beobachten mit Sorge, dass die Stimmung in der Stadt zunehmend kritischer wird.“ Bislang habe Hamburg Maßstäbe gesetzt. „Jetzt kommen wir aber an Grenzen, und wenn wir hier in Hamburg jetzt an Grenzen stoßen, dann sind wir in einer nationalen Notlage.“

Flüchtlingskrise in Hamburg: „Die Signale der Überforderung häufen sich“

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Innensenator Andy Grote (SPD): „Nun häufen sich die Signale der Überforderung auf vielen Ebenen – nicht nur bei der Unterbringung, sondern auch in der Gesellschaft insgesamt. Viele, die immer sehr engagiert waren, sagen uns jetzt: Wir können nicht mehr.“ Die Integration so vieler Menschen sei eine Leistung, auf die Hamburg stolz sein könne. „Genau diese Erfolgsgeschichte dürfen wir aber nicht aufs Spiel setzen.“ Man wolle die „Kraft und Leistungsfähigkeit des Systems erhalten. Die Menschen erwarteten Steuerung. Wenn wir den Bogen überspannen, verlieren wir die Akzeptanz.“

Besonders dramatisch ist die Lage an den Schulen: Bildungssenator Ties Rabe verweist auf fehlende Lehrkräfte und Räume. „Im vergangenen Jahr haben wir 8000 Schüler zusätzlich aufgenommen.“ Und: „Nun aber sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir ohne Qualitätseinschränkungen den Ansturm nicht mehr bewältigen können.“ Die Rahmenbedingungen würden immer schwieriger, es fehlten Lehrkräfte und Räume, sagte der SPD-Politiker. Immer mehr Schulbeteiligte seien „müde und durchgescheuert. Das macht mir Sorgen. Irgendwann muss man sagen: So geht es nicht weiter.“

Eine Konsequenz der Zuwanderung sei, dass in manchen Hamburger Schulen die Klassen womöglich auch über die vereinbarten Obergrenzen vergrößert werden müssen. „Wenn Kinder aus den Flüchtlingsklassen in die bestehenden Regelklassen wechseln, nimmt in den Regelklassen die Schülerzahl zu. Dann können Stadtteilschulklassen auch mal 27, 28 oder 29 Schüler haben. Die Alternative wäre, fünf Parallelklassen aufzulösen und mit den zusätzlichen Flüchtlingskindern zu sechs kleineren Klassen neu zusammenzusetzen. Aber dann müssten wir bestehende Klassengemeinschaften und Freundschaften auseinanderreißen. Dieses Dilemma darf kein Dauerzustand werden“, so Rabe zum Abendblatt.

Flüchtlingskrise: Grote begrüßt Entscheidung der EU

Ausdrücklich begrüßt Innensenator Grote, dass nun auf EU-Ebene der Zuzug von Asylbewerbern begrenzt werden soll und spricht von einem „echten Paradigmenwechsel: Zum ersten Mal hätten wir damit eine wirksame Steuerung und Verteilung der Flüchtlingsankünfte in Europa. Derzeit werden noch mit Abstand die meisten Asylanträge in Deutschland direkt gestellt. Das muss sich ändern.“

In Hamburg werde derzeit eine Auszahlung der Leistungen geprüft: Bis Ende Oktober soll feststehen, wie mittels einer sogenannten Sozialkarte Sach- statt Geldleistungen ausbezahlt werden.

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Zugleich stellt sich die Stadt auf weitere Asylbewerber ein: Sämtliche 800 Flächen, die bereits für eine Flüchtlingsunterbringung geprüft wurden, würden jetzt in einer dritten Runde noch einmal betrachtet. Die Stadt beschafft Zelte und prüft weitere Hotelunterbringungen. „Wir sind bis Jahresende auf weitere 2000 Menschen mit Unterbringungsbedarf vorbereitet“, sagt Grote. „Wir eröffnen ständig weitere Unterkünfte und bauen Plätze auf. Turnhallen bleiben aber das allerletzte Mittel. Wir werden mit aller Kraft daran arbeiten, dass wir eine Unterbringung dort vermeiden können.“